Quartier Heidestraße in Berlin-Moabit: Die Klotz-Stadt nördlich vom Hauptbahnhof
Bis 2023 entstehen in Moabit neue Wohnblöcke mit Ladengeschäften. Sieht so die Antwort auf die architektonischen Fragen des 21. Jahrhunderts aus?
860 neue Wohnungen, 215 davon mit Zuschüssen des Senats zu günstigen Mieten und natürlich viele Büros, Läden und Lokale (175.000 Quadratmeter) – im „Quartier Heidestraße“ nördlich vom Hauptbahnhof wird geklotzt (und nicht gekleckert). Das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Die Sieger des architektonischen Wettbewerbes für die drei „Mischgebiete“ haben Blöcke, um nicht zu sagen Klötze, geschaffen mit Innenhöfen, die durchaus die Frage aufwerfen: Ist das wirklich neuzeitliche Architektur in ihrer höchsten Form?
Singende Blöcke
Senatsbaudirektorin Regula Lüscher versteht die Frage nicht: „Hier wird die hochgelobte Dimension der Gründerzeitquartiere gebaut.“ Jeder wohne gerne in diesen Kiezen. Die Neubauten säumten einen Boulevard (die Heidestraße) im Zentrum des Quartiers. In den Erdgeschossen gebe es teilweise Arkaden und ein Angebot an Läden und Cafés für die Passanten. Die Blöcke unterschieden sich in ihrer „Materialität“. In einem Bild: Verschiedene „Stimmen“ bildeten diesen „Chor“ und dabei sei „äußerst hochstehende Architektur“ am Werke.
Jedenfalls sind die Büros bekannt: Gerkans Büro gmp, Collignon sowie Robertneun Architekten setzten sich durch. Aber bei der Erläuterung ihrer Entwürfe klang heraus, dass die Fesseln des Bebauungsplans eben doch zerren. „Wenig Spielraum“ habe es gegeben, weshalb man etwa „nicht mit Einschnitten“ (in die Blöcke) habe arbeiten können, so Heike Warns von Collignon.
Der Monotonie der gewaltigen Blöcke wollen die Architekten entkommen, indem Fenster sich abwechseln mit Loggien oder auch mit Paneelen an den Außenwänden. Gmp dagegen radikalisiert das Konzept des filigranen Rahmens rund um große Fensterflächen, eine in den 1990er Jahren am Tauentzien mal moderne Idee (Salamander-Haus). Die Grenzen lotet am ehesten Robertneun aus mit rauen Betonoberflächen, breiten Doppelfenstern und in den Block zurückgesetzten Treppenhäusern, die dem Baukörper etwas von der Wucht nehmen.
Hard Rock
Und trotz aller Mühe ist der Chor nicht wirklich bei Stimme, um im Bild der Senatsbaudirektorin zu bleiben, vielleicht weil dem Dirigenten die Kühnheit fehlt, zum Beispiel einen Solisten in Szene zu setzen. Deshalb droht an der Heidestraße nun eine ähnliche Monotonie wie bei den steinernen Hotel-Kuben südlich des Hauptbahnhofs. Auch dort hatte die Bauverwaltung ein Loblied auf den Berliner Block angestimmt. Jetzt, wo die steinernen Häuser stehen, macht sich Ernüchterung breit: zu „hard“ der „rock“.
Doch der Blick wird dort bald eh abgelenkt zu dem gläsernen Zauberkubus, der auf dem Washingtonplatz gegenüber entsteht. Das steinerne Quartier verschwindet gleichsam als dessen Kulisse.
So ein mäßigender Solist fehlt nördlich des Hauptbahnhofs an der Heidestraße. Und auch das Bild des gründerzeitlichen Quartiers ist schief: Der Maßstab dieser Blöcke sprengt die Dimensionen des Städtebaus von vor 100 Jahren. Das Beste aus den 1960ern und 1890er Jahren kühn kombiniert, könnte man sagen. Aber ist das die richtige Antwort für den Städtebau des 21. Jahrhunderts?
Räuspern und Elektro
Der Entwickler des Quartiers, Thomas Bergander von der Firma Taurecon, lobt die „ganz hervorragende Zusammenarbeit mit Senat und Verwaltung“, trotz „teilweise kontroverser Diskussionen“ – und räuspert sich. Im Gespräch erklärt er, die „Digitalisierung“ des Quartiers vorantreiben zu wollen und zählt dazu auch die Einrichtung von „Elektro-Tankstellen“ in den Tiefgaragen.
Dass die Berliner an der Heidestraße einmal schöner wohnen werden, darauf lässt das geplante Quartiersmanagement hoffen und eine koordinierte Vermietung von Gewerbeflächen in den Blöcken rechts und links von der Heidestraße, damit durch die Läden Leben in den Kiez kommt. Denn anders als in den historischen Berliner Quartieren wächst hier ein Stück Stadt aus dem Staub.