Folgen der Corona-Pandemie: Das sind die Sparpläne von Finanzsenator Kollatz für Berlin
Wegen der Corona-Pandemie will Finanzsenator Kollatz sparen, etwa bei den Bezirken. Investitionen sollen gestreckt werden, der Personalaufbau ist wohl gestoppt.
Wegen der Coronakrise will Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) einen Sparkurs durchsetzen. Wie hart der wird, ist offen. Die Finanzverwaltung hält sich offiziell noch bedeckt, denn noch laufen die Verhandlungen der Ressorts über den neuen Doppelhaushalt für 2022/23.
Nach dem deutlichen Anstieg der Neuverschuldung um 7,3 auf 63 Milliarden Euro im laufenden Haushalt ist klar, dass ab 2023 keine neuen Schulden mehr erlaubt sind - wegen der Schuldenbremse. In den Verwaltungen wächst die Sorge, dass die Politik erst nach der Wahl mit der Wahrheit herausrückt, wie stark gespart werden muss. Wo gespart werden kann, ist dagegen klar: beim Personal.
Einen ersten Aufschlag hatte Generalstaatsanwältin Margarete Koppers Ende März im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses gemacht. Sie habe die Sorge, dass sich der Personalausbau „ob der coronabedingten Belastung des Haushalts nicht fortsetzen“ lässt. Koppers warnte sogar vor einer Rückkehr zu den harten Sparjahren der Wowereit-Ära.
„Wenn wir jetzt auf die Stopptaste drücken, was so von der Finanzbehörde uns gegenüber angekündigt wird, dann werden wir sowohl digital als auch was die personellen Ressourcen angeht, wieder zurückfallen auf das Vorvorgängermodell“, sagte Koppers. „Wenn, wie von der Finanzverwaltung in Erwägung gezogen, 50 Prozent der Investitionsmittel eingespart werden sollten, dann können wir die elektronische Akte vergessen.“ Die sollte zwar schon längst da sein, aber die Frage ist, wie lange es noch dauert.
Auch bei den Bezirken soll gespart werden. Die haben ohnehin in ihren Budgets wenig Spielraum. Und der soll nun eingeschränkt werden. Vor einigen Wochen hat die Finanzverwaltung den zwölf Bezirksämtern ihren Budgetplan vorgelegt. Trotz leicht steigender Ausgaben für Pflichtaufgaben etwa im Sozialbereich rechnen die Bezirke mit Einschnitten von 100 bis 150 Millionen Euro, über die sie nicht mehr verfügen können.
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Allein 78 Millionen Euro sollen wie 2021 erneut als sogenannte pauschale Minderausgabe in die Haushalte geschrieben werden – eine klare Sparvorgabe. Wie sie das Geld einsparen, müssen sie selbst sehen.
Pankows Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) twitterte vor zwei Wochen, wenn es bei den Plänen der Finanzverwaltung bleibe, „legen wir den Rückwärtsgang ein. Der weiter notwendige Ausbau der Verwaltung zum Handling des dynamischen Wachstums bleibt aus, bestenfalls Umbau, wahrscheinlicher Rückbau. So wird das nichts mit Berlin.“
Seine Amtskollegin Monika Herrmann (Grüne) aus Friedrichshain-Kreuzberg ergänzte: „Die SPD hat nichts gelernt und wiederholt die Fehler ihrer Vergangenheit. Das muss zwingend gestoppt werden.“
Die einst nach Protesten der Bezirke im Rahmen des Zukunftspaktes Verwaltung bereitgestellten 26 Millionen Euro für mehr Personal will die Finanzverwaltung lieber selbst in einem Topf zur „zentralen Vorsorge“ verwalten. Aus mehreren Bezirksämtern heißt es: Damit sei das Geld – entgegen der Beteuerung der Finanzverwaltung – reine Sparmasse.
Schreiben der Finanzverwaltung: Spielräume „faktisch bereits belegt“
In seinem Schreiben an die Bezirke erklärte Finanzstaatssekretär Fréderic Verrycken (SPD): Wegen eingebrochener Einnahmen und steigender Ausgaben, etwa um die Corona-Notlage-Kredite abzuzahlen, seien Einsparungen nötig. Statt, wie vor der Krise geplant, anzusteigen, müssten die Ausgaben gesenkt werden, damit ab 2022 ein Haushaltsausgleich möglich sei.
Die „finanziellen Spielräume“ seien „faktisch bereits belegt“, Mehrausgaben müssten „durch Einsparungen an anderer Stelle kompensiert werden“. Im Vergleich zu den Finanzplänen aus der Vor-Corona-Zeit bestünden „weiterhin Lücken von rund zwei Milliarden Euro“.
Deshalb soll es nach dem Willen der Finanzverwaltung etwa Einschnitte bei der Finanzierung des Masterplans Integration von Flüchtlingen geben. Bisher für die Bezirke bereitgestellte Zusatzmittel in Höhe von 9,2 Millionen Euro für Nachbarschaftsprogramme sollen gestrichen werden. Dies sei wegen sinkender Flüchtlingszahlen „mehr als begründet“, erklärte Verrycken.
Geld für Integration von Flüchtlingen in Bezirken sollen gestrichen werden
Es gebe die „berechtigte Annahme, dass ein Großteil der (…) Aufgaben zur Integration der Geflüchteten nach fünf Jahren umgesetzt sein müsste“. Auch die 1,3 Millionen Euro für das Psychiatrie-Entwicklungs-Programm für Geflüchtete werden bis 2023 auf null gesetzt.
Gespart werden soll auch bei der Vorsorge, um Tariferhöhungen bei Fördergeldempfängern aufzufangen. Es geht um freiwillige soziale Leistungen der Bezirke, als Beispiel wird die Schuldner- und Insolvenzberatung genannt. Ob das Land die Vorsorge übernimmt, ist noch unklar.
Am 22. Juni soll der Senat den Haushaltsentwurf beschließen. Nach der Wahl des Abgeordnetenhauses wird eine neue Koalition darüber befinden. Die Linie von Kollatz lautet: Großprojekte wie die Schulbauoffensive könnten sich länger hinziehen.
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In mehreren Bereichen, etwa beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, würden „nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen“, sagte er kürzlich dem RBB. Der vor Corona versprochene Personalzuwachs sei nicht möglich. Der Plan der Innenverwaltung, die Zahl der Beamten von 18 000 auf 19 000 im Jahr 2025 weiter zu erhöhen, dürfte dahin sein. Kollatz will keine „strukturellen Stellenaufwächse“ mehr.
Die Finanzverwaltung verweist darauf, dass die Zahl der Einwohner im Coronajahr 2020 – im Gegensatz zu den Vorjahren – nicht gewachsen sei. Bevölkerungsprognosen sind eine Basis für die Finanzplanung: Ist der Ausbau der Infrastruktur, der Schulen, Kitas weiter nötig, wenn Berlin nicht mehr wächst? Was ist nötig, um langfristig wieder leerstehende Schulen zu vermeiden? Und lässt sich durch einen Schub bei der Digitalisierung Personal einsparen?
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Immerhin ist Berlin besser durch die Krise gekommen als befürchtet. Bei Konjunktur und Steuereinnahmen zeigte sich Berlin im Vergleich zu anderen Bundesländern weitaus robuster. Das liegt vor allem am Boom der IT- und Finanzbranche. Wenn das Tempo beim Impfen anhält, dürfte sich die wirtschaftliche Lage im zweiten Halbjahr deutlich erholen.
Daniel Wesener, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, sagt: Für die mittel- und langfristigen Ausgaben sei eine „stärkere politische Prioritätensetzung unabdingbar“. Durch Kredite und Rücklagen könnten Mehrausgaben und Einnahmeverluste abgefedert werden, sodass „es keiner strukturellen Kürzungen im Landeshaushalt bedarf“.
Das Erreichte werde gesichert. Eine Rückkehr zur „Sparen-bis-es-quietscht-Politik“ soll es nach dem Willen der Koalition nicht geben – auch um den konjunkturellen Neustart nach dem Lockdown nicht zu torpedieren. Um die Details wird noch gestritten.