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Ella Endlich will mit "Adrenalin" zum ESC.
© imago/Eibner

Vorentscheid zum Eurovision Song Contest: Die Kreuzbergerin Ella Endlich will zum ESC

Schon als Teenager war sie ein Star, dann wollte sie seriös werden. Jetzt ist Ella Endlich aus Kreuzberg mit Carmen Nebel auf Tour und tritt heute Abend beim ESC-Vorentscheid an. Und wer sind die anderen Kandidaten?

Sie ist gerade erst aufgestanden, muss sich noch ein bisschen sammeln. Tour-Jetlag, sagt Ella Endlich und schluckt schnell einen Brötchen-Bissen herunter. Seit Beginn des Jahres ist sie mit Carmen Nebel auf Tour, zwölf große Arenen in Deutschland und Österreich, Anfang April kommt die Fernseh-Schlager-Gastgeberin mit ihren Gästen ins Tempodrom.

Natürlich ist Ella Endlich dann auch dabei, ist sie jetzt fast immer. Also ist diese Sache hier ein bisschen knapp geworden. Erst am Vorabend ist Ella Endlich in Köln gelandet, erzählt sie am Telefon, hat erst mal 13 Stunden durchgeschlafen. Erschöpft ist sie nach all der Reiserei, dabei soll es doch eigentlich ihre große Chance werden: Am Donnerstagabend tritt die Kreuzbergerin beim deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest an, die Qualifikation zur Europameisterschaft im Singen: Wer gewinnt, tritt am 14. Mai für Deutschland an.

„So richtig entspannt gehe ich nicht in den Wettbewerb“, sagt Ella Endlich und beißt noch mal ab. Ein Schnellschuss sei das. Eigentlich sollte jetzt alles fertig sein, doch in einer Stunde hat sie überhaupt erst die zweite Probe für ihren Titel „Adrenalin“, der doch „Unser Lied für Stockholm“ werden sollte. Sie muss noch in die Dusche, bevor es zur Probe geht. Also schnell: Glaubt sie an ihre Chance, Kreuzberg für Stockholm?

Eine Botschaft sucht man vergeblich

Ella Endlich lacht – und weg ist alle Hektik aus der Stimme. „Da ich mich bisher überwiegend im Bett aufgehalten habe und nicht in irgendwelchen Bars, hatte ich noch keine Gelegenheit, die anderen kennenzulernen.“ Man muss sie einfach mögen, diese reizende junge Dame, die bis vor Kurzem in einer Wohngemeinschaft mit einem Travestiekünstler wohnte, sich nun aber eine eigene Wohnung gegönnt hat – selbstverständlich in Kreuzberg. Im Wintergarten sang sie zuletzt drei Monate lang, versucht immer wieder Auftritte in Berlin einzustreuen, um zu Hause sein zu können. Sollte sie am Donnerstag gewinnen, wird es damit wohl noch schwieriger.

Sängerin Ella Endlich.
Sängerin Ella Endlich.
© dpa

So recht scheint sie daran aber nicht zu glauben. „Am Contest kann man immer auch ein bisschen die Wünsche des Volkes ablesen“, sagt sie. Und wenn das gerade auf der Suche nach einer moralisch-politischen Botschaft sei, dann wird es vermutlich eher der Friedenssong von Alexander Diehl. Aus ihren drei eingesandten Liedern habe die Jury nun mal das „unpolitischste von allen“ rausgesucht.

Eine Botschaft sucht man vergeblich in den leichten Zeilen: Und wir spüren das Adrenalin / Dem Gefühl können wir nicht entfliehen / Denn das hier ist unser Traum vom Fliegen. Und später: Und ich weiß wie heut’ will ich dich immer lieben / will ich dich immer lieben / Oh oh oh / Oh oh oh / Oh oh oh / Will ich dich immer lieben.

Sie will keine Helene-Fischer-Kopie sein - klingt aber so

Ist es ein Kompliment, wenn man ihr sagt: Sound, Aufbau, Stil – klingt ziemlich nach Helene Fischer? „Erst mal tut es ein bisschen weh, weil ich natürlich eine eigenständige Persönlichkeit bin“, sagt Ella Endlich. „Aber mit den Besten verglichen zu werden, kann doch gar nicht scheiße sein.“ Punkt für sie, denn das Sch-Wort würde HF sicher nicht in den Mund nehmen. Ella Endlich aber redet, wie es ihr gefällt und weckt damit die Hoffnung, dass sie vielleicht eine ehrliche Ausnahme in einer Welt ist, in der kaum ein Lächeln echt zu sein scheint, kein Ton live gesungen wird.

Trotzdem ist „Adrenalin“ eindeutig auf eine bestimmte Zielgruppe hin geschrieben. Hat sie keine Angst, am Ende nur als eine Fischer-Kopie dazustehen, gerade jetzt, auf ihrer bislang größten Bühne? Och nö, sagt sie. Sie hätte auch eine ihrer Balladen nehmen können, aber das funktioniere bei diesem Wettbewerb eben nicht so gut. Und wenn etwas schiefgeht, erfindet sie sich einfach noch einmal neu.

Mit 31 Jahren hat sie schon zwei Namen und Karrieren abgelegt: Geboren als Jacqueline Zebisch, kam sie als Fünfjährige kurz nach der Wende mit ihren Eltern aus Weimar nach Berlin. Der Vater ist das N im DDR-Duo H&N, nach der Wende arbeitete Norbert Endlich als Produzent, komponierte für David Hasselhoff und Roland Kaiser.

Die Tochter sang schon früh im Tonstudio mit, am 14. Geburtstag unterschrieb sie den ersten Plattenvertrag, hatte als Junia den Teenie-Hit „It’s funny“, wurde erwachsen, wollte mehr und studierte Musiktheater an der Bayerischen Theaterakademie, nach dem Diplom folgte eine beachtliche Musicalkarriere. Doch 2009 auch da: Schluss, das war nicht ihre Welt, so wenig Aussage, zu künstlich.

"Man braucht Richtig viel Mut, sich diesem Ding auszusetzen"

Ein bisschen ironisch ist es da schon, dass sie nun ausgerechnet im Schlager gelandet ist. Aber mit Kategorisierungen will sich Ella Endlich nicht lange aufhalten. Sie übernahm den Namen ihres Vaters, der Vorname ist auch eine Hommage an die große Fitzgerald. Hildegard Knef und Udo Jürgens hätten sie besonders inspiriert für ihre ersten drei Alben, sagt sie. Nun klingt es eben wieder etwas anders. „Man muss veränderbar bleiben.“

Unwiderstehlich cool klingt das alles. Aber mal ehrlich, so viele sind gescheitert an diesem Wettbewerb, bei dem die ganze Nation alles besser weiß, sind ausgelacht, verhöhnt zurückgekehrt – da muss man doch schlaflose Nächte haben? „Es ist wie in den alten Arenen bei den Gladiatoren“, sagt Ella Endlich, „man braucht richtig Mut und Kraft, sich diesem Ding auszusetzen.“ Beim Publikum sei viel Voyeurismus dabei, der Dieter-Bohlen-Effekt, man will die Gladiatoren scheitern sehen und danach mit Eiern bewerfen.

„Manchmal wache ich schon auf und denke: Deutschland würde mir den kleinsten Fehler nicht verzeihen“, sagt sie. Aber ihre Managerin sei völlig überzeugt von der Sache gewesen, „und ich kann für mich selbst ein Nein nicht akzeptieren.“ Wenn es eine Herausforderung gibt, dann tritt sie auch an.

Vielleicht, sagt Ella Endlich, gefällt den Leuten ja, dass endlich mal wieder jemand auf Deutsch singt. „Vielleicht denken die Leute: Hey, die trinkt Bier und fährt VW-Käfer, die finden wir nett.“

Schmacht-Rock und Mönchskutten: Das sind die anderen Kandidaten

 Alex Diehl gilt mit seinem Friedenssong als Favorit.
Alex Diehl gilt mit seinem Friedenssong als Favorit.
© Henning Kaiser/dpa

NOCH MEHR BERLIN

Noch eine weitere Berlinerin will nach Stockholm: Die Australierin Kat Frankie lebt seit 2004 hier, das lassen wir mal gelten. Mit Chris Klopfer bildet sie das Duo Keøma. Ihre Easy-Listening-Nummer „Protectet“, die sie selbst „Night-Drive-Pop“ nennen, wirkt aber etwas zu gechillt für den ESC.

DIE FAVORITEN

Alex Diehls Friedenssong „Nur ein Lied“ ist nach den Anschlägen von Paris zum Internethit geworden. Mitgefühl könnte in diesen Zeiten ein entscheidender Faktor sein: Aus Angst wird Hass / aus Hass wird Krieg / bis die Menschlichkeit am Boden liegt / bis hier alles explodiert / und jeder den Verstand verliert / das alles hatten wir schon mal. Und das Prinzip „Typ-Wildecker-Herzbuben schrammelt 4-Chord-Song auf Gitarre“ hat ja schließlich auch schon bei den Olsen Brothers funktioniert.

 Jamie-Lee Kriewitz hat kürzlich die Vox-Sendung "The Voice" gewonnen.
Jamie-Lee Kriewitz hat kürzlich die Vox-Sendung "The Voice" gewonnen.
© Henning Kaiser/dpa

Die erst 17-Jährige Jamie-Lee Kriewitz muss allein deswegen als Favoritin gelten, weil sie schon eine ähnliche Zuschauerabstimmung gewonnen hat: Im Dezember hat sie die fünfte Staffel der Vox-Sendung „The Voice“ gewonnen, ihr Song „Ghost“ ist bereits ein Chart-Erfolg. Das Abitur hat sie erst mal verschoben. Ach, und: Sie kommt aus Hannover. Ebenso wie, genau, Lena! Und die hat ihre Sache ja bekanntlich ganz gut gemacht.

UND SONST?

Die Auswahlkommission der ARD hat sich offenbar Mühe gegeben, es nach dem Debakel um die Xavier-Naidoo-Nominierung allen recht zu machen. „Ich freue mich über die Vielfalt und Buntheit des deutschen ESC-Vorentscheides“, sagt ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber. Vielleicht haben sie es etwas übertrieben mit der Vielfalt. Da ist zum Beispiel Bon-Jovi-Schmacht-Rock von Avantasia, Mönchsgesang von Gregorian und Deutschpop-Schlager von Luxuslärm. Da geht der feine Indie-Pop von Woods of Birnam fast unter.

 Ralph Siegel ist auch mal wieder dabei: Er schickt Laura Pinski in den Vorentscheid.
Ralph Siegel ist auch mal wieder dabei: Er schickt Laura Pinski in den Vorentscheid.
© dpa

Ach ja, Ralph Siegel ist natürlich auch dabei. Er schickt die 19-Jährige Laura Pinski mit einem typischen Siegel-Grand-Prix-Lied nach Köln. Message: Wir sind alle gleich. Gilt leider auch für seine Lieder.

Das Erste und Einsfestival übertragen den Vorentscheid am Donnerstag ab 20.15 Uhr. Karten für „Willkommen bei Carmen Nebel“, 7. April, 20 Uhr, im Tempodrom gibt es ab 60 Euro. Ella Endlichs Album „Träume auf Asphalt“ erscheint am Freitag. Ein Porträt über den Choreographen des ESC lesen Sie hier.

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