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Sechs Buchstaben und ein Haufen Probleme - immer wieder.
© Arno Burgi/dpa

Aktuelle Pisa-Ergebnisse: „Die Schüler verlieren den Glauben an ihre Fähigkeiten“

Kurz vor dem Ende der Schulzeit hat jeder fünfte Schüler noch immer Probleme mit dem Lesen. Pisa-Forscher Michael Becker-Mrotzek über die aktuellen Befunde.

Kein schöner Tag für die deutsche Bildungspolitik: Die OECD hat in ihrer neuen Pisa-Studie am Dienstag wieder mal schlechte Botschaften parat, denn Deutschlands Schüler sind zum Teil wieder da angelangt, wo sie 2001 mal angefangen hatten. Im Interview spricht Michael Becker-Mrotzek, Professor an der Universität Köln und Direktor des dortigen Mercator-Instituts, über die Ursachen für den „besorgniserregenden“ Befund und was nun geschehen sollte.

Den großen Pisa-Schock gab’s im Jahr 2000. Muss man angesichts der aktuellen Ergebnisse einen „kleinen Pisa-Schock“ bekommen?
Die jetzigen Ergebnisse sind nicht überraschend, sondern entsprechen in der Tendenz den jüngsten Studien. Ich würde daher nicht vom „Schock“ reden. Aber besorgniserregend ist der Befund doch.

Was macht Sie besorgt?
Dass die schwachen Schüler noch schwächer geworden sind.

Wo könnte die Begründung liegen?
Zum einen ist der Anteil der Schüler aus schwierigen sozialen Lagen größer geworden, auch der Anteil der mehrsprachigen Schüler hat zugenommen, für die die deutsche Bildungssprache eine besondere Herausforderung darstellt. Zum anderen nimmt die Lesemotivation weiter ab. Beides zusammen führt zu einer Abwärtsspirale.

Und wie kann man entgegenwirken?
Wir haben nicht genug für die basalen sprachlichen Fähigkeiten der Kinder getan. Das muss sich ändern – sowohl in der Kita als auch in der Grundschule, damit die Kinder nicht von Anfang an entmutigt werden. Wir brauchen in diesen frühen Jahren Lesestrategien und andere gute Förderkonzepte: Es gibt sie schon, aber sie kommen nicht in der Fläche an.

In der Oberschule kann man nicht mehr gegensteuern?
Kaum: Wenn die Grundlagen fehlen, wachsen sich die Defizite nicht aus, sondern werden immer größer: Die Schüler verlieren den Glauben an ihre Fähigkeiten. Dennoch muss auch diesen Schülern geholfen werden.

Berlin hat doch viel in Bildung investiert – etwa in den Ganztagsbetrieb. Hätte man sich das alle sparen können?
Nein. Wir wissen nicht, wo wir stünden, wenn wir die Reformen nicht vorgenommen hätte. Wir sehen aber, dass es Länder wie die Schweiz und die Niederlande gibt, die sich verschlechtert haben. Deutschland ist immerhin stabil.

Ist diese Stabilität durch den Lehrermangel in Gefahr?
Wir haben ein Problem, wenn in den ersten Grundschulklassen aufgrund des Lehrermangels etwas schief läuft. Man muss also aufpassen, dass in dieser sensiblen Phase ausgebildete Lehrer zum Einsatz kommen. Sonst werden die Ergebnisse schlechter und die Spreizung zwischen den schwachen und starken Schülern wird noch größer.

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