Charlottenburg-Wilmersdorf vor der Bundestagswahl: Vom Tauziehen um Tegel bis zum Kampf gegen den Terror
Alle sechs Bundeskandidaten in Charlottenburg-Wilmersdorf haben sich der Diskussion mit Ku'damm-Anrainern und weiteren Bürgern gestellt. Einen klaren Sieger in der Publikumsgunst gab es dabei nicht.
Bundestagskandidaten haben natürlich vor allem bundes- oder auch weltpolitische Ziele, falls sie aber als Direktkandidaten antreten, müssen sie die Bürger eventuell auch mit ihrer Meinung zu lokalen Themen überzeugen. In diesem Sinne hatte die Kurfürstendamm e.V. Interessengemeinschaft die sechs Bewerber im Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf am Mittwochabend zur Diskussion ins Hotel Kempinski eingeladen: Klaus-Dieter Gröhler (CDU), Tim Renner (SPD), Lisa Paus (Grüne), Friederike Benda (Linke), Christoph Meyer (FDP) und Nicolaus Fest (AfD).
Was hilft gegen den Terror?
Zumindest anfangs ging es vor mehr als 90 Gästen um Angelegenheiten, die den Ku'damm-Anrainern wichtig sind – darunter die Innere Sicherheit. Denn nach Kenntnis des Vorsitzenden der Interessengemeinschaft, Peter-Michael Riedel, wünschen sich einige Ku'damm-Händler mehr Poller oder andere Schutzmaßnahmen, damit es nicht noch einmal zu einem Terroranschlag wie am Breitscheidplatz im Dezember 2016 kommen kann.
Von den Politikern auf dem Podium sah jedoch niemand die Lösung darin, den Boulevard mehr oder weniger zu verbarrikadieren. Klaus-Dieter Gröhler zeigte zwar Verständnis dafür, dass der Anschlagsort rund um die Gedächtniskirche nun stärker geschützt wird, doch könne man "nicht alles zupflastern". Nicolaus Fest nannte als wichtigste Maßnahme, "die Außengrenzen besser zu schützen". Angesichts der zahlreichen Bedrohungen werde "die Innere Sicherheit leider mein Thema bleiben". Lisa Paus wies auf die mangelhafte polizeiliche Überwachung des Attentäters vom Breitscheidplatz, Anis Amri, hin. "Krieg schürt Terror", fand Friederike Benda, daher fordere die Linkspartei, alle deutschen Soldaten aus dem Ausland abzuziehen. Nur Tim Renner konnte sich mehr Auto-Sperren am Ku'damm vorstellen – und zwar in Form von großen Fahrradständern, schließlich "bin ich Radler".
Noch gilt der Flughafen Tegel als Standortvorteil für die City West
Einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in Charlottenburg ist der wachsende Berlin-Tourismus. Doch wenn der Flughafen Tegel schließt und irgendwann der Airport BER in Schönefeld öffnet, wird der Weg in die westliche Innenstadt für viele Reisende länger. Deshalb spielte auch der bevorstehende Volksentscheid über die Zukunft des Flughafens Tegel eine Rolle in der Diskussion. "Ich halte es mit der Bundeskanzlerin", sagte die Grünen-Politikerin Paus und meinte damit die rechtlichen Bedenken, die Angela Merkel (CDU) in ihrem Sommer-Interview gegen die Offenhaltung von Tegel geäußert hatte. Außerdem solle das Gelände ja zum neuen Wirtschafts- und Hochschulstandort umgebaut werden. Sie halte dort auch den Bau von 10.000 Wohnungen für möglich. Doch selbst nach einer Verlagerung des Flugbetriebs zum BER bleibe "die City West vorne."
Renner betonte, er habe "nichts gegen Tegel", doch auch aus seiner Sicht lässt die Rechtslage nur die Schließung nach einer BER-Eröffnung zu. Benda stellte sich "auf die Seite der Menschen, der Anwohner" und hielt die Schließung allein schon wegen der Lärmbelastungen in der Reinickendorfer Umgebung für nötig.
Dagegen warnte Meyer insbesondere vor "gravierenden Folgen für den Messebetrieb", wenn das Messegelände am Funkturm künftig viel weiter entfernt vom Airport liege. Gröhler wies darauf hin, dass Berlin – anders als etwa München – nicht nur ein Zentrum habe. Deshalb sei tatsächlich zu befürchten, dass sich die Besucherströme zu Lasten der City West verändern. AfD-Kandidat Fest nannte den Volksentscheid "sehr sinnvoll", persönlich "würde ich die Offenhaltung begrüßen".
Das Trauerspiel ums ICC
Aus aktuellem Anlass kam auch das frühere Internationale Congress Centrum (ICC) zur Sprache. Denn wie berichtet, fordern zwei leitende Ingenieure, die früher maßgeblich am Bau und Betrieb des ICC beteiligt waren, eine schnelle Sanierung. Sie halten die Asbestbelastung und damit die Sanierungskosten für geringer als oft behauptet. "Diese Tatsachen waren schon früher bekannt", stimmte Gröhler zu, der lange Baustadtrat im Bezirk war. "Die Öffentlichkeit wird hinters Licht geführt wie bei der Deutschlandhalle." Deren Dach sei, entgegen früherer Angaben der Messe Berlin, keineswegs einsturzgefährdet gewesen. Zum Abriss sei es nur gekommen, weil die Messegesellschaft das neue Tagungszentrum City Cube bauen wollte.
Beim Hin und Her ums ICC "kann man nur weinen", sagte Paus, das Kongresszentrum sei "jahrzehntelang schlechtgeredet worden". Meyer ärgerte sich darüber, dass die Messegesellschaft das ICC nicht wieder in Betrieb nehmen will: "Warum fordert der Senat die Messe nicht auf, ihren Widerstand aufzugeben?"
Bezahlbaren Wohnraum wollen alle, aber auf verschiedene Weise
Bundespolitisch wurde die Debatte beim Thema Wohnen. Steigende Mietpreise und der Abriss von Mietshäusern zugunsten luxuriöser Neubauten mit Eigentumswohnungen machen es für viele Menschen auch in der City West immer schwerer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Gesetzesänderungen, um dem entgegenzuwirken, müssten überwiegend auf der Bundesebene beschlossen werden. Lisa Paus nannte als eines ihrer wichtigsten Ziele, die "Wohnungsgemeinnützigkeit wieder einzuführen" und sprach sich für eine schärfere "Mietpreisbremse" aus. Noch weiter ging Friederike Benda: "Wohnen muss ein Grundrecht sein", der Wohnungsbau solle großenteils "staatlich organisiert" werden.
FDP-Kandidat Meyer sah das Problem mehr im "viel zu geringem Angebot am Wohnungsmarkt". Nicolaus Fest forderte, "Bürokratie abzubauen" und die Innenstadtlagen "wesentlich" zu verdichten: "Die Leute wollen nicht weit draußen wohnen."
Tim Renner bezeichnete die Annahme, dass hauptsächlich Sozialmieter mit Wohnberechtigungsscheinen (WBS) vom Mangel an preisgünstigem Wohnraum betroffen seien, als "Irrtum". Vielmehr gebe es besonders große Probleme "bei denen, die nicht WBS-berechtigt sind" – wenn das Einkommen also zwar etwas über der Bemessungsgrenze liege, die Wohnungssuchenden aber trotzdem nicht in der Lage seien, hohe Preise zu zahlen.
- Der Diskussionsabend wurde vom Autor dieses Berichts moderiert.
Für den 13. September laden auch der Charlottenburg-Wilmersdorfer Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) und die „Partnerschaft für Demokratie“ zur Diskussion mit Bundestagskandidaten ein (ab 19.30 Uhr im BVV-Saal des Rathauses Charlottenburg). Allerdings sind nur Direktkandidaten der „gegenwärtig im Bundestag vertretenen Parteien“ im Wahlkreis eingeladen, was die AfD und die FDP ausschließt.