Von Michael Müller propagiert: Die Luca-App spielt für Berliner Gesundheitsämter noch keine Rolle
Sie versprach bei der Corona-Bekämpfung einen Qualitätssprung: die Luca-App. Inzwischen hat sich Ernüchterung breit gemacht. Ein Beispiel ist die Hauptstadt.
Der Berliner Senat erhofft sich im Kampf gegen die Corona-Pandemie einiges von der Luca-App, mit dem Einsatz hapert es aber weiterhin. Zwar können alle Gesundheitsämter inzwischen damit arbeiten, doch es passiert noch nicht viel. Dabei sollte die vom Berliner Start-up neXenio entwickelte App bei der Kontaktnachverfolgung vieles einfacher machen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte sich schon Mitte März für die Einführung der App in der Hauptstadt stark gemacht.
Für die Nutzung des Luca-Systems im ersten Jahr hat Berlin rund 1,17 Millionen Euro gezahlt. Darin sind neben der Lizenzgebühr auch die Kosten für die Validierung der Smartphones per SMS und die Serverkosten enthalten. Seitdem gab es allerdings Kritik - nicht zuletzt mit Blick auf Sicherheitsprobleme und Datenschutz, etwa von der Hacker Vereinigung Chaos Computer Club (CCC).
Jüngst monierten 70 deutsche Sicherheitsexperten deutscher Hochschulen in einer gemeinsamen Stellungnahme (hier der Volltext), dass die mit dem Luca-System verbundenen Risiken viel höher seien als der zu erwartende Nutzen. Die Macher der App wiesen die Angriffe zurück und verwiesen auf die transparente und kontinuierliche Verbesserung der Anwendung.
Aus verschiedenen Gründen hakt der Einsatz bei den Berliner Gesundheitsämtern nach wie vor, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei den Berliner Bezirken zeigt.
„Ein Datenaustausch hat bislang noch nicht stattgefunden“
Die technischen Voraussetzungen für die Nutzung der Luca-App bestehen für das Gesundheitsamt Reinickendorf bereits seit der ersten Aprilwoche. Seitdem kann sie zum Beispiel für Veranstaltungen im Bezirk genutzt werden. „Luca wurde bisher in der Praxis nicht zu einer Kontaktpersonennachverfolgung genutzt, da dies noch nicht erforderlich war“, teilte Gesundheitsstadtrat Uwe Brockhausen (SPD) mit. „Die praktischen Erfahrungen beschränken sich auf einen Testlauf im Rahmen der Schulung durch den Softwareentwickler.“
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Ähnlich lautet die Antwort aus dem Berliner Südwesten: Das Gesundheitsamt in Steglitz-Zehlendorf sei EDV-technisch mit der Luca-App verbunden. „Ein Datenaustausch hat allerdings hierüber bislang noch nicht stattgefunden.“ In Mitte ist die Nutzung der App seit vergangener Woche möglich, zur Kontaktverfolgung genutzt wurde sie nach Angaben des Bezirksamts allerdings noch nicht.
„Auf keine Personen gestoßen, die Luca aktiv einsetzen“
Auch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat alle Vorbereitungen getroffen, um die App einsetzen zu können. „Bislang ist das Gesundheitsamt aber bei Ermittlungen noch auf keine Personen gestoßen, die Luca aktiv einsetzen“, so das bisherige Fazit.
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In Charlottenburg-Wilmersdorf ist die Luca-App zwar ebenfalls einsatzfähig, aber noch nicht zum Einsatz gekommen. Gesundheitsstadtrat Detlef Wagner (CDU) sagte, es sei auch nicht absehbar, wann das geschieht. Wagner wies auf die „massive Kritik“ von Datenschützern hin, die es am Luca-System gegeben habe. Aus seiner Sicht wäre es besser zu warten, bis die damit verbundenen Fragen geklärt sind. Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg teilte gleichfalls mit, dass die die Luca-App noch nicht im Einsatz sei. Gleiches gilt für den Nachbarbezirk Neukölln.
Luca-App: Für größere Orte fehlt eine Abstandsmessung
In Pankow hingegen könnte die Kontaktnachverfolgung starten. Alle „technischen und rechtlichen Voraussetzungen“ für den Einsatz der Luca-App seien erfüllt, hieß es auf Anfrage. Aber auch hier gilt: „Im Alltag wurde die App bisher noch nicht eingesetzt“, so Gesundheitsstadtrat Torsten Kühne (CDU). Und es kommt der Hinweis auf die Kritik von Datenschützern und auf offene Fragen im Zusammenhang damit.
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Kühne sieht noch ein anderes Problem: Die Luca-App erlaube keine Abstandsmessungen. „Vielmehr wird ausschließlich erfasst, wer sich zeitgleich an einem Ort aufgehalten hat.“ Deshalb sei der Einsatz der App bei Einrichtungen mit einer größeren Anzahl von Besuchern oder Kunden nur begrenzt sinnvoll.
Luca-Betreiber: „System für die Zeit nach dem Lockdown“
Das Gesundheitsamt Treptow-Köpenick hat zwar alle Vorbereitungen getroffen, um mit der Anwendung arbeiten zu können. Aber: „Wir setzen diese zur Zeit nicht ein, da noch Punkte bezüglich des Datenschutzes abgeklärt werden müssen“, heißt es aus dem Bezirksamt im Südosten Berlins. Aus Marzahn-Hellersdorf lautet ebenfalls der Bescheid: „Die Luca-App ist bei uns im Bezirk noch nicht eingesetzt worden.“
Patrick Hennig, Geschäftsführer der Culture4Life GmbH, die das Luca-System betreibt, sagte, die Nutzung von Luca hänge von den Umständen ab. „Dort wo Leben stattfindet, wird es oft benutzt. Luca ist ein System für die Zeit nach dem Lockdown: Wenn Restaurants wieder öffnen können, Kultur-Events wieder stattfinden und Besuche in Pflegeheimen wieder möglich sind. Vorher kann Luca nur vorbereitend aktiv sein.“ (dpa)