Berlin-Westend: Mieter wollen Alliiertenwohnungen nicht räumen
Der Streit um den geplanten Abriss und Neubau von Wohnungen nahe dem Olympiastadion geht weiter. Das zeigte eine Einwohnerversammlung der BVV.
Die Meinung vieler Mieter der früheren britischen Soldatensiedlung in Westend brachte Siegfried Schlosser von der Charlottenburg-Wilmersdorfer Piratenfraktion auf den Punkt: Die Entwürfe für etwa 580 neue Mietwohnungen der Deutsche Wohnen AG fände er „toll“, wenn „alles eine grüne Wiese wäre“.
Noch aber stehen 212 Wohnungen aus den 1950er Jahren am Dickens-, Scott- und Swiftweg nahe dem Olympiastadion. Und die meisten Bewohner wollen bleiben, trotz Problemen wie Feuchtigkeit und Schimmel. „Es muss nicht unbedingt neu gebaut werden“, sagte Schlosser bei einer Einwohnerversammlung.
SPD befürwortet die Nachverdichtung
Zu dieser hatte am Freitagabend die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in die Charles-Dickens-Grundschule eingeladen, deren Aula mit rund 140 Teilnehmern bis auf den letzten Platz gefüllt war. Dem Architekten und Vertreter der Deutsche Wohnen, Klaus Zahn, gelang es nicht, viele Bedenken der Mieter und der Bezirksverordneten auszuräumen. Andererseits sprachen sich vor allem Baustadtrat Marc Schulte (SPD) und die Vize-Vorsitzende der SPD-Fraktion, Heike Schmitt-Schmelz, wegen des Wohnungsmangels in Berlin grundsätzlich für die „Nachverdichtung“ aus.
Mieter wurden überrascht – jetzt läuft die Bürgerbeteiligung
Die Diskussion reicht bis in den April 2014 zurück, als die Mieter von den Abriss- und Neubauplänen überrascht wurden. Von einem Architektenwettbewerb, den das dänische Büro Tegnestuen Vandkunsten gewann, hatten sie bis dahin nichts gewusst. Es folgten zwei Mieterversammlungen und eine Veranstaltung der SPD Neu-Westend. Jetzt hat das Bezirksamt ein „vorhabenbezogenes Bebauungsplanverfahren“ gestartet. Bis zum 6. Mai können Bürger die Akten im Stadtplanungsamt einsehen und schriftlich Stellung nehmen.
Noch ist nichts beschlossen
Bis zu einem BVV-Beschluss über den Bebauungsplan dürften noch eineinhalb bis zwei Jahre vergehen, sagte Stadtrat Schulte. Er wies darauf hin, dass die Deutsche Wohnen gemäß dem Berliner Modell der „kooperativen Baulandentwicklung“ neue Kita- und Schulplätze finanzieren müsse. Außerdem könnten zu 25 Prozent „bezahlbare Wohnungen“ vorgeschrieben werden.
Die Altbausanierung „ist ein Fass ohne Boden“
Klaus Zahn betonte, die Deutsche Wohnen wolle die ganze neue Siedlung „für die breite Mitte“ bauen, es gehe weder um besonders billige noch um luxuriöse Wohnungen. Eigentumswohnungen seien nicht geplant. Zum Thema Nachverdichtung stellte Zahn die Frage: „Wenn nicht hier, wo dann?“. Die in „einfachster Bauweise als Notunterkunft“ errichteten Soldatenwohnungen seien wirtschaftlich ein „Fass ohne Boden“. Seit dem Kauf der Siedlung im Jahr 2007 habe die Deutsche Wohnen eine halbe Million Euro in Sanierungen investiert.
Steffen Unger von der Ende 2013 gegründeten Bürgerinitiative Siedlung Westend fand diese Summe keineswegs besonders hoch und blieb unbeeindruckt. „Ich sehe nicht, dass die Wohnungen nicht modernisiert werden können.“
Die SPD-Politikerin Schmitt-Schmelz sagte, die BVV habe bereits gefordert, die Bestandsmieter „mitzunehmen“ und die finanzielle Gesamtbelastung durch Miete und Betriebskosten beizubehalten. Jenny Wieland (Grüne) kritisierte, ihre Fraktion fühle sich „nicht besonders gut informiert“ über die Entwicklung. Ähnlich äußerten sich die anderen Bezirksverordneten. Auch Wieland fragte: „Warum muss man den Altbestand überhaupt abreißen?“.
Wie seriös sind die Kostenschätzungen?
Verwundert zeigten sich alle Fraktionsvertreter darüber, dass die Deutsche Wohnen sage, es sei noch zu früh für Mietkalkulationen, andererseits aber mit einer Wirtschaftlichkeitsberechnung argumentiere. Demnach würde eine Grundsanierung der alten Wohnungen 2000 Euro pro Quadratmeter kosten, zuzüglich 200 Euro je Quadratmeter im Außenbereich. Die Baukosten in den geplanten drei- bis vierstöckigen Neubauten werden auf 2100 Euro je Quadratmeter geschätzt. Anscheinend stammt diese Zahl aus einem ähnlichen Bauprojekt in Potsdam.
Anwohner warfen dem Unternehmen vor, die Miete bereits jetzt durch höhere Betriebskostenabrechnungen zu steigern.
Von Carsharing halten die Anwohner wenig
Seit zwei Jahren wird auch über den Autoverkehr gestritten. Klaus Zahn wies auf die gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr hin, in fußläufiger Nähe seien die U- und S-Bahnhöfe am Olympiastadion und mehrere Buslinien erreichbar. Mieter befürchten trotzdem, bei einer Vergrößerung der Siedlung werde es in den schmalen Wohnstraßen „kein Durchkommen mehr geben“. Dass die Deutsche Wohnen auch Carsharing zur verkehrlichen Entlastung vorschlägt, wurde mit Hohngelächter quittiert. Arne Herz (CDU) fragte deshalb: „Wie will man den Anwohnern neue Mobilität beibringen?“.
Die Miete soll gleich bleiben
Wibke Werner, Vize-Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, forderte die Deutsche Wohnen zu „mehr Transparenz“ auf. Unklar sei zum Beispiel, was mit Mietern geschehe, die sich einer Einigung widersetzen. Es dürfe auch nicht dazu kommen, dass die Miete zwar gleich bleibe, aber nur für eine „halb so große Wohnung“. So etwas werde der Bezirk „natürlich verhindern“, sagte Heike Schmitt-Schmelz im Namen der SPD-Fraktion.
Die Deutsche Wohnen informiert unter www.siedlung-westend.de über ihre Pläne. Die Bürgerinitiative präsentiert sich unter www.siedlung-westend.com.