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Anna Loos als Susanne Kröhmer in der ARD-Serie "Die Stadt und die Macht".
© ARD/Frédéric Batier

Martin Delius über "Die Stadt und die Macht": "Jede Partei hat eine Schmutzliste in der Schublade"

Die Berliner Politik steht im Mittelpunkt der ARD-Serie "Die Macht und die Stadt", und Ex-Pirat Martin Delius sieht Parallelen zum wahren Politik-Leben.

Herr Delius, die ARD-Serie "Die Macht und die Stadt" widmet sich der Berliner Politik. Wie ist Ihr erster Eindruck?

Ich habe an einigen Stellen nur darauf gewartet, dass Til Schweiger um die Ecke kommt und losschießt. Es war schon eine sehr deutsche Serie, aber man muss sagen, dass sie gut recherchiert und an einigen Stellen ein durchaus realistisches Bild gezeichnet hat.

Wo zum Beispiel?

Das schwierige Verhältnis zwischen Politik und Privatleben ist gut dargestellt. Zwar hat man als Paar in einem Wahlkampf normalerweise gar keine Zeit sich zu streiten...

...so wie in der Serie die Bürgermeisterkandidatin Susanne Kröhmer (Anna Los) mit ihrem Lebenspartner...

...aber ich kenne das selbst auch: Es ist sehr schwer, dem eigenen Partner Einblick ins politische Leben zu geben. Vieles ist kaum zu erklären, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Außerdem ist man froh, wenn man abends Abstand hat und nicht noch mehr über Politik reden muss.

Auch das Thema Vereinbarkeit von Familie und Politik spielt eine Rolle, da Susanne Kröhmer schwanger wird während des Wahlkampfes.

Ich freue mich, dass die Serie hier einen Schwerpunkt setzt. In der Politik ist Familie und Beruf zusammenzubringen sicher eines der präsentesten und wichtigsten Themen für jeden Einzelnen und jede Einzelne von uns.

Wie bewerten Sie das Bild, das von der Berliner Politik gezeichnet wird?

Die Provinzialität der Berliner Politik wird auf jeden Fall gut dargestellt. Man kennt sich, es gibt Seilschaften und Altvordere, die zwar selbst nicht mehr an der Macht sind oder an die Macht kommen, die aber noch die Strippen ziehen. Das ist gut dargestellt. Und ja: Jede Partei hat eine Schmutzliste in der Schublade. Dass es in der Serie um Baufilz und gescheiterte Großprojekte geht, war angesichts der Geschehnisse in Berlin in den vergangenen Jahren auch absehbar. Was natürlich fehlt, sind die großen Kleinigkeiten, mit denen man sich in den Ebenen der Politik im Alltag beschäftigen muss. In der Serie geht es letztlich hauptsächlich um die Spitzenpolitik. Und da wiederum ist die Serie etwas weichgespült. Wie belastend und selbstzerstörerisch diese Mechanismen in der Politik in Wirklichkeit sind, wird nicht ausreichend thematisiert.

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zum neuen Hauptstadtflughafen BER, Martin Delius, Fraktionsvorsitzender der Berliner Piratenpartei, kommt am 18.09.2015 zur Sitzung des Ausschusses im Abgeordnetenhaus von Berlin.
Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zum neuen Hauptstadtflughafen BER, Martin Delius, Fraktionsvorsitzender der Berliner Piratenpartei, kommt am 18.09.2015 zur Sitzung des Ausschusses im Abgeordnetenhaus von Berlin.
© dpa

Haben Sie sich da irgendwo wiedererkannt?

Nicht wirklich. Eher gibt es Parallelen zu Klaus-Rüdiger Landowsky beispielsweise. Aber ich zähle weder zu den Altvorderen noch zu den Königsmachern. Was ich aber durchaus aus der Politik kenne, sind die kleinen Hilfsmittel: eine unangenehme Interviewfrage gekonnt nicht beantworten oder auch kleine erfundene Geschichten, um damit ein Wahlprogramm aufzupeppen, so wie es die Hauptfigur Susanne Kröhmer in ihrer Bewerbungsrede macht.

Was hat Sie gestört?

Dass ein Berliner Politiker in einer Villa am Wannsee wohnt, ist doch etwas untypisch. Zumindest wenn man von unseren normalen Gehältern ausgeht. Das ist Klischee.

Die große Koalition geht in der Serie zu Bruch, will aber nach der Wahl wiederzusammenkommen. Frei erfunden?

Die Parallelen zur Realität sind natürlich nicht von der Hand zu weisen und keine Ahnung, ob SPD und CDU nach der Wahl wirklich wieder zusammenkommen wollen. Kaum vorstellbar, so wie sie sich derzeit beharken. Aber Absprachen gibt es in der Politik. Gerade in einem überschaubaren Politikbetrieb wie in Berlin kennt man sich eben. Nur sind die Treffen nicht immer so klandestin, wie in der Serie, wo man an der Spree zusammensteht und Steine ins Wasser wirft, um nicht abgehört zu werden. Aber dass es bei der ersten Kontaktaufnahme zwischen der konservativen Partei und den Grünen um einen Kuhhandel zwischen Flüchtlingsheimen und Großprojekten geht, ist schon nah an der Realität.

Es geht auch um das Verhältnis von Politik und Medien. Damit haben Sie auch Erfahrung. In der Serie gibt es einen windigen Journalisten, der der großen Verschwörung auf der Spur ist.

Da wird es doch sehr klischeehaft: Man trifft sich in dunklen Parks, braucht eine Liebschaft und gibt sich unter falschen Namen als Mitarbeiter des Katasteramtes aus, um an Informationen zu bekommen. Das ist - bei allem was man auch an der Hauptstadtpresse kritisieren kann - etwas überzeichnet. Dafür sitzen Sie und ihre Kollegen zu oft in staubigen Räumen, um zu recherchieren. Aber ja, es gibt gegenseitige Abhängigkeiten und auch mal ein Vertrauensverhältnis - gerade wenn es um die Aufarbeitung von großen Skandalen geht.

Und, wir spielen mal Spoiler, wird Anna Loos die neue Regierende Bürgermeisterin in Berlin?

In der Serie sicher schon. Alles andere würde mich überraschen. Aber vielleicht haben die Drehbuchautoren ja doch noch einen guten Dreh parat.

Martin Delius ist (parteiloser) Vorsitzender der Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus. Das Gespräch führte Christian Tretbar.

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