Michael Donnermeyer über "Die Stadt und die Macht": Die ARD-Serie im Fakten-Check
Die Serie „Die Stadt und die Macht“ simuliert den Berliner Wahlkampf – mit der Realität hat das nicht viel zu tun, sagt Politprofi Michael Donnermeyer. Ein Fernsehabend mit Fakten-Check.
Vom fiktiven Berufskollegen möchte er sich klar distanzieren. Deshalb sei hier festgehalten: Michael Donnermeyer, Ex-Wahlkampfberater von Klaus Wowereit und Peer Steinbrück, hat nichts mit Georg Lassnitz gemein, dem krawallig-durchtriebenen PR-Mann von Susanne Kröhmer (Anna Loos) in der laufenden ARD-Serie „Die Stadt und die Macht“. Wenn Lassnitz seine Mitarbeiter anbrüllt oder die Kandidatin hintergeht, habe das nichts mit der Realität zu tun.
Ist ja auch Fernsehen. Donnermeyer lehnt sich entspannt in seinem Konferenzstuhl zurück, auf dem Laptop vor ihm läuft die zweite Folge der Serie. Wie ein Polizist „Tatort“ schaut, so guckt PR-Profi Donnermeyer das TV-Politdrama. Auf unseren Wunsch. Die Aufgabenstellung: Reality-Check.
In Folge zwei wird der Wahlkampf gemanagt, Donnermeyers Revier, im Hintergrund entwickelt sich dabei ein buntes Beziehungspanorama. Das spöttisch- amüsierte Lächeln weicht beim Zuschauen nie aus Donnermeyers Gesicht: Zu viel Privatkram für einen soliden deutschen Wahlkampf, kann man getrost ausblenden. Dennoch: Die Serie ist nicht schlecht gemacht, findet der Politprofi. Da gibt es schöne Details aus dem wahren Leben, etwa den Clinton-Handschlag: die linke Hand greift unter den Unterarm des Gegenübers, das signalisiert besondere Wertschätzung.
Der barocke Fraktionschef der Serie erinnert ihn an Franz Josef Strauß
Karl-Heinz Kröhmer, der barocke Fraktionschef der Serie, erinnert Donnermeyer an echte Akteure wie Klaus Landowsky oder Franz Josef Strauß, dieser Politikertypus sei aber ausgestorben. Dass Tochter Kröhmer in Vaters Fußstapfen tritt, sei in der Realwelt die absolute Ausnahme. Die meisten Politikerkinder seien durch die Erfahrungen mit ihren Eltern nachhaltig abgeschreckt.
Das Hineinleuchten von Lassnitz in Vater Kröhmers Skandal-Vita und das Privatleben seiner Tochter? „Muss man machen“, sagt Donnermeyer. Auf alles gefasst sein, was Journalisten ausgraben könnten, das sei absolut entscheidend für das Gelingen eine Kampagne. Allerdings wäre die Fragestellung nicht so direkt wie im Film. Eher so: „Gibt es etwas Privates, was wir wissen sollten?“
Wer bei einer Kampagne das letzte Wort hat – der Kandidat oder sein Wahlkampfmanager –, sei durchaus umstritten. Die Rolle von Lassnitz als externer Profi, dem die Partei eigentlich egal ist, gebe es im Regelfall gar nicht, die Kampagne werde vom Generalsekretär (bei der CDU) oder Landesgeschäftsführer (SPD) geleitet. Zur Unterstützung holt man sich eine erfahrene Werbeagentur.
Aber es gebe eben auch Ausnahmesituationen. Wie bei Edmund Stoiber, der 2002 für seine Kanzlerkandidatur einen „Bild“-Journalisten anheuerte. Oder Klaus Wowereit, der 2001 Donnermeyer zum Wahlkampfleiter machte. Als Wowereit sein berühmtes Outing hatte, sei er aber „noch nicht an Bord gewesen“, sagt Donnermeyer. Ob er so etwas Intimes öffentlich macht, müsse ein Kandidat immer selbst entscheiden. Die Wahlkampfzentrale in der Serie sei gut getroffen, findet Donnermeyer, zumindest die Szenerie und die Leidenschaft im Team. „16 Stunden durcharbeiten, das ist in der heißen Phase schon realistisch, das läuft wie ein Kommandounternehmen, am Ende gibt es nur Sieg oder Niederlage.“ Wenn sich Lassnitz den Kopf über den richtigen Werbespruch, den „Claim“, zerbricht, gerät Donnermeyer fast ins Schwärmen. „Extrem wichtig.“
Anna Loos findet Donnermeyer nicht authentisch
2011, Wowereits dritter Wahlkampf, habe sich die Agentur den Spruch „Berlin verstehen“ ausgedacht. „Das hat in diesem Moment wunderbar zu Wowereit gepasst.“ Im Film kopiert Lassnitz einfach einen alten Berlin-Spruch von Ernst Reuter: „Schaut auf diese Stadt.“ Geht gar nicht. „Davon muss man sich lösen.“
Anna Loos in ihrer Kandidatenrolle findet Donnermeyer nicht authentisch. Man spüre, dass ihr jemand die Sätze diktiert habe. Tödlich für die Glaubwürdigkeit eines Politikers. „Die Medien unterstellen ja immer, Wahlkampf sei was Manipulatives.“ Dabei gehe es nur darum, den Kandidaten und sein Programm „authentisch“ rüberzubringen. Bei Stoiber und Steinbrück ist das komplett schiefgegangen. Steinbrück sei von Anfang an in die Defensive geraten, sagt Donnermeyer. Statt über sein Programm wurde nur über seine Vortragshonorare gesprochen.
Klarer Minuspunkt im Reality-Check: Das spontane Streitgespräch vor Kameras zwischen Herausforderin Kröhmer und Amtsträger Degenhardt (Burghart Klaußner). Niemals würde ein Kandidat mit brisanten Informationen auftrumpfen, um den Gegner bloßzustellen. Viel zu riskant, sagt Donnermeyer. Es könnte ja was nicht stimmen. PR-Profis überlassen so etwas der Presse. Anschließend nimmt der Herausforderer dazu Stellung.
Der Abspann läuft, da lacht Michael Donnermeyer kurz auf. Er hat einen Kollegen entdeckt: Frank Stauss war Berater der Politserie. Stauss’ Werbeagntur ist gut im Geschäft. Sein nächster Wahlkampf-Kandidat nach Anna Loos ist übrigens Michael Müller, Regierender Bürgermeister.