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Im Modell. So stellt sich der Investor die siebenstöckigen Wohngebäude vor.
© Simulation: Sanus AG

Berlin-Halensee: Zank um Wohnungsbau: „Neu-Prora“ oder Nachverdichtung?

Nahe dem S-Bahnhof Halensee kämpfen Bürger gegen zwei Bauprojekte, die ihnen beide zu groß sind. Derzeit entstehen 209 Mietwohnungen in einem 204 Meter langen Gebäuderiegel.

Einmal schon war die „Bürgerinitiative Henriettenplatz“ erfolgreich: Vor rund 13 Jahren verhinderten die Anwohner ein Hochhaus neben dem S-Bahnhof Halensee am westlichen Kurfürstendamm. Jetzt hat sich die Gruppe neu formiert und protestiert an jedem ersten Sonnabend im Monat mit einer Mahnwache gegen zwei Wohnungsbauprojekte.

Eines davon läuft allerdings schon. Vor wenigen Tagen feierte die Sanus AG in der Seesener Straße die Grundsteinlegung für einen 204 Meter langen und sieben Etagen hohen Gebäuderiegel. Die Arbeiten in der Baugrube begannen schon nach dem symbolischen ersten Spatenstich im vorigen September.

Im Frühjahr 2016 sollen die ersten Mieter einziehen

Anders als bei den meisten anderen Wohnungsneubauten rund um den Ku’damm entstehen dort keine luxuriösen Eigentumswohnungen. Laut Sanus-Chef Marc Wiese werden 209 Mietwohnungen gebaut, die schrittweise im Frühjahr bis Herbst 2016 fertig werden sollen. Das Projekt kostet mehr als 40 Millionen Euro.

Die Mietpreise sollen bei zehn Euro pro Quadratmeter beginnen, die Wohnungsgrößen reichen von 50 bis 100 Quadratmeter. Das Projekt ist bereits verkauft an die Niedersächsische Apothekerversorgung, die auch die Vermietung übernehmen wird.

Investor weist Vergleich mit Nazi-Bauten zurück

Der Streit dreht sich um das Ausmaß des Vorhabens und der Baustelle. Heinz Murken, Sprecher der Bürgerinitiative, nennt die Riegelbauten „Neu-Prora“ – die Architektur erinnere an die langgestreckten Gebäude, die in der NS–Zeit in Prora auf Rügen entstanden waren. Diesen Vergleich nennt der Investor „absurd“: Es gebe zehn Häusertypen mit unterschiedlicher Fassade. Die bisher vorliegenden Simulationen der Architektur zeigen das nur teilweise.

Die Bürgerinitiative Henriettenplatz ist zurück: Evelyne Harthun-Strupkus, Rudolf Harthun, Heinz Murken, Gaby Kaufhold und Karin Pechstein-Wake.
Die Bürgerinitiative Henriettenplatz ist zurück: Evelyne Harthun-Strupkus, Rudolf Harthun, Heinz Murken, Gaby Kaufhold und Karin Pechstein-Wake.
© Cay Dobberke
Er treibt den Neubau voran. Der vom Investor Sanus beauftragte Projektmanager Orla Staal Paulsen auf der Baustelle an der Seesener Straße.
Er treibt den Neubau voran. Der vom Investor Sanus beauftragte Projektmanager Orla Staal Paulsen auf der Baustelle an der Seesener Straße.
© Cay Dobberke

Die Baustelle nervt

Die Anwohner beklagen außerdem, dass viele Bäume gefällt worden seien und die Seesener Straße durch die Arbeiten stark verengt werde. Es fehle an Parkplätzen, und die Sanierung eines angrenzenden Altbaus komme nicht mehr voran, weil der Weg für Zulieferer versperrt sei.

„So eine Baustelle nervt natürlich, das kann ich nachvollziehen“, sagt Sanus-Chef Wiese. Auf Dauer werde es keine Parkplatzprobleme geben, man baue eine Tiefgarage mit 171 Plätzen.

Ursprünglich waren bis zu 221 Wohnungen geplant. Doch weil im Erdgeschoss auf Wunsch der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf eine Kita hinzukommen soll, „mussten wir umplanen“ und auf ein paar Wohnungen verzichten. Dennoch liege man Zeitplan, es handele sich um eine „schnelle Baustelle“.

Die Straße werde verschattet, befürchten die Anwohner

Die Bürgerinitiative befürchtet, Anwohner würden „von Frischluft und Sonne abgeschnitten“. Früher blickten diese über kleine Werkstätten und eine Brache auf die S-Bahnstrecke der Ringbahn und die Stadtautobahn.

Der für Sanus tätige Architekt Hans-Wilhelm Kleine argumentiert, man orientiere sich an der Höhe der Nachbargebäude. Firmenchef Wiese findet, die Aussicht werde „jetzt eigentlich schöner“. Außerdem passe das Vorhaben „genau zum Bedarf“ an Mietwohnungen in Berlin.

Diskussionsabend mit Bezirks- und Investorenvertretern

Darüber hinaus plant ein weiterer Investor nebenan eine Wohnbebauung, die sich bis auf den westlichen Teil des Henriettenplatzes erstrecken soll.

Bedrohte Idylle. Ein Kleingarten an der Seesener Straße; das Schild weist auf die nahende Räumung hin.
Bedrohte Idylle. Ein Kleingarten an der Seesener Straße; das Schild weist auf die nahende Räumung hin.
© Cay Dobberke

Nach Zählung der Bürgerinitiative müssen dafür 16 Kleingärten weichen, deren Grundstücke früher zum Eisenbahnvermögen gehörten. Die Bürgerinitiative verlangt, dass die Parzellen erst geräumt werden, wenn der Baubeginn unmittelbar bevorsteht. Grüne, SPD und Piraten unterstützen die Forderung.

Insgesamt werde die „massive Bebauung“ dem Kiezcharakter schaden, kritisieren die Anwohner.

Zumindest eines haben sie bisher erreicht: Bezirksbaustadtrat Marc Schulte (SPD) kündigt für Ende Mai bis Anfang Juni eine Einwohnerversammlung an.

Dafür hatten sich alle BVV-Fraktionen ausgesprochen, die Sanus AG will sich der Diskussion stellen.

Für das Projekt am Henriettenplatz muss es nach Ansicht der Grünen einen städtebaulichen Wettbewerb geben.

Cay Dobberke

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