Manfred Rettig über das Humboldt-Forum in Berlin: „Der Neptunbrunnen gehört vors Schloss“
Senatsbaudirektorin Regula Lüscher sagte im Tagesspiegel: Neptun bleibt an seinem jetzigen Platz. Nein, Neptun zieht um, antwortet hier der Bauherr. Ein Meinungsbeitrag.
Einer der wesentlichen Gründe für den Wettbewerbssieg des Architekten Franco Stella für das Berliner Schloss war die Idee, eine öffentliche Passage vom Lustgarten zum Schlossplatz Richtung Breite Straße zu schaffen. Der Architekt spricht dabei gerne von den künftigen „Uffizien von Berlin“. Diese Passage bietet in der Form erstmalig die Möglichkeit, Fischerinsel und Museumsinsel städtebaulich zu verbinden. Das Berliner Schloss wird künftig nicht mehr als abgeschlossener Stadtpalast erlebt, der bis ins 19. Jahrhundert seinen Hauptzugang vom Schlossplatz hatte. Vielmehr wird das Humboldt-Forum im Berliner Schloss ein in das Stadtgefüge integrierter Ort für die Bürger und Besucher von Berlin sein.
Und welche Entsprechung bietet dafür derzeit der geplante Schlossplatz?
Die Planung der Senatsbauverwaltung sieht zurzeit für den Schlossplatz eine kaum begrünte steinerne Fläche ohne Aufenthaltsqualität vor. Über diese Steinwüste sollen künftig die erwarteten drei Millionen Besucher des Humboldt-Forums in die wenig attraktive Breite Straße schauen. Durch die derzeitige Straßenführung wird dieser bedeutende Stadtraum zu einem bloß funktionalen Element in der Berliner Verkehrsplanung degradiert. Dem Entwurf fehlt ein zentrales Element, das dem Schlossplatz eine angemessene Prägung gibt.
Mit der Rückführung des Schlossbrunnens von Reinhold Begas – auch Neptunbrunnen genannt – an seinen ursprünglichen Ort bekäme der Schlossplatz seine ursprüngliche städtebauliche Bedeutung zurück. In der Achse der künftigen Passage des Berliner Schlosses fänden die berühmte Granitschale und der Brunnen vor dem Alten Museum von Schinkel am Lustgarten ein Pendant auf dem Schlossplatz. Gleichzeitig würde der Schlossbrunnen wieder den Eingang in die Breite Straße akzentuieren und betonen, dass an dieser Stelle wieder die Bürgerstadt beginnt, deren Geschenk der Brunnen einmal war.
Spätestens wenn der Schlossbrunnen zur Restaurierung in seinen wesentlichen Teilen abgebaut werden muss, ist der Denkmalschutz für den jetzigen Standort des Brunnens nicht mehr gegeben. Der Versuch über die Außenraumplanung im Bereich der Marienkirche den derzeitigen Standort des Schlossbrunnens zu sichern, ist mehr als fragwürdig. Seit die große Koalition in Berlin 2011 vereinbart hat, für die Gestaltung des Rathausforums und damit für den Bereich der historischen Mitte Berlins einen städtebaulichen Wettbewerb auszuloben, stellt sich die Frage des Verbleibs des Schlossbrunnens ohnehin neu. Vorfestlegungen müssen kritisch hinterfragt werden.
Auf dem Schlossplatz selbst kann man sehen, was für Folgen derartige Vorfestlegungen haben können: Die dortige Verkehrsführung und die Trassenführung im Erdreich wurden entschieden und ausgeführt, noch bevor überhaupt der Freiraumwettbewerb für die öffentlichen Flächen um das Berliner Schloss – Humboldt-Forum herum ausgelobt war. Diese falsche Abfolge der Planungsschritte war aber keineswegs mit der Dringlichkeit zur Vorbereitung der Baumaßnahme Humboldt-Forum begründbar. Überlegungen zur Rückführung des Schlossbrunnens fanden einfach nicht statt. Heute werden die Planungen für die Rückführung des Schlossbrunnens bewusst aufwendig dargestellt, obwohl es auch einfachere Lösungen gibt. Daran muss jetzt gearbeitet werden. Die künftigen „Uffizien von Berlin“, die schönste Passage der Stadt, benötigt eine gestalterisch angemessene Fortführung nach Süden. Die Stadtplanung hat hier ihre Hausaufgaben für den Schlossplatz und die Breite Straße noch nicht gemacht!
Manfred Rettig