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Sieht ein bisschen aus wie das Völkerschlachtdenkmal. das Sportdenkmal am Ufer der Dahme (hier ein Foto von 1900).
© Wikipedia

Sportgeschichte in Berlin: Das unvergessene Sportdenkmal in Grünau

Vor gut 40 Jahren vernichtete die DDR das Sportdenkmal am Ufer der Dahme. Bürger engagieren sich noch immer dafür – und hoffen auf Olympia.

Der „Platz vor dem Sportdenkmal“ steht in keinem Stadtplan. Dennoch ist er vor allem im Köpenicker Ortsteil Grünau im Südosten Berlins ein Begriff. Viele ältere Einwohner kennen das „Deutsche Sportdenkmal“, das seit 1898 am Ufer der Dahme neben der großen Regattatribüne gestanden hatte, noch aus eigenem Erleben. Hier sind sie hochgeklettert, haben den Ausblick zu den Müggelbergen genossen oder sich zu einem ersten Rendezvous verabredet. Erst im Frühjahr 1973 rückten eines Nachts Abrissbagger an, um den 15 Meter hohen Koloss aus 300 großen Steinen unter großer Geheimhaltung zu beseitigen. Er blieb aber unvergessen.

Schon im Februar 1990 hatte das auf einer Demo von 500 Menschen ins Leben gerufene Grünauer Bürgerkomitee den Wiederaufbau des Denkmals beschlossen. Seit dieser Zeit haben sich viele Einwohner und Abgeordnete und selbst der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) mit dem Vorhaben beschäftigt. Doch bis auf das provisorische Schild „Platz vor dem Sportdenkmal“ und der Rückbenennung einer Ausflugsgaststätte in „Bootshaus Sportdenkmal“ ist nichts Greifbares geschehen. Jetzt schöpfen die Initiatoren aus der möglichen Berliner Olympiabewerbung neuen Mut.

Vereine aus ganz Deutschland steuerten einst Steine bei

Die Suche nach Spuren des Bauwerks, das gewisse Ähnlichkeiten mit dem großen Leipziger Völkerschlachtdenkmal aufwies, führt zunächst ins Wassersportmuseum im früheren Casino der Grünauer Regattatribüne. „Viel ist davon nicht übrig“, sagt Werner Philipp, der die Sammlung 1990 zusammengestellt hatte.

Der ehemalige Mathe- und Physiklehrer und leidenschaftliche Ruderer läuft zielgerichtet in einen Nebenraum. Es geht vorbei an wahren Schätzen des Wassersports. So stehen hier unter anderem das Faltboot, mit dem die Kanuten Erich Hanisch und Willi Horn im Sommer 1936 die olympische Silbermedaille in Grünau gewonnen hatten, oder ein 1964 von Sportwissenschaftlern entwickeltes und bald vergessenes Boot für die Ruder-Achter-Wettbewerbe.

Dann stehen wir vor vier großen Steinen. „Fecht Club Offenbach gegr. 1863“, „Kauf. Ruder Club ‚Hilda’ Greifswald“, „Acad Ruder Club Berlin-Spandau“ und „Verein z. Zucht Württembg.“, lauten die Inschriften. Das Material stammt aus den jeweiligen Regionen. So entschieden sich die Spandauer damals für Gips aus Sperenberg. „Aus ganz Deutschland schickten die Vereine Steine für das Sportdenkmal“, erzählt der 81-Jährige. „Leider nahmen 1973 einige Köpenicker Parteigenossen mit vorauseilendem Gehorsam daran Anstoß und setzten den Abriss durch.“

Angeblich passte das Denkmal politisch nicht zu den Weltfestspielen

Anlass waren die Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Ost-Berlin. Da in deren Rahmen einige Ruderwettbewerbe in Grünau stattfinden sollten, wollte man damals den Gästen die „revanchistischen Bezeichnungen“ auf dem Denkmal nicht zumuten, wie es später hieß. Sie wären schließlich daran vorbeigefahren, stand es doch als weithin sichtbares Monument genau an der 1000-Meter-Marke vom Start vor der Tribüne. „Außerdem passte wohl der ganze Hintergrund des Denkmals nicht in die offizielle Politik“, erzählt Werner Philipp. „Die Sportvereine feierten 1898 damit die Einheit des deutschen Reiches und würdigten Kaiser Wilhelm I.“

Werner Philipp ist in den vergangenen beiden Jahrzehnten allen Hinweisen auf den Verbleib der Steine mit den eingravierten Namen nachgegangen. Sogar Taucher haben in der Dahme gesucht, aber nur wenige Stücke gefunden. „Die meisten Steine liegen wohl in einem großen Schuttberg in der Nähe des Biesdorfer Baggersees.“ Ein Herankommen sei aber nur mit viel Aufwand möglich, weil darüber Aushub für die nordöstlichen Neubaugebiete gekippt worden war.

Jetzt geht es um einen Neubau

Da konzentrieren sich Werner Philipp und seine Mitstreiter lieber auf einen Neubau am historischen Ort. Der Enthusiasmus überrascht angesichts der vielen Niederlagen und der schwankenden Unterstützung durch Politiker im Bezirk und im Senat. Besonders tief saß die Enttäuschung über die Ablehnung von Lottomitteln zur Finanzierung des 300 000 Euro teuren Denkmals durch das Abgeordnetenhaus im Jahre 2009. „Dabei hatte ich mit Klaus Wowereit auf einer Dampferfahrt zuvor so eindringlich über die Idee gesprochen“, erinnert sich Philipp. „Danach war ich zuversichtlich.“

Doch die Grünauer geben nicht auf. Da sich niemand zweimal mit der gleichen Idee um Mittel der Deutschen Klassenlotterie bewerben kann, haben sie aus dem „Sportdenkmal“ nun ein „Denkzeichen des Berliner Wassersports“ gemacht. Es soll an die Teilung und die Wiedervereinigung der Vereine erinnern. Gerade aus Grünau waren ab 1950 viele Segler- und Rudervereine an den Wannsee oder nach Spandau gezogen. Davon würden Schrifttafeln rund um das Denkmal des Metallgestalters Rüdiger Roehl den Besuchern berichten. Ein neuer Förderverein hat sich dafür gegründet, um erst einmal 100 000 Euro für den Bau und die Aufstellung des „Denkzeichens“ zu sammeln.

Neuen Optimismus schöpft Werner Philipp neuerdings auch aus der Diskussion um die Olympia-Bewerbung. „Da könnte Berlin bestimmt mit einem Denkzeichen auch international punkten“, sagt er und will einen Antrag auf Mittel aus dem Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR stellen. „Unser Vorhaben passt dafür genau.“

- Das Wassersportmuseum in Grünau in der Regattatribüne (Regattastraße 191) ist sonnabends von 13 bis 18 Uhr geöffnet. www.wassersportmuseum-gruenau.de

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