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Klassik-Open-Air mal anders. Vor kurzem spielte das Duo „Nachklang 1700“ (Friederike Däublin und Andreas Vetter) auf dem Südwestkirchhof.
© Anett Kirchner

Kulturnacht in Stahnsdorf bei Berlin: Tingeltangel statt Totentanz auf dem Friedhof

Wenn Wildschweine und Kupferdiebe die Friedhofsstille stören, hilft nur noch eins: eine Kulturnacht. Am Sonnabend feiern Nachtschwärmer bei Konzerten, Lesungen und Filmen auf dem Südwestkirchhof in Stahnsdorf.

Kaum ist man durch das inflationäre Auftreten „Langer Nächte“ davon überzeugt worden, dass dieser einst originelle Weg der Kulturvermittlung die schlimmste Landplage seit der Erfindung des Wortes „Kulturevent“ ist, da kommt aus Stahnsdorf bei Berlin die Kunde einer Kulturnacht auf dem Südwestkirchhof. Und man denkt elektrisiert: Also, diese Lange Nacht nehmen wir noch mit!

Was musste man über die weitläufige Berliner Begräbnisstätte, die bis zum Mauerbau bequem mit der S-Bahn erreichbar war und heute immerhin mit dem Bus (Linie 623 ab S-Bahnhof Zehlendorf), in letzter Zeit nicht alles Schlimmes lesen: Kupferdiebe plündern die Dächer kostbarer Gründerzeitmausoleen, Wildschweine, deren Rotten auch durch Treibjagden nicht nennenswert dezimiert wurden, zerpflügen die Grablegen. Höchste Zeit, dass diesen nachtaktiven Spezies bei der Störung der Totenruhe Einhalt geboten wird.

Und was hilft, wo die regelmäßig patroullierenden Einsatzkräfte von Polizei und Jägerschaft überfordert sind? Richtig – die Kulturnacht! Ein hier bereits vor elf Jahren getestetes Modell zur Friedhofsbelebung, die man auch in anderen Kulturkreisen erfolgreich praktiziert. In Mexiko ziehen sie zu Allerseelen bekanntlich mit Lichtern, Tequila und Zuckerkuchen an die Gräber und feiern kräftig Party. Und? Hat man aus Mexiko jemals was von Schwarzkittelplagen gehört? Eben.

Um die 140 unentgeltlich wirkende Künstler (Programm: suedwestkirchhof.de) bietet der am Sonnabend von 18 bis 24 Uhr auf Tausende unerschrockener Nachtschwärmer hoffende Förderverein des Südwestkirchhofs auf. Die Eintrittsgelder werden zur Erhaltung der 1909 im Stil eines Parkfriedhofs gestalteten Areals verwendet. Für einige Anlieger oder Einlieger der mit Heinrich Zille, Lovis Corinth, Engelbert Humperdinck oder Otto Graf Lambsdorff kulturell wertvoll belegten Ruhestätte schließt sich bei 40 Konzerten, Lesungen, Filmen, Performances, Führungen und Ausstellungen posthum ein Wirkungskreis.

Friedrich-Wilhelm Murnau kann befriedigt, äh, erleben, dass unweit des Grabes sein Untoten-Stummfilm „Nosferatu“ mit Live-Klavierbegleitung aufgeführt wird. Noch besser hat es Ludwig Schuch. Zu Ehren des 1939 verstorbenen Direktors des alten Wintergarten-Varietés rückt gar ein Teil des heutigen Wintergarten-Ensembles aus Artisten und Zauberern an. Die mit „It’s Showtime“ übertitelten Einlagen verheißen eine lebensbejahende Darbietung. Tingeltangel statt Totentanz: Räuber, Säue – zieht euch warm an!

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