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Zeichnung und Aufnäher zum Thema Hundekot in Berlin: Ein Berliner Bär tritt in einen Hundehaufen. Ein Hund kackt und genießt damit die Hauptstadt, Carpe Berlin!
© Doris Spiekermann-Klaas

Berliner Alltagsprobleme, Folge 2: Dauerproblem Hundehaufen: Das Braune soll weg

Berlins Alltagsprobleme, Folge 2: Was tun gegen den Hundekot, der so häufig liegen bleibt? Nach Debatte und Umfrage hat Tagesspiegel.de an den entscheidenden Stellen nachgefragt. Sogar ein Nazi-Vergleich soll helfen.

Es ist ein Dauerproblem in Berlin: Die Hundehaufen, die auf Gehwegen, in Grünflächen und sogar auf Spielplätzen herumliegen. In unserer Leserdebatte zu Berliner Alltagsproblemen wurde das Thema sehr oft genannt. In der anschließenden Online-Leserumfrage zum Thema, welches Berliner Alltagsproblem am meisten stört, belegte es schließlich Platz zwei – knapp hinter der Lärmbelästigung, aber mit weitem Abstand auf die folgenden Themen Vandalismus in Bussen und Bahnen, Unfreundlichkeit beim Service und Alkoholkonsum außerhalb von Gaststätten (die genauen Zahlen finden Sie hier).

Wie versprochen, recherchieren wir Thema für Thema. Den Beitrag zur Lärmbelästigung haben wir bereits hier veröffentlicht. An dieser Stelle kommt nun, was wir zum Thema Hundekot herausgefunden haben – als Analyse mit Mut zur Meinung. Leitfrage: Warum lässt sich dieses Dauerproblem in Berlin bislang nicht nachhaltig lösen?

Und natürlich sind auch Sie, liebe Leserinnen, liebe Leser, wieder gefragt: Fehlen Ihnen wichtige Aspekte in diesem Text? Wo sollten wir außerdem nachfragen und recherchieren? Kommentieren und diskutieren Sie mit. Bitte nutzen Sie dazu die einfach zu bedienende Kommentarfunktion am Ende des Textes. Wir nehmen Ihre Anregungen und Kritik auf und verfolgen das Thema weiter. Versprochen!

Und noch einmal der Hinweis: Natürlich wissen wir, dass es immer auch Wichtigeres gibt. Trotzdem sind wir davon überzeugt, dass auch die vermeintlich kleinen alltäglichen Nervereien angegangen werden sollten im Sinne eines zivilen Zusammenlebens in unserer Stadt. Über die großen Probleme - Arbeitslosigkeit, marode Schulen, Jugendgewalt, steigende Mieten und vieles mehr - berichten wir selbstverständlich auch weiterhin ausführlich und kontinuierlich.

Ordnungsämter der Berliner Bezirke

Der erste Weg führt zum Ordnungsamt. Hundekot liegen zu lassen ist eine Ordnungswidrigkeit und in Berlin sind die bezirklichen Ordnungsämter dafür zuständig, Ordnungswidrigkeiten wie Falschparken, Verstöße gegen das Rauchverbot, Säumnisse bei der Schneeräumpflicht oder eben liegen gelassene Hundehaufen zu ahnden.

Soweit so klar. Doch mit diesem Pflichtenkatalog beginnt bereits das Problem: Rücksichtslosen Hundehaltern sowie ihren kleinen und großen Freunden auf den Pelz zu rücken ist nun nicht gerade die Hauptaufgabe der Ordnungsämter, da reden die zuständigen Stadträte auch nicht lange drum herum. "Ganz weit unten in der Prioritätenliste" stehe das Thema bei den Streifen des Ordnungsamtes, sagt Pankows Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne). Neben der "Hundekotproblematik" sei "eine Vielzahl von Aufgaben zu bewältigen", schreibt Kirchners Kollege aus Mitte, Carsten Spallek (CDU), in seiner schriftlichen Antwort auf unsere Anfrage und nennt für die letzte Zeit zum Beispiel die "Schnee- und Eisbeseitigung" als wichtigen Punkt.

Entsprechend sieht es aus, wenn in der Hauptstadt dann der Schnee mal wieder schmilzt und das ganze braune Desaster vergangener Tage und Wochen mit einem Schlag sicht- und ruchbar wird. Darüber hinaus ist es sicherlich zu jeder Jahreszeit angenehmer, ein Knöllchen an ein Auto zu heften als potenziell aggressive Hunde und Herrchen auf ihre Pflicht aufmerksam zu machen und ihnen Bußgelder anzudrohen oder gar aufzubrummen.

Damit es dazu aber überhaupt kommt, muss der Ordnungshüter den ordnungswidrigen Hundefreund auch noch in flagranti erwischen. Denn wie sollen Hund, Herrchen und Haufen gerichtsfest miteinander in Verbindung gebracht werden? Aber welcher Hundefreund lässt sich schon von uniformierten Ordnungshütern auf frischer Tat ertappen? "So blöd ist der Berliner ooch nich", sagt Ordnungsrat Kirchner, der sich gern volksnah ausdrückt.

Entsprechend gering ist die Zahl der verhängten Bußgelder. Eine halbwegs vollständige Liste wurde zuletzt 2008 vorgelegt, auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Michael Arndt (SPD) an den Senat. Die Zahl der Bußgeldverfahren bewegt sich demnach von Bezirk zu Bezirk schwankend im ein bis zweistelligen Bereich (hier die gesamte Kleine Anfrage samt der Statistik zum Nachlesen). Die Höhe der verhängten Verwarnungs- und Bußgelder lag zwischen 35 und 70 Euro.

Highlights der Zahlensammlung sind wohl die "5 abgeschlossenen Bußgeldverfahren" aus dem bis obenhin zugekoteten Friedrichshain-Kreuzberg sowie die strunzige Art des Bezirksamts in der Haufenhochburg Neukölln, sich auf die Anfrage des Senats hin lieber gar nicht zu melden. Auch Mitte, zu dem immerhin der haufenübersäte Wedding gehört, meinte, zu diesem unliebsamen Thema keine Angaben machen zu müssen. Schlussfolgerung: Auf die Berliner Ordnungsämter sollte nicht setzen, wer sich weniger Hundehaufen auf Berlins Straßen erhofft.

Berliner Stadtreinigung (BSR)

Einen Punkt will Sabine Thümler gleich zu Anfang unseres Gesprächs machen: "Die eigentlich Verantwortlichen sind die Hundebesitzer." Für die Sprecherin der Berliner Stadtreinigung (BSR) ergibt sich daraus eine besondere Dialektik: Zwar sei die BSR dafür zuständig, liegen gebliebene Hundehaufen von den Straßen und Gehwegen Berlins zu beseitigen – "natürlich fegen unsere Mitarbeiter da nicht drumherum" - aber sie könne das Problem nicht nachhaltig lösen. Im Gegenteil: Je mehr die Stadtreinigung mache, umso kontraproduktiver könne das am Ende sein.

Beispiel Hundekotmaschinen: Mit 13 solcher Rüsselfahrzeuge ist die BSR in Berlin an sechs Tagen der Woche unterwegs. Bewusst kümmere sie sich dabei hauptsächlich um Ecken mit "sehr starker Verkotung", sagt Thümler, zum Beispiel die Gegend um den Boxhagener Platz in Friedrichshain. Knapp eine Million Euro koste der Einsatz der sagenumwobenen Maschinen, die kaum ein Berliner je gesehen hat, im Jahr. Auf Anfrage bei der Senatsgesundheitsverwaltung wird die Zahl, die die BSR mit Verweis auf "privatwirtschaftliche Verträge" zunächst nicht rausrücken wollte, präzisiert: Der BSR entstünden jährlich rund 950.000 Euro Kosten "durch die Beauftragung Dritter mit der zusätzlichen Beseitigung von Hundekot in der Stadt (Hundekotmobile)".

Soweit die Kosten. Und der Nutzen? "Welche Mengen an Kot können die Hundekotbeseitigungsmobile, die nach Angaben des Senats ja täglich zehn Stunden im Stadtgebiet eingesetzt werden, entsorgen?", hat der Abgeordnete Arndt den Senat auch gefragt. Die Antwort: "Durch die Hundekotbeseitigungsmobile werden in Berlin täglich ca. 2,4 t Hundekot aufgenommen." Insgesamt geht die Senatsverwaltung aber von 55 Tonnen Hundekot täglich in Berlin aus. Als Hinterlassenschaft von 150.000 Hunden, so die geschätzte Zahl, die der Hundeexperte und Hundebuchautor Christoph Stollowsky ("Hundeleben in Berlin") verwendet. Offiziell erfasst seien davon im übrigen nur etwa 100.000.

Die "Hundekotmobile" beseitigen also nur einen winzigen Teil des täglichen Kotaufkommens. Mehr "Hundekotmobile" auf die Straßen zu bringen, sei trotzdem derzeit nicht geplant, heißt es bei der BSR. "Wir können nicht allen Berlinern über die Straßenreinigungsgebühren immer mehr aufbürden für eine Sache, für die nur ein Teil der Bürger verantwortlich ist", sagt Sprecherin Sabine Thümler.

Wall AG

"Freut mich, dass dieses Thema den Berlinern so wichtig ist", sagt Frauke Müller über das Ergebnis unserer Leserumfrage. Diese Freude beruht nicht nur auf den üblichen persönlichen Erfahrungen mit dem notorischen Berliner Hundehaufen-Problem. Frauke Müller ist Sprecherin der Wall AG, die ihr Geld mit Stadtmöbeln verdient. Und zu Walls Möbelangebot gehört seit einiger Zeit auch die "Dog Station", eine Stele aus bunt-glänzendem Plexiglas. Die "Dog Station" ist Tütchenspender und Mülltonne zugleich. 54 Stationen stehen derzeit in den drei Bezirken Spandau, Tempelhof-Schöneberg und Charlottenburg-Wilmersdorf. Die "Dog Station" habe sich "unheimlich bewährt", meint Frauke Müller. "Wir füllen ständig Tüten nach, die Behälter sind ständig voll." Es gebe sehr viele Anfragen aus der Bevölkerung, doch bitte weitere "Dog Stations" aufzustellen.

Wiederholte Vorortrecherchen in Schöneberg legen nahe: Direkt um die "Dog Stations" herum sieht es jetzt wirklich ein bisschen besser aus. Hartleibige Berliner Herrchen aber lassen auch hier weiter hinkoten. Für diese Berliner Spezies gehört das Peinigen von Mitmenschen offenbar zum Lebensgefühl. Und in Parallel- und Querstraßen, in denen keine orangefarbene Dog Station glänzt, hat sich ohnehin nichts verbessert.

Die BSR, die für Wall den Kot aus den Dog Stations entsorgt, sieht das Projekt mit gedämpfter Euphorie. "Wir nehmen schon wahr, dass die Tüten immer weg sind", sagt BSR-Sprecherin Sabine Thümler. Eine deutliche Verbesserung sei aber auf den Gehwegen nicht erkennbar. Die orangefarbenen Stelen hätten doch "mehr Hinweischarakter". Der Senat sieht es offenbar ähnlich, die Dog Stations stellten "eine augenfällige Erinnerung an die Hundehalterpflichten dar", heißt es aus der Gesundheitsverwaltung auf Anfrage von Tagesspiegel.de.

Obendrein ist diese Lösung nicht ganz billig: 3000 Euro kostet so eine Station. Aber wenn es die öffentlichen Verantwortlichen nicht wuppen, vielleicht hilft ja die kommerzielle Lösung. Denkbar wäre zum Beispiel eine Refinanzierung über Werbung auf den durchaus nicht unattraktiven orangefarbenen Stelen. Einen Designpreis hat die holländische Firma, die das ambitionierte Häufchenabwurförtchen gestaltete, immerhin auch schon gewonnen.

Und ursprünglich hatte Wall ja noch viel mehr vor: Kotentsorgung per Roller. Keine Motorroller wie sie zum Beispiel in Offenbach zum Einsatz gebracht wurden, sondern so genannte Segways, auf denen der Fahrer aufrecht steht und auf einer Achse mit zwei Rollen fährt. Wall wollte die Roller mit einem Saugrüssel ausrüsten und auf Berlins Gehwegen ausschwärmen lassen. Zu durchaus verständlichen Sicherheitsbedenken kamen finanzielle Vorbehalte bei einem so personalintensiven Projekt. Und so blieb der große Wallsche Rollgriff nach den Berliner Kotbergen erstmal im Ansatz stecken. Man sei aber jederzeit bereit, die Segway-Pläne wieder hervorzuholen, falls erneut Interesse daran aufkeimen sollte, sagt Wall-Sprecherin Müller.

Eine solche Lösung hat allerdings etwas Zwiespältiges: Einerseits wäre es natürlich gut, wenn mehr sauber gemacht würde. Andererseits würde sich das Berliner Herrchen erst Recht darin einrichten, dass er für die Hinterlassenschaften seines Hundes nicht zuständig ist.

Senatsverwaltung für Gesundheit

Dann setzen wir jetzt mal ganz oben an: Beim Senat, der Berliner Landesregierung. Die oben zitierte Kleine Anfrage zum Thema Hundekot hat Gesundheitsstaatssekretär Benjamin Hoff für den Senat beantwortet. Den Mann befragen wir jetzt auch! In seiner Pressestelle reagiert man überrascht. Was denn, Sie wollen den Herrn Staatssekretär wegen eines solchen Themas sprechen? Das sei schwierig. Okay, denken wir, uns geht es ja auch nicht darum, mit dem Herrn Staatssekretär zu plaudern. Wir wollen Fakten und willigen ein, dass wir die Fragen zu diesem politisch offenbar hochexplosiven Thema schriftlich einreichen und die Senatsverwaltung uns ebenso schriftlich antwortet, was den Vorteil hat, dass sich das Ganze leichter dokumentieren lässt, nämlich hier.

Was also unternimmt die Senatsverwaltung für Gesundheit und Umwelt derzeit gegen das Berliner Hundekotproblem, fragt Tagesspiegel.de. "Die Lösung des Hundekotproblems liegt letztendlich im gut funktionierenden Vollzug. Für den Vollzug sind die bezirklichen Ordnungsämter zuständig", heißt es als Antwort. Aha. Warum das mit dem "Vollzug" so aber nicht funktioniert, siehe oben.

Sind von Seiten der Senatsverwaltung für Gesundheit und Umwelt weitere Maßnahmen gegen das Berliner Hundekotproblem geplant, fragt Tagesspiegel.de weiter. "Nein. In erster Linie ist der Verursacher, sprich der Hundehalter, für die ordnungsgemäße Beseitigung des Hundekots verantwortlich." Ein wahrer Satz, der zur Lösungsfindung nur bedingt beiträgt.

Die Frage nach einer aktuellen Bilanz wird mit einem Verweis auf jene Statistik aus der Kleinen Anfrage 2008 beantwortet (siehe oben). Aber die zuständige Senatsstelle muss doch eine Meinung zu dem Thema haben, fragen wir uns. Inwieweit also ist die Gesundheitsverwaltung mit dieser Bilanz zufrieden? Antwort: "Entfällt."

Noch ein Versuch: Was muss sich in Berlin aus Sicht der Senatsverwaltung für Gesundheit und Umwelt ändern, damit die Stadt des Hundekot-Problems nachhaltig Herr werden kann, fragen wir. Die Antwort: "Eine nachhaltige Lösung des Hundekotproblems ist letztendlich nur durch eine Änderungen des Bewusstseins und der Einstellung der sich nicht an Recht und Gesetz haltenden Hundebesitzer zu erreichen."

Mehr von der Senatsverwaltung, siehe unten. Bleiben Sie dran!

Die Initiative Stadt und Hund

Weil Christof Wüllner das Waten durch Hundekot nicht für normal hält und weil er sich nicht damit abgefunden hat, dass seine Kinder den klebrigen, krankheitserregenden Mief dauernd mit ihren Schuhen in die Wohnung tragen, hat er "Stadt und Hund" mitgegründet. Mit seinem Kollegen Michael Krockauer entwirft Wüllner nachhaltige Konzepte gegen den überbordenden Hundedreck. Für Wüllner und Krockauer ist das allerdings eher ein Hobby. Ihr Geld verdienen die diplomierten Geologen mit Gutachten und anderen Dienstleistungen, die mit Hunden nichts zu tun haben.

In ganz Deutschland betreut die Berliner Organisation Projekte mit Tütchenspendern – in Berlin zuletzt zum Beispiel am Rummelsburger See in Treptow – oder so genannten Hundegärten, in denen sich die Vierbeiner im Kiez austoben können, ohne die Nachbarn zu behelligen, in Berlin etwa am Schäfersee in Reinickendorf.

Wächst hier zusammen, was zusammen gehört? Darüber darf man geteilter Meinung sein.
Wächst hier zusammen, was zusammen gehört? Darüber darf man geteilter Meinung sein.
© promo

Die neueste Kampagne, die "Stadt und Hund" unterstützt, ist durchaus drastisch: Die Hamburger Werbeagentur draftfcb hat eine "Sonderedition" des Tütchenspenders aufgelegt. Der Slogan "Das Braune muss weg" bringt zwei Themen zusammen, die auf den ersten Blick nicht unbedingt zusammengehören: Rechtsextremismus und Hundekot. Die nötige Aufmerksamkeit dürfte die Aktion aber bringen, wenn sie wie geplant noch im Februar in Berlin an den Start geht.

"Stadt und Hund"-Gründer Wüllner sieht selbst in Berlin noch Chancen, das Hundekot-Problem nachhaltig zu lösen. Das Rezept: Flächendeckend Beutelspender, mehr Mitarbeiter in den Ordnungsämtern, breit angelegte Informations- und Kommunikationskampagnen. "Dann könnten wir das Problem in fünf Jahren im Griff haben", prophezeit Wüllner. Veranschlagter Kostenpunkt: "Ein Euro pro Berliner pro Jahr", sagt Wüllner - also rund 3,5 Millionen Euro.

Doch bei Visionen belässt es Wüllner nicht: In Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Mitte, mit dem "Stadt und Hund" ohnehin schon kooperiert, findet Anfang Juni eine Fachtagung zum Thema Hundekot statt, ambitionierter Titel: "Berlin wird häufchenfrei!" In der Ankündigung auf der Facebook-Seite von "Stadt und Hund" heißt es dazu: "Unsere tagtägliche Sicht auf die Berliner Bürgersteige und Grünflächen offenbart, dass trotz aller Studien, Projekte und Anstrengungen das Problem Hundekot in Berlin noch nicht gelöst ist." Die Tagung gehe der Frage nach, wie es andere Städte geschafft haben und welche Voraussetzungen in Berlin geschaffen werden müssen, um das Problem zu lösen. Eingeladen ist unter anderem die Umweltstadträtin von Wien, einer Stadt, die das Hundekotproblem offenbar vergleichsweise nachhaltig in den Griff bekommen hat. Außerdem nehmen unter anderem Vertreter des Senats und natürlich des Bezirksamts Mitte teil sowie Christof Wüllner selbst.

Für die "Stadt und Hund"-Leute steht fest: Das Hundekotproblem wird nur "über die Hundebesitzer" zu lösen sein, also erzieherisch, über zähe Ansprache und letztlich im Einvernehmen mit ihnen.

Parteien

Michael Arndt will keine Image-Kampagnen mehr, sondern Hardware. "Der Staat kann sich bei dem Thema nicht aus der Verantwortung genommen werden", sagt der SPD-Abgeordnete. Er fordert, dass endlich mehr Kotsauger auf die Straße kommen. Außerdem müssten die Bußgelder erhöht werden. Einen genauen Betrag will Arndt dann aber lieber auch nicht nennen. Um sich da festnageln zu lassen, ist er dann wohl doch zu sehr Politiker.

Wenig Eindruck gemacht: Ein Motiv der Aktion "Saubere Stadt".
Wenig Eindruck gemacht: Ein Motiv der Aktion "Saubere Stadt".
© promo

Der SPD-Abgeordnete war einst selbst mit für die Kampagne "Saubere Stadt" verantwortlich, die mit einer groß angelegten Plakataktion an die Berliner appellierte, ihre Stadt sauber zu halten. Die Unverbindlichkeit bei den Zielgruppen aber war bei der "Sauberen Stadt" wohl das Hauptproblem. Allgemeine Sauberkeitsappelle von Graffiti über Stehpinkeln bis zu Haufenliegenlassen, seien sie auch noch so witzisch-kreativ aufbereitet, verpuffen am Ende. Sprayer zum Beispiel sind eine ganz andere Klientel als Hundehalter und brauchen eine ganz andere Ansprache, wenn man wirklich zu ihnen vordringen will. Da ist es mit ein paar Postern gegen alles und jeden nicht getan. Da können die Motive noch so ironisch-provozierend sein, etwa ein Pinkler an der Hauswand mit dem Spruch: "Keine große Sache. Wie sein Ding." Oder ein Grafitti-Kratzer am S-Bahn-Fenster: "Nicht ganz klar. Wie der Typ." Oder eben der rücksichtlose Hundehalter samt Hund und Haufen: "Nur ein kleines Würstchen. Genau wie Herrchen." Schwer kontrovers! Aber leider nicht zielgerichtet und damit wirkungslos.

Auch von Nachhaltigkeit keine Spur. Arndt erlaubte sich 2008 noch mal nachzufragen, warum denn die Projektgruppe Saubere Stadt, "die sich ja unter anderem mit der Hundekotproblematik befasste", 2005 aufgelöst worden war und welche Gremien seitdem die Aufgaben dieser Initiative übernähmen und wie wohl deren Ergebnisse im Vergleich zu bewerten seien. Die Senats-Antwort: "Ein wesentliches Ergebnis der Projektgruppe Saubere Stadt war, dass die größten Erfolge bei der Verbesserung des Umweltbewusstseins von Teilen der Bevölkerung durch eine intensivere Überwachung der Vorschriften und der Ahndung von Verstößen zu erzielen sei." Aha. Wie war das im Mittelteil? Dann der entscheidende Satz: "Diese Aufgaben übernahmen in der Folge die Ordnungsämter der Bezirke."

Der Weg von der Projektgruppe "Saubere Stadt" zu den bezirklichen Ordnungsämtern führte also direkt zu überforderten oder bequemen Kiezstreifen, die kaum je etwas ahnden, zu hier und da aufgestellten Tütchenspendern als "augenfällige Erinnerung an die Hundehalterpflichten" sowie zu einem rudimentären Maschinenpark, der nur eines Häufleins des Kotgebirges Herr wird.

"Natürlich werden da lieber Strafzettel für falsches Parken geschrieben", sagt Arndt über die bezirklichen Streifen. Gegenüber ebenso bockigen wie dünkelhaften Hundehaltern als vermeintlicher Blockwart aufzutreten ist auch sicherlich kein schöner Job. Trotzdem ist der SPD-Mann zuversichtlich, das Problem in den Griff zu bekommen. Er blieb dran und unterbreitete immerhin einen Anforderungsrahmen für ein Konzept: "Kann der Senat der Auffassung folgen, dass ein zügig zu erarbeitender Stufenplan, in dem klar und nachvollziehbar und mit einer langfristigen Perspektive neue Maßnahmen zur Reduzierung der Belastungen durch Hundekot in unserer (sonst) schönen Stadt entwickelt werden, bei der Problemlösung hilfreich wäre?", fragte der SPD-Mann Arndt seine Kollegen von der rot-roten Regierung, in der ja auch Arndts Parteifreunde sitzen. Antwort: "Nein, der Senat kann dieser Auffassung nicht folgen."

Zugepackt und mitgeklaubt: Supersenator Peter Strieder legt bei der Aktion "Saubere Stadt" Hand und Rüssel an. Das ist lange her. Da waren Bilder im Tagesspiegel noch schwarz-weiß.
Zugepackt und mitgeklaubt: Supersenator Peter Strieder legt bei der Aktion "Saubere Stadt" Hand und Rüssel an. Das ist lange her. Da waren Bilder im Tagesspiegel noch schwarz-weiß.
© Thilo Rückeis

Als dann Arndt abschließend den Senat nach den eigenen "Maßnahmen und Überlegungen" fragt, um "das Problem künftig strategisch anzugehen", wird exakt das aufgelistet, was in Berlin eben nicht oder augenscheinlich viel zu wenig geschieht: "Das Hundekotproblem wird strategisch angegangen, insbesondere durch eine Kombination aus Verfolgung und Ahndung von Verstößen aufgrund bestehender Rechtsvorschriften, Angebote an die Hundehalter für die Beseitigung und Entsorgung des Hundekots, Beseitigung des ordnungswidrig liegen gelassenen Hundekots durch die BSR und Initiativen verschiedener Protagonisten zur Verbesserung des Umweltbewusstseins der Hundehalter."

Derzeit plant Arndt eine neue Attacke: Seiner Ansicht nach ist das neue Straßenreinigungsgesetz nämlich durchaus dahin interpretierbar, dass nicht nur die Verantwortung für liegen gelassenen Schnee, sondern auch für liegen gelassenen Hundekot bei den Besitzern der anliegenden Häuser und Grundstücke liegen könnte. Die Gesundheitsverwaltung findet das abwegig: "Die Zuständigkeit der Anlieger für die Gehwege betrifft nur den Winterdienst. Die normale Reinigungspflicht liegt weiterhin bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben. Diesbezüglich hat es mit der Novelle des Straßenreinigungsgesetzes keine Änderung gegeben", heißt es auf Anfrage von Tagesspiegel.de.

Eine Einschränkung gibt es allerdings ohnehin: Wenn der Hundehalter seiner Pflicht, die Haufen zu entfernen, nicht nachkomme, "müssen Hundekotverschmutzungen im Rahmen der regulären Reinigung beseitigt werden". Und das heißt: "in Straßen der Reinigungsverzeichnisse A und B durch die BSR, in Straßen des Verzeichnisses C durch die Anlieger". Im Klartext: Es gibt in Berlin auch derzeit schon Straßen, in denen die Hauseigentümer auch für liegen gebliebenen Hundekot zuständig sind. Arndt will abwarten, was das Frühjahr bringt, wenn die Aufregung um das Schneethema abgetaut ist. Und womöglich lässt sich das Straßenreinigungsgesetz ja in dieser Hinsicht noch einmal erweitern.

Auch die Grünen-Abgeordnete Claudia Hämmerling macht sich seit Jahren Gedanken zum Thema Hund in der Stadt. Um der Häufchen doch noch Herr zu werden, schwebt ihr eine dreigeteilte Lösung vor, die sich mit den Begriffen lernen, helfen, kontrollieren zusammenfassen lässt. Im Rahmen eines Hundeführerscheins sollen Herrchen und Frauchen nicht nur beigebracht bekommen, verantwortungsvoll mit einem potenziell bissigen Vierbeiner umzugehen, sondern auch, ihre Mitbürger mit den Hinterlassenschaften ihres kleinen oder großen Lieblings zu verschonen.

Hundekacke als Chefsache? Bei der Kanzlerin haben wir in dem Fall nicht nachgefragt.
Hundekacke als Chefsache? Bei der Kanzlerin haben wir in dem Fall nicht nachgefragt.
© Henning Onken/Fenster zum Hof

Der hartnäckige Mythos etwa, demzufolge die Zahlung von Hundesteuer dazu berechtige, die Häufchen einfach der Stadtreinigung zu hinterlassen, wäre auf diesem Wege aufklärerisch anzugehen. Im zweiten Schritt müssten den reinigungswilligen Hundefreunden stadtweit Tütchenspender zur Verfügung stehen, nicht nur in einigen Bezirken.

Und schließlich plädiert Hämmerling für mehr Kontrollen, sprich: mehr Mitarbeiter für die Ordnungsämter. Zu finanzieren sei all dies nicht unbedingt über das Landes- oder Bezirkssäckel, sondern bundesweit zum Beispiel über ein Finanzierungsmodell mit Hilfe des Deutschen Städtetags. Denn der Hundekot sei längst kein Berliner Problem allein.

Auch der FDP-Abgeordnete Mirco Dragowski piesackt die Berliner Landesregierung mit Kleinen Anfragen zum Thema Hunde. Aus Erfahrung sieht er "keinen großen Willen beim Senat“, sich der Hundekotproblematik anzunehmen. "Es wird relativ deutlich, dass da nicht viel zu machen ist", sagt Dragowski fast resigniert. Wenn man nicht wirklich einen Adressaten für Kritik und Anregung finde, dann belasse man es halt dabei. Ein Schwerpunkt seiner Anfragen ist die fehlende Unterstützung für Hundehalter, zum Beispiel fehlende Hundeauslaufgebiete und zu wenig Tütchenspender. Dragowski verweist auf Zürich und Wien, wo das Hundekotproblem durch flächendeckend aufgestellte Tütchenspender nachhaltig angegangen worden sei.

Die Zürcher machen allerdings auf einen Sachverhalt aufmerksam, der Dragowski wichtig ist: Die Einschätzung der Züricher Stadtreinigung, dass "die Akzeptanz solcher Spender in Zürich nur in einem Umfeld mit sozialer Kontrolle durch Passanten und andere Hundehalter gesichert" ist. Konkret: Es muss möglich sein, den Hunde haltenden Mitmenschen im Kiez auf Fehlverhalten aufmerksam zu machen, ohne Prügel oder Beschimpfungen fürchten zu müssen. "Ein solches Umfeld ist in den Berliner Kiezen mit einem hohen Hundekotanteil nicht gegeben", heißt es in der Senatsantwort auf eine entsprechende Anfrage Dragowskis.

Als Liberaler sähe es Dragowskis am liebsten, wenn Hilfen und Anreize für Hundehalter durch privatwirtschaftliches Sponsoring ermöglicht würden. Doch dafür müsse auch geworben werden. "Was tun denn Senat und Bezirke für mehr bürgerschaftliches Engagement?", fragt Dragowski. "Mir ist kein Werben von Senat oder Bezirken bei den Berlinerinnen und Berliner bekannt, sich hier dauerhaft für die Sauberkeit im Kiez zu engagieren."

Der Verband für das Deutsche Hundewesen

Fragen wir also die Hundebesitzer selbst: Ihre Organisation ist der "Verband für das Deutsche Hundewesen", Sektion Berlin. Deren Sprecher Uwe Schmidt verweist in seiner schriftlichen Antwort auf unsere Fragen auf eigene Aktivitäten seines Verbands: "Wir haben eigene Kottüten die auf unseren Veranstaltungen oder auf Anfrage kostenlos abgeben. Speziell auf unserer Internationalen Rassehundeausstellung am 2/3.4. diesen Jahres unter dem Funkturm, legen wir Wert darauf auch unsere Gäste für ein sauberes Berlin zu begeistern."

Der Verband verstehe sich "als Mahner, Partner und Ansprechpartner für alle Hundehalter in der Stadt. Als Multiplikator durch unsere mehr als 50 Mitgliedsvereine, versuchen wir auf der Einsicht- und Vernunftschiene für eine saubere Stadt (den Hundekot bereffend) zu sorgen".

Offensichtlich hätten bestehende Gesetze nicht zur Verbesserung des Problems beigetragen. "Immer nur Verbote auszusprechen", sei aus Sicht des Verbandes völlig falsch. "Wir sehen das bei den neusten Verboten Parks und öffentliche Plätze betreffend." Der Verband habe immer dafür plädiert, Vernunft und Überzeugung überwiegen zu lassen.

Auch noch einmal deutlich zu machen, wofür die im Verhältnis hohen Hundesteuern in dieser Stadt verwandt werden, wäre hilfreich, fordert der Hundeverband. Dieser Forderung nachzukommen, steht allerdings der Grundsatz im Wege, dass Steuern in Deutschland nicht zielgebunden erhoben werden, das Geld also im allgemeinen Topf aufgeht.

"Ganz lösbar wird das Problem nicht sein, weil Sie einige Unverbesserliche nicht erreichen können", resümert Verbandssprecher Schmidt. "Hier muss dann allerdings auch, durch entsprechende Kontrollen, eingegriffen und gegebenenfalls bestraft werden."

Dem Verband lägen Berichte vor, dass man auf ältere Hundehalter "losgeht" und Jugendliche dabei meist auch noch in Gruppen aufträten. Das sei nicht hilfreich.

Die Initiative "Stadt und Hund" kenne er nur aus dem Internet und aus einigen Schilderungen, schreibt Schmidt weiter. "Es ist natürlich hilfreich, wenn in der Stadt entsprechende Tütenautomaten aufgestellt werden." Auch hier seien die Erfahrungen allerdings durchwachsen. "Leider wurden viele Automaten 'fremd' geplündert." Auch seien leider nicht immer entsprechende Abfallbehälter in der Nähe beziehungsweise nutzbar auf Grund von Überfülle. Und zur Anti-Nazi-Aktion hat der Sprecher auch noch eine Meinung: "Hundekottüten allerdings als politische Werbeträger einzusetzen, erscheint schon sehr ungewöhnlich."

P.S.: Kurz nach Veröffentlichung erreicht uns diese Leser-Email einer Berliner Hundebesitzerin

Das Hundekotproblem stört auch Hundehalter. Wer einen jungen Hund hat, weiß, was ich meine. Die schnüffeln nämlich überall herum und holen sich so Krankheitserreger. Hundehalter treten auch hinein. Mir scheint das Hundekotproblem der reine Protest zu sein. Inzwischen sind wir so weit, dass Hundehalter, die ihre Hunde in Parks und erst recht auf Spielplätzen anleinen, von Hundehaltern, die ihre Hunde frei herumlaufen lassen, angepöbelt werden oder auch freundlich aufgefordert, den Hund doch nicht so zu unterdrücken.und von der Leine zu lassen. Man ist als gesetzesbewusster Hundehalter ein Stein des Anstoßes und ich kann mich nicht erinnern, dass auch nur ein Ordnungshüter sich damit befasst. Bei uns in Zehlendorf wird nahezu nie kontrolliert. Polizei fährt vorbei und ist nicht verantwortlich. Es kann einer immer nur so viel spinnen, wie die anderen es erlauben. Radrennfahrer in Parkanlagen, Radfahrer auf Gehwegen, Glasscherben und sonstiger Müll, überall Parken im Parkverbot.. Das passt alles wunderbar zusammen. mfg Annemarie Wachsmann

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