zum Hauptinhalt
Matthias Kollatz, Finanzsenator von Berlin, spricht in der Senatsverwaltung für Finanzen zu den Folgen des Coronavirus.
© Fabian Sommer/dpa

Finanzsenator Kollatz zur Corona-Pandemie: Warum sich Berlin nach der Krise finanziell schneller erholen wird als andere Bundesländer

4,5 Milliarden Euro Minus im Haushalt, Rekordschulden: Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz glaubt trotzdem, dass Berlin gut durch die Krise kommt. Warum?

Die Corona-Krise hatte einen dramatischen Einbruch der Konjunktur und damit der Steuereinnahmen zur Folge - doch Finanzsenator Matthias Kollatz geht davon aus, dass Berlin vergleichsweise schnell wieder auf einen Wachstumspfad zurückfindet. „Wir verlieren, soweit wir das jetzt absehen können, in Anführungsstrichen nur zwei Jahre“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.

„Wir haben also das Geld, was wir 2020 haben wollten, erst 2022.“ Auch für die Jahre danach rechne er mit „robustem Wachstum“, also einem jährlichen Einnahmeplus von rund einer Milliarde Euro.

„Aber diese Verzögerung um zwei Jahre bleibt dauerhaft“, fügte Kollatz hinzu. Darauf müsse sich die Politik im Hinblick auf geplante Ausgaben und Investitionen einstellen. „Trotz allem ist das für eine Krise eine gute Nachricht“, sagte der Senator. „Wir haben gesehen, dass es zum Beispiel nach der Finanzkrise in ganz vielen Ländern über Jahre richtig runter ging. Manche haben nicht mehr das Vorkrisenniveau erreicht.“

Nach aktuellen Prognosen kann Berlin mit Einnahmen aus Steuern und allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen von rund 21,7 Milliarden im laufenden Jahr und rund 23,1Milliarden für 2021 rechnen. Gegenüber dem ursprünglichen Doppelhaushalt2020/2021 beträgt das Minus rund 4,5 Milliarden Euro. Es setzt sich zusammen aus 2,431Milliarden Euro für 2020 und 2,054 Milliarden Euro für 2021.

Um die Verluste abzufedern, will Rot-Rot-Grün im Doppelhaushalt 6,6 Milliarden Euro neue Schuldenaufnehmen. Dabei kommen, wie in anderen Bundesländern auch, Ausnahmetatbestände bei der Schuldenbremse zum Tragen. Der Berliner Rechnungshof hatte jüngst kritisiert, dass die Koalition einen Teil der Schulden quasi auf Vorrat aufnimmt, ohne den konkreten Bedarf zu begründen. Und: Der angedachte Tilgungszeitraum von 27 Jahren sei viel zu lang.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Kollatz verwies darauf, dass die Politik bei der Bewältigung der Krise Neuland betrete. Die Schulden seien nicht nur zur Kompensation der Einnahmeausfälle gedacht, sondern auch zur Kofinanzierung milliardenschwerer Konjunkturprogramme des Bundes. Ziel des Senats sei es, alles kozufinanzieren, was der Bund anbiete.

„Ja, es wird etwas auf Vorrat gemacht, es geht auch gar nicht anders“, sagte Kollatz. „Der Bund finanziert im Rahmen seines Konjunkturprogramms zum Beispiel ein Krankenhausinvestitionsprogramm für fünf Jahre. Sollen wir jetzt sagen, wir finanzieren nur die ersten zweieinhalb Jahre?“ Deshalb und vor dem Hintergrundweiter bestehender Unwägbarkeiten in der Krise sei es nötig, einen finanziellen Puffer auch über das Jahr 2021 hinaus zu haben.

Schulden erreichen Berliner Rekordniveau

„Wir sind in einer neuen Lage, da geht jeder erstmal mit bestem Wissen und Gewissen ran, und da werden sich dann Wege finden“, warb Kollatz um Verständnis. „Der Punkt, wo der Rechnungshofglaube ich Recht hat, ist: Wir dürfen nicht nur über die Aufnahme von Schulden reden, sondern wir müssen auch über die Ausgaben reden.“ Der Konflikt sei aus seiner Sicht aber lösbar - indem das Abgeordnetenhaus als Haushaltsgesetzgeber beispielsweise genauer sage, wofür die Gelder eingeplant seien.

Durch die erstmals seit 2011wieder aufgenommenen Schulden steigt die Höhe der Verbindlichkeiten Berlins auf rund 63 Milliarden Euro und erreicht damit wieder das Rekordniveau vor neun Jahren. Kollatz relativierte diese absolute Zahl jedoch.

[Das Coronavirus in Berlin: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über die aktuellsten Entwicklungen. Kostenlos und kompakt: checkpoint.tagesspiegel.de]

„Betrachtet man das Schuldenniveau im Verhältnis zum regionalen Bruttoinlandsprodukt, lag diese Schuldenquote in der Spitze 2005 bei 67,1 Prozent des regionalen Bruttoinlandsproduktes. Ende 2019 waren wir bei 37,5 Prozent.“ Mit der Neuaufnahme von Krediten steige der Wert nunmehr auf 45 Prozent.

„Aus Schulden kann man im Wesentlichen herauswachsen“, sagte der Senator. „Natürlich muss man auch tilgen. Aber der wesentliche Beitrag kommt überwirtschaftliches Wachstum. Deswegen ist es so wichtig, dass wir zeitnah wieder auf einen halbwegs guten Wachstumspfad kommen. Und da sind wir eigentlich ganz optimistisch.“

In Berlin ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den ersten sechs Monaten dieses Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 5,1 Prozent zurück, so das Amt für Statistik. Nach vorläufigen Berechnungen brach die Wirtschaftsleistung in Berlin damit weniger stark ein als im Bundesdurchschnitt (-6,6 Prozent). (dpa)

Zur Startseite