Millionenprojekt nördlich von Potsdam: Bundeswehr plant Schießplatz im Ausflugsgebiet
Auf dem Truppenübungsplatz in der Döberitzer Heide will die Bundeswehr einen Schießplatz bauen. Die Stadt Potsdam und die Umweltstiftung waren in die Planungen nicht eingebunden. Es gibt ersten Protest.
Westlich vom Berliner Stadtrand wird wohl bald scharf geschossen: Die Bundeswehr plant, auf dem Truppenübungsplatz in der Döberitzer Heide einen Schießstand einzurichten. Die Anlage soll ab 2017 auf dem rund 600 Hektar großen Übungsplatz entstehen, mit mehreren Kurz- und Langbahnen für Schießübungen und kostet laut Bundesregierung mehr als 14 Millionen Euro. Nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt liegt die frühere Militärkaserne Krampnitz, wo in den kommenden Jahren ein neues Stadtviertel für Tausende Anwohner entstehen soll.
Den Bau setzt der Brandenburgische Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen (BLB) im Auftrag der Bundeswehr um. Der BLB habe die „Anforderungen des fachlich zuständigen Bundesverteidigungsministeriums zu befolgen“, heißt es in einer Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Andrea Johlige. Trotz der geplanten Schießanlage sollen der Schutzstatus der Heidelandschaft und der Charakter der Döberitzer Heide unverändert bleiben. Sämtliche Sicherheitsabstände zu Wanderwegen außerhalb des Übungsplatz-Geländes sollen eingehalten werden. Laut BLB wurden im Dezember Schallschutz- und andere Umweltgutachten in Auftrag gegeben. Wann diese vorliegen, konnte eine Sprecherin noch nicht sagen.
Auch das Finanzministerium hat zu der geplanten Anlage noch keine Informationen. Eine Sprecherin des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr in Köln sagt, dass in der so genannten Sammelschießanlage auch Maschinenpistolen und -gewehre zum Einsatz kommen sollen. Sie soll für mehrere Kasernen in Berlin und Umgebung zur Verfügung stehen.
Heinz-Sielmann-Stiftung: Gibt es Auswirkungen auf die Tiere?
Die Stadt Potsdam allerdings war in die Überlegungen bislang nicht einbezogen. Die Erweiterungspläne seien „uns nicht bekannt“ gewesen, sagte Sprecher Stefan Schulz. Er verwies auf das Baugesetzbuch und die Regelungen für „Vorhaben der Landesverteidigung“, nach denen die Stadt nicht beteiligt werden muss. Zugleich sehe die Stadt die Diskussion um den Schießplatz entspannt, da der Truppenübungsplatz bereits seit Längerem existiert. Auch die bisherige Bundeswehr-Einrichtung habe keinen negativen Einfluss auf das Entwicklungsgebiet. Wie berichtete, nimmt die Zahl der Anwohner in Groß Glienicker immer mehr zu; weitere Neubauten sind auf dem ehemaligen Kasernengelände in Krampnitz geplant.
Das sieht eine Gruppe von Friedensaktivisten anders, die seit Jahren in Potsdam an den so genannten Montagsdemos teilnehmen. Für den 14. Februar habe die Gruppe an der Bundesstraße B2 eine Aktion gegen den Schießplatz geplant, sagte Initiator Jan Dahlgrün. Auch die Heinz-Sielmann-Stiftung, die sich dem Schutz von Pflanzen und Tieren verschrieben hat, ist gegen die geplante Anlage. Direkt neben dem Übungsplatz liegt ihre Naturlandschaft, die Stiftung hat das Gelände 2004 von der Bundeswehr erworben. Noch sei zwar nicht klar, wie sich ein Schießstand auf die Tiere auswirke, sagte der geschäftsführende Vorstand Michael Beier, fügt aber hinzu: „Die Frage ist doch, wer das laufende Gutachten bestellt und bezahlt.“
Die Naturerlebbarkeit werde durch den Schießstand in jedem Fall stark beeinträchtigt. „Zehn Jahre Naturschutzarbeit und 13 Millionen Euro an Spendengeldern fallen der Bundeswehr zum Opfer.“ Auch sei die Stiftung nicht dazu befragt worden. „Es muss irgendwann eine Anhörung geben“, fügte Beier hinzu. Er schlug vor, statt den Schießplatz in Lehnin im Nordwesten von Potsdam zu nutzen und auszubauen. Dann könne auf die Anlage in der Döberitzer Heide verzichtet werden. „Man sollte auch an die gute Nachbarschaft denken“, riet Beier. „Die Bundeswehr muss doch aus dem Widerstand gegen das Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner Heide gelernt haben. Warum soll es jetzt nicht wieder eine Bürgerinitiative Freie Heide geben?“
Schießplatz in Berlin-Gatow: Früher schossen hier die Briten, 2020 entsteht ein Park
Schüsse in West-Berlin: Nicht weit entfernt von der Döberitzer Heide gab es einen weiteren Schießplatz: den der britischen Armee in West-Berlin. Eine Anlage, die in den 80er Jahren 90 Millionen D-Mark kostete, und sogar die Gerichte in London beschäftigte. Ein 600 Meter langes West-Berliner Kuriosum am Stadtrand, über das der „Spiegel“ berichtete und die „Zeit“.
Die US-Amerikaner robbten mit Gewehren durch ihre „Parks Range“ Lichterfelde, die Franzosen übten in Dünenlandschaft in Heiligensee. In Gatow – direkt neben der Grenze zur DDR – wollten die Briten schießen. Die Anwohner, die direkt daneben lebten, waren gereizt, zumal die britischen Alliierten auch noch 25.000 Bäume hatte fällen lassen für ihren Flugplatz. Und jetzt noch mehr Lärm?
Anwohner ärgerten sich über die Anlage, die bis dahin niemand benötigte
Die Rede war von einem „Prestigeobjekt Londons“. Grob zusammengefasst gab es ein Problem: Berliner Gerichte wurden von den Amerikanern, Briten und Franzosen angewiesen, nicht über Klagen gegen Maßnahmen der Besatzungsmächte zu verhandeln. Es gab viel Empörung, Anwohner aus der Siedlung Habichtswald setzen sich durch, wurde vor Gericht in London gehört. Ein beachtlicher Erfolg, auch wenn der Schießplatz schließlich 1986 in Betrieb ging. Die Schüsse waren jahrelang kilometerweit zu hören. 1994 zogen die Briten ab. Polizei und Bundeswehr wollten das Areal nutzen – das wurde abgelehnt. Für Teile der alten Anlagen wurde eine neue Verwendung gefunden - auf einem Sportplatz.
Die Ruine steht heute noch im Wald, direkt an der Potsdamer Chaussee. Sie wird von Hundesportvereinen genutzt. Die Anlage soll später mal zum Kletterpark umgewandelt und in den neuen 5,5 Millionen Euro teuren Landschaftspark Gatow integriert werden. Fertigstellung: 2020. André Görke
Stefan Engelbrecht