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Zahlreiche Radfahrer fahren in Berlin im Sonnenschein durch den Park am Gleisdreieck in Richtung Potsdamer Platz.
© Kay Nietfeld/dpa

Wahl-Serie: Klima - Das sagt der Experte: "Die Stadt ist gerechter, wenn sie grüner wird"

Fritz Reusswig vom Potsdam-Institut für Klimaforschung lobt den ÖPNV in Berlin. Der Kohleausstieg müsse aber schneller gehen.

Berlin soll 2050 klimaneutral sein. Wird alles getan, dies Ziel zu erreichen?

Es gibt ermutigende Zeichen, insgesamt aber geht es nur schleppend voran. Wir haben auf niedrigem Niveau ein Wachstum bei erneuerbaren Energien. Auch der Ausbau dezentraler Blockheizkraftwerke, die fossile Brennstoffe einsparen, geht voran. Positiv ist, dass hier die Autonutzung geringer ist als in anderen Städten. Mit einem starken öffentlichen Nahverkehr, mit Sharing-Modellen und der Radnutzung ist Berlin auf einem guten Weg. Zu wenig passiert bei der energetischen Sanierung von Gebäuden, obwohl die Heizung die Hälfte der CO2-Emission ausmacht. Um das Klimaziel zu erreichen, ist eine Sanierungsrate von eineinhalb bis zwei Prozent des Bestands pro Jahr nötig. Wir liegen bei unter einem Prozent.

Erschwert Berlins Wachstum eine Anpassung an den Klimawandel?

Eine Verdichtung ist zunächst aus Klimaschutzgründen gut, weil sie Verkehrswege kürzer, den Einsatz von Solarenergie und Kraft-Wärme- Kopplung effektiver macht. Aber eine dichtere Stadt wärmt sich auch schneller auf, hat weniger Frischluft und ist stärker versiegelt. Man kann aber verdichten, wenn die verbleibenden Grünflächen bewässert sind und die Stadt abkühlen können, sowie ein Frischluftaustausch sichergestellt ist. Zusätzlich müssen Gebäude begrünte Dächer und Fassaden haben und Wasser speichern, dass durch Starkregen vermehrt auftritt. Da besteht Handlungsbedarf. Bereits jetzt gibt es durch Hitze jährlich 1400 zusätzliche Todesfälle – bei jährlich 70 Verkehrstoten.

Fritz Reusswig vom Potsdam-Institut für Klimaforschung.
Fritz Reusswig vom Potsdam-Institut für Klimaforschung.
© Privat

Wird das beim Neubau berücksichtigt?

Kaum. Zwar wird die geltende Energieeinsparverordnung erfüllt, eine Anpassung an kommenden Hitzewellen ist darin aber nicht enthalten. Wohnungen mit Südterrassen und riesigen Fenstern will in 30 Jahren niemand mehr haben. Zum Kühlen braucht es dann mehr Energie, was kontraproduktiv fürs Klimaziel ist.

Muss die Energiewende flotter gehen?

Der Ausstieg aus der Kohleverfeuerung sollte schneller erfolgen. Das Solardachpotential wird zu wenig genutzt und propagiert. Das ist auch eine Chance für die Entwicklung einer green economy.

Wichtig ist auch die Umweltgerechtigkeit. In etlichen Innenstadtvierteln leiden Menschen unter Verkehrslärm, Luftverschmutzung, Aufheizung und fehlendem Grün. Hier geht es bei einer Anpassung direkt um eine Verbesserung der Umweltqualität. Die Stadt wird gerechter werden, wenn sie grüner wird.

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