Berlin-Charlottenburg: Ein Park am Westkreuz – oder ein neues Wohnquartier
Aus einem verwilderten Bahngelände am Charlottenburger Westkreuz will der Bezirk eine Parkanlage machen. Investoren planen Wohnungen. Wer hat das bessere Konzept?
Das verwilderte einstige Bahngelände nahe der Charlottenburger Rönnestraße und dem S-Bahnhof Westkreuz kennt kaum jemand – obwohl auch der Kurfürstendamm nur ein paar hundert Meter weit entfernt ist. Eine Brücke führt auf die von S- und Fernbahngleisen umgebene Brache mit Müllbergen, Ruinen alter Bahngebäude und Resten von Flak-Stellungen aus der Nazizeit. Jetzt soll das Areal endlich belebt werden.
Die rot-rot-grüne BVV-Mehrheit in Charlottenburg-Wilmersdorf und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung streben einen öffentlichen „Westkreuzpark“ an. Eine benachbarte Kleingartenkolonie soll erhalten bleiben. Noch aber gehören die Brache und die mehr als 300 Kleingärten der Deutschen Bahn. Und diese will lieber an einen Investor verkaufen. Ein Bahnsprecher wollte dazu nichts sagen. Dem Vernehmen nach wird mit drei Interessenten verhandelt. Einer davon ist der Projektentwickler Christian Gérôme, der selbst in der Nähe wohnt.
Der Unternehmer will 900 Wohnungen bauen, davon 220 für Sozialmieter
Er plant das „Quartier Westkreuz“ – eine Randbebauung mit 900 Wohnungen, darunter 220 Sozialwohnungen, neben der S-Bahn an der Rönnestraße. Erschließen möchte er die Siedlung über eine Rampe an der Holtzendorffstraße. Architektenentwürfe des Büros Patzschke + Partner zeigen achtstöckige Häuser, zwei 20-stöckige Kopfbauten und drei Häuser mit 16 Etagen. Angedacht sind auch ein Radweg, ein Teich, eine Kita – und ein öffentlich zugänglicher Park.
Gérôme argumentiert, sein Konzept sei in vieler Hinsicht vorteilhaft. Berlin brauche neue Wohnungen in guten Lagen. Bebaut würden aber nur 6000 der 30 000 Quadratmeter Fläche auf der Brache. So bleibe viel Platz für Grün. Berlin spare schätzungsweise mindestens 25 Millionen Euro, wenn es den Park nicht selbst anlege. Zusammen mit Geschäftspartnern und Banken will der Unternehmer mehr als 100 Millionen Euro investieren.
Kleingärtner loben den Investor
Den Kleingärtnern nebenan verspricht Gérôme einen 20-jährigen Bestandsschutz (außer für vier Lauben, die seinem Projekt im Weg stünden). Er hat sogar Vertreter der Pächter auf seiner Seite. „Gerümpel und Ruinen verschwinden, aber die Gärten bleiben erhalten“, lobt Klaus Klemm, Vorsitzender des Vereins Bahn-Landwirtschaft Charlottenburg. Der öffentlichen Hand vertraut Klemm weniger: „Ich frage mich, wie Bezirk oder Senat ihre Pläne finanzieren wollen.“
Das Bezirksamt lehnt Neubauten ab...
Der scheidende Bezirksbaustadtrat Marc Schulte (SPD) hält Wohnungsbau wegen des Bahnlärms für wenig sinnvoll. Dafür sei eine sehr hohe Schallschutzwand nötig. Gérôme sagt dagegen, die Gebäude könnten Lärm selbst abschirmen. Neben der Bahnlinie an der Rönnestraße wolle man die Treppenhäuser bauen; Wohnräume würden zur anderen Seite hin ausgerichtet. An der entfernteren Bahnstrecke nahe der Heilbronner Straße genüge eine kleine Lärmschutzwand.
...aber der Senat hält Wohnungen für denkbar
Berlins Stadtentwicklungsverwaltung teilte überraschend mit, dass ihr im Mai gestartetes Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans „zurzeit ruht“. Das Ziel war ein Park auf der ganzen Brache. Nun schließt man eine Teilbebauung nicht mehr aus. Weil Berlin dringend bezahlbare Wohnungen benötige, müsse „auch geprüft werden, welche Voraussetzungen ggf. für eine Wohnbebauung an diesem Ort geschaffen werden können“, heißt es. Damit weicht der Senat von der gemeinsamen Linie mit dem Bezirk ab.
Unberührt von dem Streit bleiben die Pläne für einen zweiten Eingang zum S-Bahnhof Westkreuz. Neue Wege sollen die Station mit der Rönne- und der Heilbronner Straße verbinden.