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"Berlin ist pleite" - ein modisches T-Shirt aus dem Jahr 2002.
© dpa

Abgeordnetenhaus beschließt Corona-Kredite: Seit der Wende lebt Berlin auf Pump

Berlin nimmt wegen Corona neue Kredite auf. Schulden zu machen, hat in der Hauptstadt eine lange Tradition.

Das Abgeordnetenhaus wird den Senat am Donnerstag ermächtigen, zur Bewältigung der Coronakrise noch in diesem Jahr sechs Milliarden Euro neue Kredite aufzunehmen. Die Schulden sollen ab 2023 innerhalb von 27 Jahren getilgt werden.

Die Bemühungen des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller und des Finanzsenators Matthias Kollatz (SPD), die Neuverschuldung geringer zu halten und in viel kürzerer Zeit abzubauen, wurde von den Regierungsfraktionen SPD, Linke und Grüne ignoriert.

Auch die Forderung der Opposition nach Einsparungen im Landeshaushalt blieb unbeachtet. Ausgeblendet wurde wohl auch, dass die Welt nicht krisenfrei bleibt, bis Berlin die Corona-Schulden abbezahlt hat.

Berlin läuft nun Gefahr, dass sich bis 2050 auf den Pandemie-Kredit weitere Schulden häufen und sich eine Finanzpolitik wiederholen könnte, die die Stadt nach dem Mauerfall von einer Katastrophe in die nächste führte.

Denn 1990 endete eine Ära der Sorglosigkeit. Beide Teile Berlins hatten sich daran gewöhnt, dass öffentliche Investitionen, Sozialprogramme und eine üppig ausgestattete Verwaltung stets auskömmlich finanziert wurden. Die Subventionsmentalität war tief verwurzelt in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, doch mit der Wende kam der Schock.

Bundeshilfe und Berlinförderung brachen weg

Die DDR war pleite und dann weg – und die Regierung des vereinigten Deutschlands in Bonn wurde knauserig. Bundeshilfe und Berlinförderung versiegten, der Fonds Deutsche Einheit und das Gemeinschaftswerk „Aufschwung Ost“ konnten die wegbrechenden Einnahmen nicht ausgleichen.

„Ohne gravierende finanzpolitische Maßnahmen wird sich die Deckungslücke im Haushalt bis 1994 auf 17 Milliarden DM (8,7 Milliarden Euro) vergrößern“, warnte der Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) im Sommer 1991.

Es sollte noch viel schlimmer kommen. Weil die Berliner Wirtschaft am Boden lag und sich nur schwer erholte, blieben die Steuereinnahmen in den ersten 15 Jahren nach der Wende eine dürftige Einnahmequelle. Die Einbeziehung in den bundesstaatlichen Finanzausgleich ab 1995 war nur in bescheidenem Maße hilfreich. Die Hauptstadt gab jedes Jahr mehr Geld aus als eingenommen wurde.

Berlin lebte fortan auf Pump. 1991 betrug der Schuldenstand 10,8 Milliarden Euro und verdreifachte sich innerhalb von fünf Jahren.

"Wir wollen nicht auf Kosten unserer Kinder leben"

Die sozialdemokratische Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing machte im März 1996 einen Kassensturz und prognostizierte weitere „strukturelle Defizite“. Ja, es sei schmerzlich, wenn schöne Projekte nicht mehr verwirklicht werden könnten, sagte sie bei der Beratung eines Nachtragshaushalts im Abgeordnetenhaus. „Doch wir wollen nicht auf Kosten unserer Kinder leben.“

Neben Einsparungen bei den Sachausgaben forcierte die SPD-Frau die Privatisierung von Landesvermögen und den Stellenabbau im nach wie vor aufgeblähten öffentlichen Dienst.

Trotzdem wuchs der Schuldenberg unaufhörlich weiter, weil die Konjunktur schwächelte und der Verkauf des Berliner Tafelsilbers nur zeitweilig Entlastung brachte. Der Skandal um die landeseigene Bankgesellschaft spitzte die Finanzkrise 2001/02 weiter zu. Berlin musste für Risiken der Bank, verursacht durch Immobilienfonds, in Höhe von 21,6 Milliarden Euro bürgen. Als dieser Rettungsschirm im April 2002 vom Parlament beschlossen wurde, standen manchen Abgeordneten die Tränen in den Augen.

Erst mit Thilo Sarrazin endete die Schuldenspirale

Erst radikale Sparmaßnahmen, die der Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) mit schonungsloser Härte durchsetzte, beendeten vorläufig die Schuldenspirale, die nach Aussagen Sarrazins vor der Enquetekommission „Eine Zukunft für Berlin“ ein „untragbares Ausmaß“ erreicht habe.

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2007 schrieb der Landeshaushalt erstmals schwarze Zahlen, bei einem Schuldenstand von 60,2 Milliarden Euro. Noch ein Jahr zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht den Antrag Berlins auf Feststellung einer extremen Haushaltsnotlage brüsk abgewiesen.

Damals wollte Berlin die Hälfte seiner Schulden auf Bund und Länder abwälzen. Stattdessen urteilten die Karlsruher Richter, dass Berlin seine „angespannte Haushaltslage mit großer Wahrscheinlichkeit aus eigener Kraft überwinden“ könne. Eine zutreffende Prognose – auch wenn die globale Finanzkrise die deutsche Hauptstadt ab 2009 für drei Jahre noch einmal zur Aufnahme neuer Kredite in Milliardenhöhe zwang.

Dann ging es bergauf – bis jetzt. Ein endlich konsolidierter Haushalt und die Wandlung Berlins zu einer prosperierenden Dienstleistungs-Metropole machte es möglich, den Schuldenberg Berlins (2011 mit 62,9 Milliarden Euro auf dem Höhepunkt) um 5,4 Milliarden Euro abzubauen. Es sah so aus, als wenn Berlin wieder aus dem Vollen schöpfen könnte. Die Krisen der Vergangenheit – und die der Zukunft – gerieten ins Vergessen.

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