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Am Gorki spielt Jonas Dassler derzeit in „In My Room“, im vergangenen Jahr überzeugte er im „Goldenen Handschuh“.
© Doris Spiekermann-Klaas

Jonas Dassler aus „Der Goldene Handschuh“: Bloß keine Aufregung, bitte

Er ist „European Shooting Star“ der Berlinale. Jonas Dassler, ein Star? Er doch nicht! Ein unprätentiöses Treffen in der Potsdamer Straße.

Jonas Dassler könnte jetzt irgendeine Geschichte erzählen. Von Abenden, die er vergrübelt beim Textlernen in diesem Café verbringt, von unvergesslichen, lebensverändernden Begegnungen beim Cappuccino, die er hier hatte, von dem unglaublichen Zufall, wie er an der Theke lehnend von einer Casterin entdeckt wurde.

Irgendwas Bedeutungsgeladenes oder Aufgeblasenes eben. Stattdessen steht er vor dem „Zimt & Zucker“ im kalten Februarwind auf der Potsdamer Straße, zuckt lächelnd die Schultern und sagt: „Von meiner Wohnung aus ist das der nächstgelegene Laden. Und die haben einfach guten Kaffee.“

Jonas Dassler ist nun mal kein Geschichtenerzähler. Sondern ein noch 23-jähriger Schauspieler, dem sein Beruf viel bedeutet, aber nicht das Aufheben, das um seine Person gemacht wird. Und das ist gerade wieder eine Menge. Der Berliner – fest im Ensemble des Gorki Theaters engagiert und im vergangenen Jahr als Hauptdarsteller in Fatih Akins „Der goldene Handschuh“ als Megatalent aufgefallen – ist unter die „European Shooting Stars“ der diesjährigen Berlinale gewählt worden. Als deutscher Vertreter neben neun weiteren Schauspielerinnen und Schauspielern.

Die Auszeichnung, die von der European Film Promotion (EFP) vergeben wird, soll helfen, aufstrebende Talente in den internationalen Markt zu katapultieren. Die EFP vermittelt Treffen mit Produzenten, Castern, Agenten, schafft die große Bühne. Die Britin Carey Mulligan („Wildlife“) zählt zu den prominenten Absolventinnen vergangener Ausgaben, oder Riz Ahmend, der es zu einer Rolle in „Star Wars: Rogue One“ gebracht hat. Wenn man Dassler fragt, was er sich davon erwartet, überlegt er kurz und sagt, er freue sich vor allem auf den Austausch mit den europäischen Kolleginnen und Kollegen, „die als Schauspieler durch die gleichen Höhen oder Krisen gehen wie man selbst“.

Es passt schon, dass er sich diese Ecke an der Potsdamer Straße als Lebensmittelpunkt ausgesucht hat. Einen Kiez, wo es Galerien und Sexkaufhaus, Frittenbuden und das hoch frequentierte Deli „Queen of Muffins“ gibt. Irgendwo zwischen hip und heruntergekommen. Jedenfalls nicht prätentiös.

Drei Mal ist Dassler schon umgezogen

Dassler sagt, die Mischung des Viertels gefalle ihm, auch wenn er noch nicht so genau erklären könne, was sich da mische. Er wohnt noch nicht lange hier. Ein Schuss altes West-Berlin steckt drin, in Gestalt des Wintergarten Varietés, dessen aus der Zeit gefallene Revuefassade es ihm angetan hat. Und es gibt alteingesessene Locations wie die Victoria Bar, wo man in Ruhe trinken und rauchen kann.

Regisseur Fatih Akin und Schauspieler Jonas Dassler bei der Berlinale 2019.
Regisseur Fatih Akin und Schauspieler Jonas Dassler bei der Berlinale 2019.
© imago images/Seeliger

Drei Mal ist der gebürtige Remscheider seit seinem Schauspielstudium an der Ernst-Busch-Schule in Berlin umgezogen, nicht aus Rastlosigkeit, sondern wegen des Üblichen: „Kündigung der Wohnung, Erhöhung der Miete“. Auch ein Shootingstar kann sich viele Lagen nicht mehr leisten.

Wobei Dassler mit Begriffen wie „Star“ wenig anfangen kann, Öffentlichkeit und Rote-Teppich-Situationen sind ihm suspekt. Als „junger Tom Cruise“ ist er schon beschwärmt worden, der deutsche Film habe mit ihm „endlich wieder ein Gesicht“, jubelte eine andere Zeitung. „Anscheinend brauchen wir Label“, überlegt er. „Aber sie haben nichts mit dem zu tun, was ich mache.“ Auch Erfolg sei doch letztlich nur ein Konstrukt. „Wann ist etwas erfolgreich – wenn es vielen Leuten gefällt?“ So denkt Dassler nicht.

Dassler hat lange in einer Band als Gitarrist gespielt

Er schlägt den Weg in die Kurfürstenstraße ein, Richtung Gleisdreieckpark. An der Ecke Steinmetzstraße wird gerade gedreht, Dassler schaut kurz hin, „ein Musikvideo wahrscheinlich“. Er hat lange in einer Band gespielt, als Gitarrist, noch in Remscheid. „K-os“ hieß die Combo anfangs.

Die Richtung war deutscher Punkrock im Stil der Ärzte, mit Texten über Mädchen, die keine SMS zurückschreiben, „Probleme eines Fünftklässlers“. Dann nannten sie sich „Sticks“, „weil’s irgendwie cool klang“. Und schließlich „Moodyration“, ein Spiel mit „moody“ und „generation“. „Wobei wir nicht wussten, dass moody launisch bedeutet. Wir dachten, es hieße gut gelaunt.“

Ein Spaziergang von der Potsdamer Straße zum Gleisdreieckpark.
Ein Spaziergang von der Potsdamer Straße zum Gleisdreieckpark.
© Klöpfel

Fürs Theater und für den Film ist es ein Glück, dass der Schauspieler nie Lust hatte, Noten zu lernen, und keine Rockstar-Karriere in Remscheid eingeschlagen hat. Am Gorki hatte unlängst „In My Room“ Premiere, eine Stückentwicklung von Falk Richter, in der Dassler zusammen mit vier Kollegen darüber reflektiert, was Männlichkeit ist. Und wie die Vätergeneration dieses Bild prägt.

Er hat ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern

Es kommen queere, migrantische, zärtliche und verletzte Geschichten zusammen, Dassler performt eingangs eine hyperintensive Auseinandersetzung des Regisseurs Richter mit seinem verhärteten Vater, der im Zweiten Weltkrieg gekämpft hat – und überführt sie nahtlos in eine Bespiegelung der eigenen, ganz anderen Biografie.

Er hat ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern, der Vater arbeitet im Versicherungswesen, die Mutter in einem Krankenhaus. Bei der Premiere saßen sie in der ersten Reihe. Dassler kam auf die Bühne, sah sie direkt vor sich und dachte, das darf doch nicht wahr sein – „aber es war auch wunderschön, weil sie eben da sind und mich unterstützen“. Er sagt, er habe zu Hause nie um Anerkennung kämpfen müssen.

Jonas Dassler bei der Verleihung des B.Z.-Kulturpreises am 28. Januar im Haus der Berliner Festspiele in Berlin.
Jonas Dassler bei der Verleihung des B.Z.-Kulturpreises am 28. Januar im Haus der Berliner Festspiele in Berlin.
© Eventpress

Der Spaziergang führt durch den Gleisdreieckpark, vorbei an Tischtennisplatten, Fahrradfahrern und Joggern. Dassler hat mal gelesen, der Architekt des Parks sorge persönlich dafür, dass die Bäume gewässert würden, andernfalls passiere das nicht. Im Café B-Part wählt er einen Platz draußen, auf der hölzernen Terrasse. Zeit für einen Kaffee.

Die Rolle des Fritz Honkas wird er nicht los

Er spricht über seine Zeit auf der Schauspielschule, wo er unter anderem gelernt hat, in der Auseinandersetzung mit den Vorgaben der Dozenten seine eigene Vorstellung davon zu entwickeln, was „richtiges Spiel“ ist. Er redet über Rollen, die nachhallen. Da war der Affe Rotpeter in Kafkas „Bericht für eine Akademie“ am Gorki, von Regisseur Oliver Frljic auf der Nachtseite unserer vermeintlichen Aufklärung angesiedelt.

Und natürlich der Frauenmörder Fritz Honka im „Goldenen Handschuh“, den er nicht loswird – in erster Linie, „weil ich auch ein Jahr nach der Premiere auf der Berlinale immer wieder darauf angesprochen werde“. Was für ihn total okay ist.

Ihm sind keine Grenzen gesetzt

Er liebt den Austausch über seinen Beruf. Darüber, was das Wesen dieser flüchtigen Kunst ist. Ein Kollege hat ihm mal gesagt: „Der Text hat eine Biografie, du hast eine Biografie. Dazwischen ist ein Raum. Und darin liegt die Figur.“ Es ist ein Raum, in dem Jonas Dassler sich mit traumwandlerischer Sicherheit zu bewegen versteht. Weswegen man das Gefühl hat, dass ihm tatsächlich keine Grenzen gesetzt sind.

Und, gibt es noch eine besondere Geschichte zum Gleisdreieckpark?

Dassler lächelt. Vor der Premiere von „In My Room“, erzählt er, hat er hier in der Sonne gesessen. Und sich gefreut, dass die Häuser mal mehr als zehn Meter entfernt sind. Mehr braucht es nicht.

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