Schlossgelände: Haltet euch an das Original!
Wie soll das Areal rund um das neue Schloss gestaltet werden? Diese Frage beschäftigt derzeit Politiker, Architekten und Bürger. Wer versucht, das Gelände auf modern zu trimmen, handelt instinktlos. Und ahistorisch wäre es auch.
Auf den ersten Blick erscheint es wie eine Debatte um Lappalien, um ein paar Pflastersteine hier oder drei Sträucher dort. Tatsächlich aber liegt im Streit über die Gestaltung des Schlossumfelds erhebliche Brisanz. Es geht einmal darum, ob die Garten- und Platzlandschaft rund um das Humboldt-Forum historische Bezüge aufnehmen oder ob sie modern ausfallen soll. Damit eng verbunden, wenn auch nicht Gegenstand des auszuschreibenden Wettbewerbs, ist außerdem die Entscheidung, was mit dem heutigen Marx-Engels-Forum geschieht: Bleibt es eine Wiese, oder wird es im Straßenraster des alten Stadtkerns, der Urzelle Berlins, wieder bebaut?
Senatsbaudirektorin Regula Lüscher ist eine Modernisiererin, der die Berliner Neigung zum historisierenden Bauen gegen den Strich geht. Ihre hinter großer Liebenswürdigkeit gut versteckte Zähigkeit beim Verfolgen einmal definierter Ziele sollte keiner unterschätzen: Für Berlin wünscht sie sich konsequent einen modernen Schlossplatz, und das Marx-Engels-Forum wäre ihr grasbewachsen, wie es ist, am liebsten. Eine Bebauung würde Lüscher allenfalls hinnehmen, so viel hat sie einmal zugestanden.
Wie der Platz schließlich aussehen wird, entscheidet eine Jury. Der Entwurf für die Ausschreibung des Wettbewerbs kommt, wie die Vorschläge für die Besetzung des Gremiums, aus dem Hause Lüscher. Der Text lässt erkennen, dass die Chefin Anklänge an die auf vielen Fotos dokumentierte optische Einbindung des Schlosses in Balustraden und Skulpturengruppen ablehnt. Weder soll der Neptunbrunnen wieder dorthin zurückkehren, wo er stand, noch sollen die Figuren der Rossbändiger, die jetzt im Kleistpark leicht verschmiert ein eher tristes Dasein fristen, wie einst den Zutritt zu einem der Portale schmücken. Und damit die Jury ja keine am Gewesenen orientierte Entscheidung trifft, ist auch kein Gartenhistoriker unter den Personalvorschlägen.
Gegen all das regt sich Widerspruch. Ihn einfach aussitzen zu wollen, hieße, seine Stärke falsch einzuschätzen. Dass die Schlossreplik mit drei dem zerstörten Original weitgehend entsprechenden Fassaden verkleidet wird, war nicht nur im Bundestag von einer breiten Mehrheit getragen, sondern wurde später auch von der Öffentlichkeit weithin akzeptiert. Das Umfeld des Baus nun forciert auf modern zu trimmen, steht im klaren Gegensatz dazu. Die Platzierung der noch vorhandenen Großplastiken nahe der ursprünglichen Standorte wäre logisch. Das könnte, gärtnerisch eingebunden, dazu beitragen, dass dieser zentrale Ort nicht wie die Bauwerke auf dem Gendarmenmarkt von Busblech aus aller Herren Länder zugeparkt wird.
Wenn die Gartenarchitekten und die sie beauftragenden Politiker und Fachjuroren beim Abschreiten des Geländes über die Spree auf das Marx-Engels-Forum blicken, sollte man ihnen ein paar Fotos der baulichen Situation vor dem Zweiten Weltkrieg in die Hand drücken: Von hier zur Marienkirche und an ihr vorbei reichte die Wiege der Stadt. Hier wohnten die Menschen, auf deren Geistesleben die Liberalität der Stadt bis heute gründet. Das Gelände ist in städtischem Besitz. Dort das alte Straßenraster wieder aufzunehmen, eine nicht zu hohe, vielfältige Bebauung und Nutzung zuzulassen, wäre möglich. Es wäre die vierte Seite des Rahmens für das Humboldt-Forum. Über die Geschichte aus Bequemlichkeit einfach weiter Gras wachsen zu lassen, wäre zwar nicht untypisch für das Berlin von heute. Aber instinktlos und ahistorisch wäre es auch.
Bildergalerie: So soll das Schloss einmal aussehen: