Steglitz-Zehlendorf: Hundeverbot am Schlachtensee aufgehoben
Das Verwaltungsgericht hat der Klage eines Hundehalters stattgegeben. Das Hundeverbot an Krumme Lanke und Schlachtensee ist aufgehoben. Allerdings kann der Bezirk in Berufung gehen.
Was ist eine Badestelle? Darüber sollte man sich Gedanken machen, bevor man ein Hundeverbot erlässt. Verkürzt gesprochen. Das Verwaltungsgericht hob am Dienstag das vom Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf erlassene Hundeverbot an Krumme Lanke und Schlachtensee auf. Die Begründung ist im Kern ganz einfach: Der Uferweg als solcher ist keine Badestelle, sondern ein Weg, „der in erster Linie der Fortbewegung dient“. An vielen Stellen sei der Zugang zum See durch Zäune verstellt. Dort von einer Badestelle zu sprechen, verbietet sich nach Einschätzung des Gerichts.
Berufung wurde zugelassen
Die 23. Kammer des Gerichts hat eine Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht "wegen grundsätzlicher Bedeutung" des Urteils zugelassen. Das Urteil ist also noch nicht rechtskräftig. Dennoch rechnen Beobachter damit, dass der Bezirk das Verbot zunächst aussetzt. Die CDU-Fraktion in Steglitz-Zehlendorf regte erneut ein saisonales Hundeverbot zwischen 16. April und 14. Oktober an sowie eine Leinenpflicht in der Zeit vom 15. Oktober bis 15. April "auf Grundlage des Grünanlagengesetzes". Auch Kläger Frank Kuehn sprach sich noch im Gericht dafür aus, in Gesprächen eine gütliche Regelung zwischen den Parteien zu finden.
Ob das Hundeverbot am See Sinn macht oder nicht, war nicht Thema der mündlichen Verhandlung. Verwaltungsrichter Stephan Groscurth interessierte sich vor allem für die Rechtsgrundlage des Verbots und erhob die Badestellendefinition zur Kernfrage der mündlichen Verhandlung. Das Bezirksamt hatte erklärt, eigentlich nur das geltende Hundegesetz anzuwenden. Danach dürfen an „gekennzeichneten Badestellen“ keine Hunde mitgeführt werden. Außerhalb gilt wie fast überall im Stadtgebiet der Leinenzwang. Weil das Gesetz aber de facto nicht durchzusetzen sei und und es erhebliche Konflikte zwischen den Nutzergruppen am See gebe, habe man zur „Klarstellung“ den gesamten Uferbereich der Seen, mit einer kleinen Ausnahme, zur Badestelle erklärt.
Benji, der Beagle, will am Ufer spazieren
Der Zehlendorfer Hundebesitzer Frank Kuehn hatte mit Verweis auf mögliche Widersprüche in der Verbotsbegründung gegen das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf geklagt. Der Unternehmer Kuehn besitzt einen vierjährigen Beagle namens Benji, der wie alle Hunde gern mal am See entlangspaziert. Und zwar auf dem Uferweg, Seit Mai darf er das nicht mehr.
Dem Bezirksamt, vertreten durch die Leiter von Rechts-, Umwelt- und Ordnungsamt sowie der Umweltstadträtin Christa Markl-Vieto (Grüne), waren diese Badestellen-Spitzfindigkeiten gar nicht recht. Schließlich gehe es um ein reales Problem, das einer klaren Regelung bedurfte, erklärte Markl-Vieto. Die Seen seien Badegewässer und gehörten damit vor allem den Badenden, die sich durch frei herumlaufende Hunde gestört fühlten. Der Leinenzwang, der eigentlich an den Seen gilt, werde nicht hinreichend beachtet. „Kleine Kinder passen nicht mit herumlaufenden Hunden zusammen.“ Groscurth bat um „Präzision“ bei der Argumentation. Wenn überall Leinenzwang gelte, warum werde der nicht durchgesetzt?
Willkür-Badestellen - bis zum Alexanderplatz
Der Anwalt von Kläger Kuehn, Gerhard Michael, erklärte, bei einer Badestelle liege die sinngebende Betonung auf "Stelle", es sei logisch kaum nachvollziehbar, einen Uferweg damit gleichzusetzen. „Dann würde es zu gewillkürten Badestellen kommen, am Ende wäre auch der Alexanderplatz eine Badestelle.“ Kurzes Kichern im Publikum, ansonsten blieben die Prozessbeobachter ruhig und diszipliniert. Niemand hatte seinen Hund mitgebracht, keiner erlaubte sich Zwischenrufe. Zum Schwatzen neigte vor allem Stadträtin Markl-Vieto und wurde dafür mehrfach vom Gericht und dem gegnerischen Anwalt gerügt. Der Fall Schlachtensee ist inzwischen überregional von Interesse. „Welt“-Kolumnist Henryk M. Broder verfolgte die Verhandlung und kokettierte in den Pausen mit seinem abgebrochenen Jurastudium.
Die Markierungen an den Seen bereiteten Groscurth und seinen Schöffen Kopfzerbrechen. Während an den Zugängen zu den Seen Schilder stehen, die auf Karten markierte Bereiche als Badestelle und damit Verbotszone ausweisen, gebe es an „Badestellen im engeren Sinne“ zusätzlich Pfähle mit der Bezeichnung „Badestelle“. Offenbar hat auch das Bezirksamt eine differenzierte Badestellen-Typologie. Groscurth fragte bewusst naiv, warum denn eine Badestelle mit einem durchgestrichenen Hund markiert werde statt einem Schwimmer-Piktogramm? Und warum müssten Badende vor Hunden geschützt werden, wenn sie sich außerhalb einer „Badestelle im engeren Sinne“ bewegen, also auf dem Uferweg?
Wenn Leinenzwang gilt, warum wird der nicht durchgesetzt?
Die Bezirksvertreter konnten dem Gericht nicht überzeugend erklären, warum es nicht reiche, den Leinenzwang am Ufer durchzusetzen. Markl-Vieto sagte, die Leinenpflicht habe sich als „nicht händelbar“ erwiesen. Überrascht wurden die Prozessbeobachter auch von der Erklärung des Umweltamtsleiters, es gehe bei dem Verbot gar nicht um die Badewasserqualität. Eher um den Schutz der Uferbereiche vor wühlenden Vierbeinern.