Berlin-Charlottenburg: Westend soll wachsen
Der geplante Abriss von 212 Alliiertenwohnungen nahe dem Olympiastadion verunsichert die Mieter. 2017 will die Eigentümergesellschaft mit dem Bau einer deutlich größeren Siedlung beginnen.
Noch ist nichts beschlossen – aber die Mieter von 212 ehemaligen britischen Soldatenwohnungen in der Charlottenburger Siedlung zwischen dem Olympiastadion und der Heerstraße machen sich schon große Sorgen wegen Abrissplänen ihres Vermieters „Deutsche Wohnen“. Ab 2017 will Berlins größtes Wohnungsunternehmen die 50er-Jahre-Bauten am Dickens-, Scott- und Swiftweg durch bis zu 600 „energieeffiziente und familiengerechte“ Wohnungen in vierstöckigen Neubauten ersetzen.
Die Mieter wussten lange nichts
Das Vertrauen vieler Mieter hat die Firma verloren, wie am Dienstag ein Diskussionsabend der SPD Neu-Westend mit etwa 80 Teilnehmern zeigte.
Jetzt hatte es Deutsche-Wohnen–Sprecherin Manuela Damianakis schwer, die „behutsame Verdichtung“ zu vermitteln. Die neuen Häuser sollen auf der Kubatur der alten entstehen. So bleibe die Siedlungsstruktur im Grunde gleich, sagte Damianakis, man müsse höchstens sehr wenige Bäume fällen.
Parkplätze könnten noch knapper werden
Unverändert bleiben sollen aber auch die Parkplätze an der Straße, eine Tiefgarage ist nicht geplant. Anwohner rechnen mit einem „Chaos“, schon jetzt sei die Gegend bei Veranstaltungen im Olympiastadion zugeparkt. Laut Damianakis wünscht sich ihr Unternehmen eine ähnliche Lösung wie zu den Zeiten der Briten in Westend, als Schranken den Kiez bei Bedarf vor dem Verkehr abschirmten.
Bezirkspolitiker fordern seit Jahren eine „Anwohnerschutzzone“, blitzten damit jedoch bei der Berliner Stadtentwicklungs- und Verkehrsverwaltung ab.
Viele Bewohner wollen nicht weg
Vor allem möchten zahlreiche Mieter in der Siedlung bleiben. Darunter sind auch neue Zuzügler. Der Charlottenburg-Wilmersdorfer Stadtentwicklungsstadtrat Marc Schulte (SPD) sprach von „Verärgerung“ im Bezirksamt darüber, dass die Deutsche Wohnen noch während des Architektenwettbewerbs weiter vermietet hatte.
Im neuesten Fall zog eine junge Frau im März ein. „Hätte ich von den Plänen gewusst, hätte ich mir das noch mal überlegt“, kritisierte sie. Damianakis sagte, mit der Betroffenen werde über eine „individuelle Lösung“ verhandelt.
Das Wohnungsunternehmen sucht den Dialog
Die Deutsche Wohnen wolle alle Mieter „auf dem Weg mitnehmen“, betonte die Sprecherin. Es gebe nun ein „Vor-Ort-Büro“ für Gespräche. Den Bewohnern werde „gleichwertiger Ersatz“ aus dem Unternehmensbestand angeboten, zu dem viele Häuser im Bezirk gehörten.
Um auch Umzüge innerhalb der Siedlung zu ermöglichen, seien mehrere Bauabschnitte geplant. Altmieter bekämen den „ersten Zugriff“ auf die Neubauten. Diese würden größtenteils zu mittleren Preisen vermietet, hinzu komme eine noch unbestimmte Zahl an Eigentumswohnungen.
Wichtig sei, dass alle Mieter ihre Bedürfnisse nennen. Im Februar könne es ein neues Treffen geben. Man wolle die Bewohner „laufend informieren“.
Die Altbauten sind marode
Die von einigen Mietern geforderte Sanierung der Altbauten sei laut Gutachten sinnlos, sagte Damianakis. Die schlechte Bausubstanz und die einfache Bauweise der „Engländerhäuser“ für Soldatenfamilien sprächen dagegen. Zu den bekannten Problemen gehören Schimmelbildung und fehlende Wärmedämmungen, die hohe Heizkosten verursachen.
Im Frühjahr war noch von 500 statt 600 neuen Wohnungen die Rede. Die beinahe dreifache Vergrößerung der Siedlung mache eine neue Kita, Spielplätze und mehr Platz in Schulklassen nötig, sagte Baustadtrat Schulte.
Keine Mehrkosten für die Mieter?
Die rot-grüne Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung will sich nicht nur auf Zusicherungen der Firma verlassen. SPD-Vizefraktionschefin Heike Schmitt-Schmelz stellte einen mit den Grünen erarbeiteten BVV-Antrag vor. Gefordert wird die „umfassende Einbeziehung“ der Mieter. Während und nach der Bauzeit müsse „mindestens gleichwertiger Wohnraum zur gleichen Mietgesamtbelastung“ angeboten werden. Wibke Werner vom Berliner Mieterverein bezweifelte, das dies realistisch sei.
Das letzte Wort hat die BVV
Die SPD werde die Entwicklung „im Auge behalten“, kündigte Robert Drewnicki, SPD-Abteilungsleiter in Neu-Westend, an. Das Bebauungsplanverfahren hat noch nicht begonnen. Ihre Partei sei grundsätzlich für mehr Wohnraum, sagte Heike Schmitt-Schmelz. Sollte die Deutsche Wohnen ihre Versprechen aber nicht einlösen, werde die BVV das Projekt notfalls stoppen.
Die Deutsche Wohnen informiert unter www.siedlung-westend.de über ihre Pläne.
- Der Artikel erscheint auf dem Ku'damm-Blog, dem Online-Magazin für die westliche Innenstadt.