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Zwischen Großstadt und Folklore. Immer mehr Menschen ziehen ins Umland, ob nach Falkensee oder Teltow.
© dpa/Ralf Hirschberger

25 Jahre Brandenburg: Die Mark ist echt ’ne Marke

Leere Städte, viel Weite? Ach, Brandenburg ist viel besser als sein Ruf. Jetzt wird 25-jähriges Bestehen gefeiert. Ein Besuch in Falkensee, wo gewählt wird.

Berlin ist das hier nicht mehr, auch nicht Stadtrand-Berlin, dafür stehen die Häuser zu weit und locker auf großen Grundstücken – aber Brandenburg? Falkensee ist Brandenburg, es ist grün, sandig und weit. Bloß ist Falkensee in so ziemlich jeder Hinsicht auch trendwidriges Brandenburg. Falkensee boomt, während das Bundesland um Berlin herum Menschen verliert und Dörfer, zumal die weit weg von Berlin gelegenen, ausdünnen. Falkensee hingegen ist, so die Internetseite der Stadt,  „die am schnellsten wachsende Stadt in der Bundesrepublik“. Fast 44 000 Einwohner hat die kleine Stadt mit dem fusionierten Namen inzwischen, 1923 entstanden aus den Siedlungen Falkenhagen und Seegefeld.

Wie in den Gartenstädten und Siedlungen überall um Berlin herum bemerkt man in Falkensee ein ruhigeres Tempo. Das ist hier schon Land. Die Gartengeräte-Geräuschkulisse jetzt im Herbst kündet von der Vorliebe der eingeborenen wie der gelernten Brandenburger für die Gartenarbeit. „Gärtner und Schweiger“ seien die Brandenburger, schreibt die Potsdamer Autorin Antje Rávic Strubel in ihrer „Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg“ und regt an, „dass alle, die in Brandenburg ihren Wohnsitz anmelden, zur Begrüßung eine Heckenschere oder eine Kreissäge geschenkt bekommen. Das wäre ein erster Schritt in Richtung Integration.“

Brandenburg zieht Berliner an

Exil-Berliner haben mit der Integration offenbar keine Probleme. Brandenburg mag ausdünnen, doch 25 Jahre nach seiner Neugründung am 3. Oktober 1990 zieht es, man glaubt es kaum, durchaus viele Berliner an, und nicht bloß für einen Tag. Die Statistiker der Berliner Stadtentwicklungsverwaltung erwarten, dass bis 2030 rund 147 000 Menschen die große Stadt in Richtung Umland verlassen werden.

Eine hat es schon getan: Die CDU-Politikerin Barbara Richstein ist vor 16 Jahren von Berlin nach Falkensee gezogen, der Politik zuliebe: Seit 1999 ist sie Landtagsabgeordnete. Für zwei Jahre – 2002 bis 2004 – war sie Justizministerin. Sie trat 2010 als Kandidatin der CDU bei der Oberbürgermeisterwahl in Potsdam gegen Amtsinhaber Jann Jakobs an, ist Stadtverordnete in Falkensee und möchte, wenn an diesem Sonntag gewählt wird, neue Bürgermeisterin ihrer Stadt werden.

"Ich möchte nicht, dass mein Kind in Berlin aufwächst"

Richstein hat das alte und das neue Brandenburg in dieser Zeit wirklich kennengelernt. Falkensee, sagt sie, bestehe inzwischen zu 70 Prozent aus Zugezogenen. Die Neu-Falkenseer sind aus Bonn gekommen – oder aus Berlin. Von denen sagten viele zur Begründung des Umzugs: „Ich möchte nicht, dass mein Kind in Berlin aufwächst“, so Barbara Richstein.

In einer kleinen Stadt wie Falkensee hätten viele den Eindruck, es gebe ein „anderes soziales Gefüge“ als in Berlin. Was nicht bedeutet: mehr Wohlstand. Eher: mehr Mittelstand. Lange war es so, dass man in den Gemeinden um Berlin herum billiger ein Haus auf dem eigenen Grundstück bauen konnte als in der Hauptstadt.

130.000 Pendler

Aus eingeborenen Märkern, Berliner Exilanten und westdeutschen Migranten entsteht in Städten wie Falkensee etwas Neues – Berliner Umland, bestimmt durch ausreichenden Abstand zum Großstadtgedröhne und Metropolengetue, aber auch durch arbeitstechnische Notwendigkeit. In Perleberg oder Cottbus sind die Leute auf die Arbeitgeber in ihrer Umgebung angewiesen; von Falkensee oder Potsdam aus pendelt die Mehrzahl nach Berlin, der statistische Pendlerüberschuss in Richtung Berlin liegt bei rund 130 000 Menschen.

Dass ein Vierteljahrhundert nach der Neugründung Brandenburgs die Beziehungen zu der großen Stadt in der Mitte anders als pragmatisch wären, behauptet niemand mehr. Eine Fusion des weiten, wald-, wasser und wiesenreichen Umlands mit seinem verdichteten Zentrum ist einstweilen politischen Strategen mit extremem Weitblick überlassen: ein Theorie-Thema, nach dem ersten und einzigen Versuch 1996, der an den Berliner Schulden und der Brandenburger Vorsicht scheiterte.

Was mal Preußen war mit der Preußen-Residenz in der Mitte, scheint nicht mehr zusammenzupassen. Aber vielleicht war Preußen immer ein ideologischer Überbau, abhängig von immer neuen Ideengebern und königlichen Projektemachern. Wahrscheinlich waren Gegensätze und Misstrauen zwischen den Bewohnern der Mark und der Metropole immer größer als die Gemeinsamkeiten, auch wenn Berlin in Brandenburg lag.

Das Gegenteil von offenherzig

So ist die Umland-Mischgesellschaft, wie man sie in Falkensee oder Altlandsberg oder Teltow vorfindet, immer eine Übergangsgesellschaft. Im Berliner Umland mag sie nur mehr Spuren brandenburgischer Originalität erhalten, die sind und bleiben wahrnehmbar – so aufgemischt sind Umland und berlinferne Regionen zum Glück noch nicht.

Barbara Richstein, geboren in Sindelfingen, aufgewachsen in West-Deutschland, beschreibt freundlich, was man sehr schnell als brandenburgischen Generalcharakterzug kennenlernt, wenn man in der Mark unterwegs ist: „Man ist eher zurückhaltend“.

So kann man das nennen, wenn Leute jemanden, der sie etwas fragt, erstmal eine Weile prüfend ansehen. Und dann mit einem Dreiwortsatz antworten. Es dauert, bis man den Brandenburger ein wenig kennenlernt, er ist das Gegenteil von offenherzig. Er ist, wenn man so will, in seinen Ausdrucksformen Fremden gegenüber eher karg. Nicht kühl, aber spröde. Er guckt erstmal. Und lässt sich Zeit mit der Freundlichkeit. Aber wenn sie da ist, bleibt sie auch, die Freundlichkeit. „Ich finde den Menschenschlag schon sehr nett“, sagt Richstein.

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