Premiere auf der Berlinale: Volker Schlöndorff macht sein Leben zum Film
Volker Schlöndorff hat sein eigenes Leben, seine große Liebe, verfilmt. Ohne Indiskretion ging das nicht. Doch jedes Unbehagen zerstreut der Regisseur – mit Ehrlichkeit. Unser Blendle-Tipp.
Nicht dass er „Montauk“ von sich aus hätte verfilmen wollen. Viel zu autobiografisch, ja intim ist Max Frischs Erzählung über den alternden Schriftsteller auf Lesereise in New York, der draußen auf Long Island ein Wochenende mit der schönen 31-jährigen Lynn verbringt. Zu wenig Plot. Zu viel Nachdenken über das Versäumte im Leben, die Fehler in der Liebe, die Verletzungen, die man anderen zugefügt hat. Aber dann kam der Produzent Rainer Kölmel mit dem Projekt. Das ist die Gelegenheit, dachte Volker Schlöndorff, er schrieb einen Drehbuchentwurf, 30 Seiten in einem Rutsch. Es sollte sieben Jahre dauern, bis der Film Premiere feiert, an diesem Mittwoch im Wettbewerb der Berlinale.
Welche Gelegenheit? Nein, nicht um seinem guten Freund Max Frisch die Ehre zu erweisen, dessen Kultroman „Homo Faber“ er verfilmt hat und dessen Jaguar 420 er von dem Schriftsteller geschenkt bekam, wenige Monate vor dessen Tod 1991. Sondern um von dieser Frau zu erzählen. „Die große Liebe von mir, damals in New York, es ist ja kein Geheimnis“, sagt Volker Schlöndorff. Er sitzt im Café Einstein in der Kurfürstenstraße, Schlöndorff kommt gleich zur Sache. So ist es oft mit ihm, mit seiner entwaffnenden Ehrlichkeit. „Ich bin nie darüber hinweggekommen.“ Sie hieß Karoline, oder er hat sie so genannt, in seinen Memoiren „Licht, Schatten und Bewegung“, im Kapitel „Das Siebenundvierzigste“.
Eine Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen
Der heute 77-jährige Regisseur ist da im 47. Lebensjahr, er dreht in Amerika „Tod eines Handlungsreisenden“ mit Dustin Hoffman, er wohnt in München mit der Regisseurin und Schauspielerin Margarethe von Trotta zusammen, mit der er seit 14 Jahren verheiratet ist. Und dann trifft er diese schöne junge Frau in New York, Schlöndorff verfällt ihr, er kann sich nicht entscheiden, er will sich trennen, sich aber auch nicht neu binden, er reist hin und her, spielt auf Zeit. Telefonate, Geständnisse, Versprechungen, Verletzungen, Lügen – und die Unfähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, Ja zum Kinderwunsch zu sagen. Ein Mann, zwei Frauen, eine Männerfantasie, die alte Geschichte, es geht nicht gut aus.
Es ist alles genauso gewesen, es war alles ganz anders. „Return to Montauk“, eine doppelte Variation von Max Frischs Erzählung über dessen große Liebe zu Ingeborg Bachmann und von Schlöndorffs eigenem Leben, ist eine Revision in eigener Sache. Der Schriftsteller Max Zorn kommt auf Lesereise nach New York, seine Ehefrau Clara ist schon da, sie ist vorausgereist, und er trifft seine alte Liebe wieder, Rebecca, fährt mit ihr zwei Tage zur äußersten Landspitze von Long Island mit dem Leuchtturm darauf, an diesen aus der Zeit gefallenen Ort. Schlöndorff, von Trotta, „Karoline“, das sind Stellan Skarsgård, Susanne Wolff und Nina Hoss. Es ist Schlöndorffs persönlichster Film.
„Vielleicht muss man älter sein, um Fehler zu bedauern“
Wie wird das eigene Leben Literatur, wie wird es Film? Indem man sich einen Außenstehenden holt, dann fiktionalisiert sich das allzu Nahe wie von selbst, sagt Schlöndorff. Das Script hat er zusammen mit seinem Freund Colm Tóibín verfasst, der irische Schriftsteller war gewissermaßen die neutrale Instanz. Immer wieder saßen sie einander schreibend gegenüber, entwickelten die Szenen gemeinsam. Ralph Fiennes war für Max Zorn besetzt, zwischen ihm und Nina Hoss als Rebecca sollte es keinen allzu großen Altersunterschied geben. Aber der britische Schauspieler schreckte vor dem Schmerz seiner Figur zurück. „Vielleicht muss man ja älter sein, um so stark zu bedauern, was man falsch gemacht hat,“ sagt Schlöndorff. So kam Skarsgård ins Spiel, Jahrgang 1951, elf Jahre älter als Fiennes.
Film als Küchenpsychologie
Und was bedauert er, was hat Schlöndorff versäumt? Er denkt an die Freunde, denen er gern näher gewesen wäre, bevor sie starben, an die Frauen, die er verlor, weil er nicht zu seinem Wort stand, an diese viel zu lange Haltung, nur auf Probe zu leben. „Ich war 52, als ich endlich Vater wurde!“ Seit 1992 ist Schlöndorff mit der Filmschnittmeisterin Angelika Gruber verheiratet.
Trotzdem weiß er, es hat keinen Sinn, dieses „wäre“, „hätte“, „sollte“. Aber er kann nicht anders, es treibt ihn um. Seine Mutter starb früh. „Es soll ein langer Trauerzug gewesen sein. Wir Kleinen waren nicht dabei. Kein Gefühl, kein Schmerz, keine Trauer über den Verlust habe ich mir gestattet“, heißt es in der Autobiografie über den knapp Fünfjährigen, der er damals war. Vielleicht ist es Küchenpsychologie, sagt Schlöndorff jetzt entschuldigend, „aber immer war da diese Frage, wie es wäre, wenn sie noch da wäre. Und in jeder Frau sucht man die 33-jährige Mutter...
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