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Bausenator Andreas Geisel
© dpa / Paul Zinken

Interview mit Bausenator Andreas Geisel: "Auch Normalverdiener müssen innerhalb des S-Bahnrings wohnen können"

Schon heute fehlen in Berlin viele Wohnungen, Grundstückspreise und Mieten steigen seit Jahren. Bausenator Andreas Geisel spricht im Interview über die Herausforderungen einer wachsenden Stadt und seine Idee von einer Spekulationssteuer.

Herr Geisel, Berlin hat bald mehr als vier Millionen Einwohner. In diese Zahl sind die Flüchtlinge noch nicht einmal eingerechnet. Wir brauchen deutlich mehr Wohnungsneubau, mehr Bauflächen – wie wollen Sie das in kurzer Zeit alles realisieren?
Wenn wir es schaffen, pro Jahr 15.000 bis 20.000 Wohnungen zu errichten, und das mehrere Jahre hintereinander, werden wir diese Aufgabe schon bewältigen können. Wir haben aber verschiedene Engpässe. Dazu gehört die Flächenmobilisierung, wir werden das Planungsrecht deutlich beschleunigen müssen. Und wir müssen in der Stadt eine Debatte über höheres und stärker verdichtetes Bauen als bisher führen. Boden ist ein kostbares Gut. Damit müssen wir, auch mit Blick auf die Frei- und Grünflächen, sehr behutsam umgehen. Ein weiterer Engpass ist die Personalsituation. Wir werden in den Bauämtern in allen Berliner Bezirken mehr Personal einstellen müssen.

Was heißt "schnelleres Baurecht"?
Die bisherigen Bebauungsplanverfahren dauern im Schnitt vier bis fünf Jahre. Das ist durch das Bundesrecht bestimmt. Wir führen gerade auf Bundesebene eine Debatte, wie wir das Baurecht beschleunigen können. Dazu wollen wir den Begriff des "urbanen Gebietes" einführen. Das ist die Zusammenführung von allgemeinem Wohngebiet und Gewerbegebiet. Damit würden in Wohngebieten dieselben Lärmschutzkriterien wie in Gewerbegebieten gelten. Wohnen und Gewerbe sind bislang scharf voneinander getrennt. Das war die Philosophie der 1960er- und 1970er-Jahre, einer Zeit, in der Gewerbe im Vergleich zu heute laut war. Heute hören Sie im Zweifel vom Gewerbe nicht mehr als das Klappern der Notebooktasten.

... und das bedeutet?
Indem wir die Standards absenken, beschleunigen wir das Verfahren ganz erheblich um zwei bis vier Jahre – und bekommen am Ende auch wieder lebendige Stadtgebiete, in denen sich Wohnen und Gewerbe mischen, wobei ich natürlich kein stark Lärm emittierendes Gewerbe meine ...

Das wäre dann jene "Berliner Mischung", für die diese Stadt bekannt war, bevor die rigorosen Planer der 1960er-Jahre Wohnen und Arbeiten strikt voneinander trennten.
Genauso ist es. Ich habe mir das in Zürich angeschaut bei der Konversion eines ehemaligen Gewerbegebietes, da funktioniert das mit dem Schweizer Planungsrecht. Wir haben die Idee nach Deutschland geholt, und die Bundesbauministerin, Barbara Hendricks, signalisiert, dass man die Änderung noch in dieser Legislaturperiode auf Bundesebene hinkriegt. So werden wir deutlich flexibler.

Thema sozialer Wohnungsbau – Berlin war ausgestiegen, kommen wir schnell genug wieder rein?
Wir haben ihn im vergangenen Jahr wieder eingeführt und jetzt beschlossen, die Förderung zu verdreifachen, auf 3000 Wohnungen im Jahr. Aber wenn wir von 15.000 bis 20.000 Wohnungen im Jahr insgesamt reden, ist deutlich erkennbar, dass das nicht ausreichen wird. Spätestens ab 2018 werden wir die Förderung noch einmal nach oben fahren müssen. 5000 geförderte Wohnungen jährlich scheint mir eine realistische Größenordnung zu sein. Ohne den sozialen Wohnungsbau werden zu viele Berlinerinnen und Berliner von der Entwicklung der Stadt ausgeschlossen. Das wäre für den sozialen Zusammenhalt nicht gut. Wir brauchen diese Förderung, um auch in der Mitte der Stadt noch bezahlbaren Wohnungsbau zu haben. Auch Normalverdiener müssen innerhalb des S-Bahnrings wohnen können. Das ist gegenwärtig so, und das soll auch so bleiben.

Haben Sie die Möglichkeit, durch die Vergabe günstiger Grundstücke diese gewünschte Form des Wohnungsbaus zu fördern?
Ja. 85 Prozent der bebaubaren Grundstücke gehören privaten Eigentümern und 15 Prozent dem Land Berlin. Unseren kommunalen Wohnungsbaugesellschaften stellen wir solche Grundstücke als Werteinlage zur Verfügung. Wir verkaufen sie also nicht mehr und ermöglichen den Wohnungsbaugesellschaften damit, günstiger zu bauen und die Mieten abzusenken. Wir geben solche Grundstücke auch an Genossenschaften, weil die ebenfalls eine preisstabilisierende Wirkung haben.

Die Wohnungen sind das eine, die Infrastruktur das andere. Wie stellen Sie sicher, dass auch genügend Schulen und Kitas gebaut werden?
Dazu haben wir das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung eingeführt. Bei der Schaffung von Planungsrecht schöpfen wir Gewinne ab, um darüber die soziale Infrastruktur wie Kitas und Schulen schaffen zu können. Dieses Modell gibt es in München und Hamburg auch. Wir können viele Infrastrukturkosten wie beim öffentlichen Nahverkehr mittlerweile auch wieder über den Haushalt finanzieren, weil die wachsende Stadt ja bedeutet, dass mehr Menschen arbeiten und mehr Steuern zahlen. Und natürlich muss alles schneller gehen, denn das Wachstum ist enorm. Nehmen Sie den Bau einer Schule: Bislang dauert es bei uns vom ersten Gedanken bis zum fertigen Schulbau zehn Jahre. Das ist viel zu lange. Das geht schneller und das werden wir schneller hinbekommen

Wo hapert es noch?
Mit Sorge betrachte ich die steigenden Grundstückspreise in der Stadt. Da steckt Spekulation in einer Größenordnung drin, die vom Markt her gar nicht mehr zu begründen ist. Deswegen überlegen wir auch, wie die Grundstücksspekulation begrenzt werden kann. Das geht vielleicht über das Entwicklungsrecht, wir denken aber auch über die Einführung einer Spekulationssteuer nach. Wir könnten zum Beispiel Grundstücke, die mit Wohnungen bebaut sind, geringer besteuern als solche, die nicht bebaut sind. So könnte man auch noch einmal einen Bauschub auslösen.

Dieses Stück erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Köpfe" aus dem Tagesspiegel-Verlag, das Sie hier bekommen können: Tagesspiegel Köpfe bestellen

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