Wie funktionieren Klimaprognosen?: Das Wetter im Jahr 2100
Wie sich das Klima auf der Erde entwickelt, ist überlebenswichtig zu wissen. Klimamodelle nähern sich einer Antwort an.
Es klingt paradox: Das Wetter können die Meteorologen nur für ein paar Tage zuverlässig vorhersagen – aber die Entwicklung des Klimas soll man bis zum Jahr 2100 berechnen können? Schwer vorstellbar. Wie also funktionieren Projektionen wie etwa die des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), auf dessen Berechnungen viele Prognosen für den Raum Berlin basieren?
Das Klima im Computer
Alle Klimamodelle beruhen auf virtuellen dreidimensionalen Gitternetzen, mit denen die Erde überzogen wird.
In den Anfangszeiten der Klimaforschung waren die einzelnen Zellen viele hundert Kilometer groß. Mit steigender Rechenleistung der Computer wurden sie immer kleiner, die Berechnungen immer feiner – und die Computer immer größer. Der Superrechner im Keller des PIK etwa ist so riesig, dass sich mit seiner Abwärme das gesamte Gebäude heizen lässt.
Wie kommt das Klima in den Computer? Durch Mathematik. Klimafaktoren lassen sich in Gleichungen übersetzen, mit deren Hilfe Computer Daten durchrechnen, die den Gitternetzen zugeordnet wurden. Das können Temperatur und Luftdruck sein, aber auch Parameter wie die Luftfeuchtigkeit oder der Salzgehalt im Meer. Der wichtigste Wert ist die Zusammensetzung der Atmosphäre. Je mehr Treibhausgase sie enthält, desto wärmer wird es auf der Erde.
Unterschiedlich optimistisch
Wie gut Klimamodelle sind, lässt sich am besten im Rückblick überprüfen. Nach dem Ausbruch des philippinischen Vulkans Pinatubo 1991 deckten sich die Prognosen der Wissenschaftler relativ genau mit der zeitweiligen globalen Erwärmung von etwa 0,5 Grad Celsius, die der Ausstoß von Schwefelpartikeln bewirkte.
Trotzdem können Klimamodelle nicht exakt die Zukunft vorhersagen. Ein Unsicherheitsfaktor ist, wie viel Treibhausgase die Menschheit in Zukunft ausstoßen wird. Der Klimarat der Vereinten Nationen hat mehrere mögliche Pfade festgelegt, die als Basis für Klimarechnungen dienen. Der pessimistischste geht von einem ungebremsten Ausstoß von Kohlendioxid aus. In diesem Fall würde sich die Erdatmosphäre bis zum Jahr 2100 um etwa sechs Grad erwärmen. Das Szenario mit den ehrgeizigsten Minderungen würde mit Ach und Krach jene 1,5 bis 2 Grad maximale Erwärmung erzielen, die beim Klimagipfel in Paris 2015 als Obergrenze beschlossen wurden.
Weil man nicht weiß, welches Modell sich als das realistischste erweisen werde, rechnet man mit mehreren, erklärt Fritz Reusswig vom PIK. Im Auftrag des Senats hat er mit seinem Team die Studie „Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ verfasst. Bei dieser Untersuchung waren die Gitterzellen des Modells etwa so groß wie die Grundfläche von Berlin.
Extreme Ausschläge weggeschnitten
Um zu erfahren, wie sich das Klima in der Stadt ändern wird, haben die Forscher vom PIK sechs globale und fünf regionale Modelle durchgerechnet. Dabei sind sie von künftigen Emissionen ausgegangen, die zu einer globalen Erwärmung von 2,6 bis 4,8 Grad führen werden – mehr also, als das Pariser Klimaabkommen zum Ziel hat, aber kein unrealistischer Wert.
Von den Ergebnissen wurden jeweils die extremsten Ausschläge weggeschnitten – nur die Mittelwerte aus zwei Dritteln der Modelle wurden betrachtet. Beispielsweise kam nur ein einziges Modell zu dem Schluss, dass es in Berlin zukünftig viel trockener wird, während alle anderen von mehr Regen ausgehen. Allerdings werden die Niederschläge wohl ungleicher verteilt sein als heute: Während es im Sommer und Herbst trockener wird, soll es im Frühling und Winter mehr regnen. Die Zahl der Starkregentage soll bis zum Ende des Jahrhunderts von heute 11 auf 17 steigen.
Auch die Zahl der warmen und heißen Tage wird steigen. Für die nahe Zukunft von 2030 bis 2060 ergab sich aus den benutzten Klimamodellen ein Anstieg der Berliner Tageshöchsttemperaturen um 1,2 Grad, für die ferne Zukunft von 2070 bis 2100 ist laut PIK-Studie sogar mit einem Anstieg von 3,2 Grad zu rechnen. Das hört sich vielleicht nicht so dramatisch an. Doch in der letzten Eiszeit, gibt Reusswig zu bedenken, sei es auch nur vier oder fünf Grad kälter gewesen als heute – mit der Folge, dass man über die zugefrorene Nordsee nach England laufen konnte.
Im Jahr 2100, ergaben die Berechnungen des Forschers, könnte Berlin das Klima haben, das heute in der südfranzösischen Stadt Toulouse herrscht.