Bauprojekt in Berlin-Halensee: „Tor zum Ku'damm“ oder eintöniger Riegel?
Am Henriettenplatz neben dem S-Bahnhof Halensee ist ein Geschäftshaus geplant, nebenan in der Seesener Straße sollen 150 Wohnungen entstehen. Verärgerte Anwohner fühlen sich ausgebootet.
Während ein umstrittener, rund 200 Meter langer Gebäuderiegel mit Wohnungen an der Seesener Straße noch im Bau ist, plant ein zweiter Investor nebenan das nächste Projekt: Jetzt geht es um 140 bis 150 Wohnungen im nordwestlichen Straßenteil und ein achtstöckiges Geschäftshaus am Henriettenplatz – gleich neben dem S-Bahnhof Halensee und dem Kurfürstendamm.
Die Planer versprechen, abwechslungsreicher zu bauen als der Nachbar. Anwohner bleiben trotzdem skeptisch.
In dieser Woche stellte die Immobilienfirma HNK die Pläne erstmals bei einer Einwohnerversammlung in der Hochmeisterkirche öffentlich vor. Nun beraten die BVV-Fraktionen, um dann noch einmal im bezirklichen Stadtentwicklungsausschusses mit HNK-Geschäftsführer Stefan Nespethal und Architekt Ivan Reimann zu diskutieren.
Lange kannte nur das Bauamt die Pläne
Chancenlos erscheint dagegen ein Antrag, in dem die fraktionslose Grünen-Politikerin Nadia Rouhani und die Piratenfraktion ein Bebauungsplanverfahren mit mehr Bürgerbeteiligung verlangen. CDU und SPD stimmten im Ausschuss schon dagegen und lehnten auch einen städtebaulichen Wettbewerb ab. Mit dem Bauamt stehen die Investoren nach eigener Auskunft seit einem Jahr in Kontakt.
In diesem Jahr sollen Bauarbeiten starten
Der Investor will im Laufe dieses Jahres mit dem Bau beginnen und zuvor im ersten Quartal einen Bauvorbescheid beantragen. Kleingärten auf einem Ex-Bahngelände mussten dem Vorhaben bereits weichen.
Die Wohnhäuser sollen mit sechs Etagen plus Staffelgeschoss so hoch werden wie der angrenzende Gebäuderiegel der Sanus AG, in dem 221 Wohnungen entstehen. Die „Bürgerinitiative Henriettenplatz“ hatte das Sanus-Projekt als „Neu-Prora“ kritisiert – die Architektur sei eintönig wie die langgestreckten Gebäude, die in der NS–Zeit in Prora auf Rügen entstanden waren.
Auch bei der Diskussion um die HNK-Pläne fiel das Wort „Prora“, obwohl Firmenchef Nespethal versicherte, man baue „keinen monotonen Riegel“. Die Straße „braucht eine Auflockerung“, die Architektur solle einen „nachhaltigen Wert für das Stadtbild“ schaffen. Deshalb habe man das renommierte Architektenbüro Müller Reimann beauftragt, das unter anderem schon den Neubau des Bundesinnenministeriums und den Erweiterungsbau des Auswärtigen Amts in Mitte gestaltete.
Drei Varianten im Gespräch
Ivan Reimann hält drei Formen der Wohnhäuser für möglich. Eine davon sei eine geradlinige Bebauung, aber mit unterschiedlichen Fassaden. Alternativ könnte ein Teil der acht Gebäudeteile nach hinten versetzt werden. Denkbar seien auch einzelne Häuser mit Lücken dazwischen.
Ein vom Bezirk beauftragter Verkehrs- und Umweltgutachter empfahl die geschlossene Bauweise, um die Straße gegen Lärm von der Stadtautobahn und der Bahnstrecke abzuschirmen. Bisher sei die Lärmbelastung vor allem nachts zu hoch und potenziell „gesundheitsgefährdend“.
Lärmschutzargument überzeugt die Bürgerinitiative nicht
Anwohner widersprachen: „Wir haben nie unter Lärm gelitten, wir brauchen keine Lärmschutzwand“, sagte eine Vertreterin der Bürgerinitiative. Problematisch seien vielmehr eine „Verschattung“ der Straße und der Anstieg des Autoverkehrs. Der Gutachter rechnet mit 900 zusätzlichen Kfz-Fahrten pro Tag. Zum Bauprojekt gehören 170 Tiefgaragenplätze.
Geschäftshaus mit Büros und Läden
Bisher gibt es nur Massemodelle und keine detaillierten Entwürfe. Dies gilt auch für den Gewerbebau am Westrand des Henriettenplatzes. Im Parterre sollen Läden, darunter ein Supermarkt, einziehen; darüber sind Büros geplant. An gleicher Stelle wollten andere Investoren vor rund 13 Jahren noch größer bauen. Ein damals geplantes Hochhaus konnte die Bürgerinitiative verhindern.
Der aktuell vorgestellte Neubau wäre drei Etagen niedriger als das elfstöckige Wohn- und Geschäftshaus auf der anderen Seite des Henriettenplatzes, das aus den 1950er Jahren stammt.
Grüne fordern Architektenwettbewerb
Volker Heise, Stadtentwicklungsexperte der Grünen-Fraktion, fand nach der Versammlung, es gebe „noch keine befriedigende Lösung“ für das Geschäftshaus. Seine Fraktion wolle mit dem Investor verhandeln, um einen Architektenwettbewerb mit Unterstützung des Bezirks zu erreichen. Der Platz habe „gesamtstädtische Bedeutung“.
Muss der Henriettenplatz aufgewertet werden?
Insgesamt gibt es verschiedene Ansichten zur Qualität des Platzes, der zuletzt 1987 umgestaltet worden war. Anwohner schätzen ihn als „sonnigen Ort“, dem der Neubau schade. Stadtrat Schulte und Bauherr Nespethal finden dagegen, der Henriettenplatz werde seiner Rolle als „Tor zum Ku'damm“ nicht gerecht. Es gebe dort auch Probleme mit Alkoholikern und Kleinkriminalität. Nespethal kündigte an, dem Bezirk einen Teil des erworbenen Geländes zu übereignen. Schulte sagte, er vermisse eine Diskussion um den ganzen Platz.
Fast alle Bäume sollen bleiben
Zum Baumbestand sagte Architekt Reimann: „Nach den derzeitigen Plänen muss nur ein Baum gefällt werden.“
Vom „Tor zum Ku'damm“ war übrigens schon Ende 2013 die Rede, als der ebenfalls vom Büro Müller Reimann entworfene „Bauhaus“-Markt westlich des S-Bahnhofs eröffnete. Trotz des vorgelagerten begrünten Wintergartens blieb umstritten, ob ein Baumarkt das passende Entrée zum Boulevard ist.
Cay Dobberke
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