Debatte nach Schuss in Berlin-Humboldthain: Leinenpflicht ist vielen Hundehaltern egal
Die Leinenpflicht für Hunde ist umstritten – nur wenige Halter halten sich daran. Ab 2016 sollen stadtweit härtere Regeln gelten. Bislang werden aber nur wenige Verstöße geahndet.
Ob auf zwei oder vier Beinen: Auf dem Boxhagener Platz in Friedrichshain tobt dieser Tage das städtische Leben. Angestellte nutzen die staubige Wiese für eine Pause unter freiem Himmel, Touristen erholen sich bei Burger und Limo vom Shoppen.
Das Gartendenkmal ist das zentrale Naherholungsgebiet im Südkiez – nicht nur für die Menschen aus den angrenzenden Straßen, sondern auch für ihre vierbeinigen Lieblinge. Eine ganze Meute jagt kläffend über die Wiese. Die Hunde hetzen über Picknickdecken und springen über lesende Studenten. Die Besitzer sitzen derweil in einigem Abstand beim Bier auf der Parkbank. Keines der Tiere ist angeleint – obwohl das in Grünanlagen Pflicht ist und der Verstoß mit einem Bußgeld bestraft werden kann.
Das Hundeaufkommen war zeitweise so stark, dass das Bezirksamt wegen des "hohen Nutzungsdrucks" sogar ein Mitnahmeverbot verhängte – auch mit Leine haben Hunde dort eigentlich nichts mehr verloren. Ihre Besitzer interessiert das offenbar wenig. Genau wie die Mitarbeiter des Ordnungsamtes, die nebenan auf der Jagd nach Falschparkern umherstreifen.
Der Tod von "Danti" bewegt die Gemüter
Die Leinenpflicht für Hunde ist nicht nur in Friedrichshain ein Dauerthema. Diese Woche bewegt der Fall "Danti" die Gemüter – der Rhodesian Ridgeback war am Montagabend im Volkspark Humboldthain von einem Polizisten erschossen worden, weil er unangeleint auf ihn zugelaufen war.
Der Besitzer des Tiers organisiert nun Mahnwachen, um an Dantis Schicksal zu erinnern. In Zehlendorf gründeten sich unterdessen mehrere Bürgerinitiativen , um gegen das vom Bezirksamt verhängte Hundeverbot am Schlachtensee vorzugehen, auf einer Bürgerversammlung gab es Tumulte. Nun wird vor Gericht weitergestritten: Bis Ende des Jahres soll entschieden werden, ob das Hundeverbot am Schlachtensee rechtens ist.
Der Senat hatte sich im Februar nach langem Hin und Her inklusive Bürgerbeteiligung in Form eines "Bello-Dialogs" auf eine Verschärfung des Hundegesetzes geeinigt. Wie berichtet sind Hundehalter künftig generell verpflichtet, ihre Lieblinge in der Öffentlichkeit an die Leine zu nehmen – bisher galt dies nur für den öffentlichen Nahverkehr, Parkanlagen und besonders belebte Straßen.
Ausnahmen werden nur gemacht, wenn der Halter seine Sachkundigkeit durch einen "Hundeführerschein" nachweisen kann oder sein Tier seit drei Jahren ohne Zwischenfälle gehalten hat. Das Gesetz soll im Frühjahr 2016 in Kraft treten.
35 Hundeauslaufgebiete in Berlin
Die Tiere können sich nur in ausgewiesenen Hundeauslaufgebieten und Freilaufflächen völlig frei bewegen. Laut der Internetseite Berliner-Hundeauslaufgebiete.de gibt es 35 in Berlin. "Nennenswert sind aber eigentlich nur die großen Waldflächen am westlichen Stadtrand", sagt Thorsten Hofmann, der die Seite verantwortet.
Für viele Innenstädter sei der Weg zum nächsten Auslaufgebiet zu weit – daher fordert Hofmann "in Laufnähe erreichbare Freiflächen" für sämtliche Hundebesitzer Berlins. Er selbst sei sogar in die Nähe eines Auslaufgebiets gezogen, um seine Tiere so oft wie möglich von der Leine zu lassen, sagt Hofmann.
Die Leinenpflicht lehnt er ab: "Ein Hund muss ohne Leine sozialisiert werden, sonst wird er zur Gefahr." Um die Situation in den Parks zu entspannen, schlägt Hofmann feste Zeiten vor, in denen die Tiere angeleint werden müssen beziehungsweise frei laufen dürfen. "Wenn der Park stark frequentiert wird, werden die Hunde angeleint. In den Morgen- und Abendstunden ist leinenfrei." Das schärfere Hundegesetz sei "Quatsch", sagt er: "Wie soll das Gesetz mit dem vorhandenen Personal umgesetzt werden?"
500 Hundehalter mussten Bußgeld zahlen
Die Senatsverwaltung zählte im vergangenen Jahr rund 2000 Verstöße gegen das Gesetz – das sind im Schnitt sechs am Tag. Am Ende wurden in 500 Fällen Bußgelder in Höhe von 30 Euro und mehr verhängt, in 429 Fällen blieb es bei Verwarnungen. Bei rund 100 000 offiziell in Berlin gemeldeten Hunden ist davon auszugehen, dass die allermeisten Verstöße nicht gemeldet und verfolgt werden. Das wissen auch die Hundehalter vom Boxhagener Platz: Keine fünf Gehminuten entfernt ist an der Ecke Revaler Straße/Modersohnstraße ein Auslaufgebiet – nur kann man da nicht so schön klönen.
"Bitte anleinen, sonst besteht Totschlaggefahr": Lesen Sie hier unsere Geschichte der Hundehaltung in Berlin.
Heute viel Zeit? Wir haben davon auch noch eine besonders ausführliche Version.