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Volker Schlöndorff erhielt seinen Jaguar 1990 von Max Frisch geschenkt. Fast 50 Jahre ist der Wagen alt.
© Georg Moritz

Volker Schlöndorff auf der Berlinale: Der Regisseur und die Raubkatze

Volker Schlöndorff fährt einen Oldtimer, den ihm "Montauk"-Autor Max Frisch geschenkt hat. Ob er damit am Mittwoch auch zur Premiere kommt?

Welchen Wagen nehmen wir denn nun? Den Benz, den Audi oder doch den alten Jaguar? Solche Fragen müssen sich die Stars für ihre Fahrt zum Berlinale-Palast in der Regel nicht stellen, reserviert sind für diesen Zweck die Fahrzeuge des automobilen Hauptsponsors der Filmfestspiele, aktuell ist es der Hersteller mit den vier Ringen. Für Volker Schlöndorff hat Audi an diesem Mittwochabend, zur Premiere von „Rückkehr nach Montauk“, einen ökologisch entschärften SUV, den Q7 e-tron 3.0 TDI quattro, reserviert. Passen würde aber auch ganz gut ein Wagen mit Stern vorne dran, ein Mercedes-Benz GLC 300 4matic, am besten in Himmelblau-Metallic, wie ihn Max und Rebecca, die beiden Hauptfiguren des Films, auf Long Island fahren: Manhattan – Montauk und zurück. Aber das hat der Regisseur wohl nie erwogen.

Den Jaguar schon. Seinen Jaguar wohlgemerkt, übrigens silbergrau, der zuvor Max Frisch als Erstbesitzer gehörte, Autor der Erzählung „Montauk“. Und die liegt schließlich Schlöndorffs Film zugrunde, in allerdings sehr abgewandelter Form und durchmischt mit privaten Erinnerungen des Regisseurs – das wäre dennoch Grund genug, von der Audi-Regel am roten Teppich einmal abzuweichen. Schlöndorff hat das tatsächlich erwogen, wie er vor wenigen Tagen auf einer der vielen Filmpartys verriet. Andererseits: Wer sollte den Wagen, den einzigen, den Schlöndorff besitzt und den er ständig fährt, nach seiner Ankunft am roten Teppich wegfahren? An den Wagen, der am 1. Dezember 2017 genau 50 Jahre alt wird, lasse er eigentlich nur seinen Mechaniker ran, sinnierte der Regisseur.

Ökologisch oder geschichtsträchtig?

Eine Restunsicherheit über den Premierenwagen bleibt, wahrscheinlich wird es dann aber doch der Audi. Aus Sicht des Umweltschutzes wäre das sicher sinnvoll, schließlich würde Schlöndorff damit abgasfrei vorfahren: Der für ihn vorgesehene Hybrid-Audi fährt auch elektrisch, zwar nur für kurze Strecken, aber sehr weit kommt man mit Frischs altem Jaguar 420 Saloon, die 4,7 Liter Hubraum verteilt auf sechs Zylinder, nun auch nicht. Durchschnittlicher Verbrauch im Stadtverkehr laut Schlöndorff: 25 Liter Super auf 100 Kilometer. Etwas bequemer wäre so eine neue Kiste natürlich, während Schlöndorff sein erstes Fahrerlebnis im Jaguar so beschrieben hat: „Der Wagen fuhr sich wie ein Panzer, bis er mal auf Touren kam, dann wie eine Super Constellation.“ Die viermotorige Propellermaschine war in den fünfziger Jahren die Krönung des zivilen Luftverkehrs. Etwas Eleganteres gab es nicht.

Auch in Max Frischs „Homo faber“ und in Schlöndorffs Verfilmung von 1990 taucht solch ein Flugzeug auf – und muss samt der Titelfigur in der mexikanischen Wüste notlanden. Vom Roman führt ein direkter Weg zu Schlöndorffs Landhaus am Potsdamer Griebnitzsee und dessen Garage mit dem Jaguar. Max Frisch hatte sich den Wagen zehn Jahre nach Erscheinen des Romans gekauft, für 31 000 Schweizer Franken, wie er in seinen 1973, mit dem Einzug in der Friedenauer Sarrazinstraße 8 begonnenen „Berliner Journal“ mitteilte – ein Traumauto im wahrsten Sinne des Wortes, das Frisch bis in den Schlaf verfolgte. Er träumte wiederholt, dass er es nicht wiederfinden könne, es ihm gestohlen worden sei. Auch in seiner Erzählung „Montauk“, ebenfalls während der Berliner Jahre entstanden, wird der Jaguar erwähnt.

Max Frisch fuhr den gleichen Wagen wie sein Verleger

Zum Kauf verführt hatte Frisch sein Verleger, Suhrkamp-Chef Siegfried Unseld, der ebenfalls einen 420er fuhr. Frisch lobte ihm gegenüber einmal den Wagen, worauf Unseld entgegnete, den könne er selbst sich doch allemal leisten. Ein Statussymbol also, wie Frisch später gegenüber dem Publizisten Heinz-Ludwig Arnold scherzte, als der bei ihrer ersten Begegnung 1974 in Zürich über die dicke Limousine erstaunt guckte. „Er musste meine Verwunderung gemerkt haben, denn er begann zu grinsen und meinte mit Blick auf den Wagen: ,Die Insignie des Zürcher Großbürgers – leider sehr reparaturanfällig.“ Schlöndorff dagegen mag über die altenglische Technik nicht klagen, wenn er auch acht Zylinder bevorzugt hätte. Klar, dass man in ein 50 Jahre altes Auto ab und zu mal was investieren muss. Selbst wenn man keine großen Strecken mehr damit fährt.

Das Auto und eine Männerfreundschaft

Mittlerweile besitzt er den Jaguar länger als Frisch. Die beiden waren sich während der Dreharbeiten zu „Homo Faber“ „sehr nahe gekommen“, wie der Regisseur erzählt. Und eines Abends – sie hatten lange am Dialog der deutschen Fassung gefeilt – bot Frisch ihm das Du an, was mit Champagner besiegelt wurde. Am nächsten Morgen aber führte er ihn in die Garage, überreichte ihm den Autoschlüssel und sagte: „Der gehört dir. Da, wo ich hingehe, brauche ich ihn nicht mehr. Er eignet sich besonders gut zum Vorfahren bei Hotels. Da gibt es immer noch ein Zimmer...“

Das war im November 1990, etwa fünf Monate vor Frischs Krebstod. Seither mussten am Auto Motor und Getriebe überholt, durchgerostetes Blech ersetzt und der Wagen lackiert werden. „Zeitbedingter Verschleiß“, wie Schlöndorff sagt. Ansonsten blieb alles original, selbst die schon etwas abgewetzten Ledersitze. Schließlich hat Max Frisch darauf gesessen.

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