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Die roten Sessel stehen bereit. Regisseur Patrick Banush und Nora Kasparick von der „DaWanda Snuggery“ laden ins frühere Charlottenburger Kino „Klick“ ein.
© Thilo Rückeis

Berlin-Charlottenburg: Ein neues, altes Kino für die City West

Kinosterben - so heißt's immer: Nun bringen Patrick Banush und Nora Kasparick wieder Leben in das Filmtheater „Klick“ am Stuttgarter Platz. Im Mai planen sie acht Vorführungen – und es könnte mehr daraus werden.

Mehr als einen Beamer und ein Paar Lautsprecher brauche er nicht für ein mobiles Kino, sagt Patrick Banush. Mit seinem „Campingkino“ gastierte der Regisseur schon in der Kastanienallee in Prenzlauer Berg, in der Willner-Brauerei in Pankow und im Club „Prince Charles“ in Kreuzberg.

Ab Freitag kommt nun Charlottenburg an die Reihe. Denn als ihm jemand vor einiger Zeit in einem Café am Stuttgarter Platz vom einstigen Kino „Klick“ nebenan erzählte, war für Banush klar: Das ist der ideale Ort für sein nächstes Projekt.

Auf andere Weise kam Nora Kasparick in Kontakt mit dem ehemaligen Kino. Sie gehört zu den mehr als 100 Mitarbeitern der Berliner Firma DaWanda, die im Internet einen Marktplatz für selbstgemachte Produkte betreibt. Wegen der günstigeren Miete zog DaWanda vor drei Jahren aus Mitte an die Charlottenburger Windscheidstraße um. Als man unten im Haus Nummer 19 die „DaWanda Snuggery“ plante – einen Laden mit Café, in dem es Workshops und andere Veranstaltungen gibt –, wurde der Vorführsaal entdeckt.

Das „Mädchenkino“ ist auch für Männer

„Wir haben entstaubt und die Wände gestrichen, ansonsten war alles gut in Schuss“, sagt Kasparick, die sich als Kreativmanagerin mit der Nutzung der Räume beschäftigt. Jetzt arbeitet sie mit Banush zusammen. Vom 8. bis 30. Mai gibt es acht Filmabende – und im Erfolgsfall könnte daraus eine regelmäßige Filmreihe im Herbst werden. „Mädchenkino“ heißt das Projekt, der Name fiel Kasparick wegen der meist weiblichen Kundschaft ihres Ladens ein.

Doch das Programm ist keineswegs nur für Frauen gedacht: Es gibt Filmklassiker, aber auch neuere deutsche Independent-Filme – schließlich ist Banush selbst als Low-Budget-Regisseur aktiv. So wird am 22. Mai seine Komödie „Die Liebe und Viktor“ aus dem Jahr 2010 gezeigt.

Los geht es am Freitag mit „Love Steaks“ aus dem Jahr 2014, am Sonnabend folgt „Zur Sache, Schätzchen“ aus dem Jahr 1968 – einer der Filme, die Uschi Glas berühmt machten.

Knapp 30 Jahre alt ist die erste Folge der Fernsehserie „Kir Royal“ mit Senta Berger, Franz Xaver Kroetz, Mario Adorf und Dieter Hildebrandt, die als Hommage an den kürzlich verstorbenen Regisseur Helmut Dietl am 23. Mai gezeigt wird. Dazu soll dann natürlich auch Kir Royal an der Bar serviert werden.

Vor jeder Vorführung legt ein DJ auf

Überhaupt ist den beiden das Rahmenprogramm wichtig: Die Filme beginnen freitags und sonnabends um 20 Uhr, bereits zwei Stunden zuvor gibt es Musik vom befreundeten Diskjockey Hannes Lehmann, der sonst mit seinem Vater als DJ-Gespann „Lehmann & Sohn“ auftritt. Aufgelegt werden „nur Vinylsingles“, alle Songs aus den Jahren nach 1983 sind tabu.

Das passt zu Banush’ Zielgruppe. Er möchte insbesondere Charlottenburger Anwohner anlocken, die sich noch ans Klick erinnern. Dessen Geschichte reicht bis ins Jahr 1911 zurück, das Aus kam 2004 wegen Mietschulden. Das Filmtheater zeigte überwiegend ältere Werke.

Immer wieder kam dort die Musicalverfilmung „Hellzapoppin“ aus dem Jahr 1941 auf die Leinwand, wie Banush erfahren hat. Offenbar habe sich der Film am Stuttgarter Platz zu einer Art Kultstreifen entwickelt. Einigen Besuchern war das Klick vor allem durch die rustikale Kneipe im vorderen Teil bekannt, die in der Sommersaison auch Biergartenbänke herausstellte.

„Hier konnte man spätnachts noch abstürzen“

Die Gegend um den Stuttgarter Platz „war mal mit ihrer ungewöhnlichen Mischung aus Rotlichtmilieu und linkem Studenten- und Arbeiterkiez die erste Adresse, wenn es darum ging, in Charlottenburg spätnachts noch ein bisschen abzustürzen“, sagt Banush. In manchen Straßen fühlt sich der 42-Jährige an seine Geburtsstadt München erinnert. Die Gegend sei gutbürgerlich, stellenweise aber auch „ein bisschen schmutzig“ und biete „im Umkreis von drei Kilometern um den ,Stutti’ die spannendste Mischung in Berlin“, schwärmt der Filmemacher.

Nora Kasparick sagt, manche DaWanda-Mitarbeiter hätten den Wegzug des Unternehmens aus dem Szenebezirk Mitte zunächst bedauert, inzwischen überwiege aber die Meinung, dass es sich hier ebenso gut arbeiten und leben lasse.

Seinen nächsten Film dreht der Regisseur im Kiez

Die Independent-Filme hat Banush auf Freitage gelegt, „weil dann hier auch viele junge Leute arbeiten“. Wann er seinen nächsten Film dreht, weiß der Regisseur noch nicht. Vorgenommen hat er sich aber schon, in Charlottenburg zu drehen – vielleicht unter anderem im Lietzenseepark, der zu seinen Lieblingsorten gehört.

Der Kinosaal mit rund 80 Plätzen und das 140 Quadratmeter große Ladenlokal lassen sich auch für private Filmvorführungen, Feste oder andere Veranstaltungen mieten. „Ein paar Feiern hatten wir schon“, sagt Nora Kasparick.

- Das Programm steht unter www.maedchenkino.de. Beginn jeweils Fr. und Sa. um 20 Uhr (DJ-Musik ab 18 Uhr), Windscheidstraße 19, Eintritt 6 Euro; keine Reservierungen.
Wer den Kinosaal mieten will, kann Nora Kasparick kontaktieren (snuggery@dawanda.com, Tel. 609 873 03 14).

Filmbühne Wien über Royal-Palast bis zum Marmorhaus

Da ist er wieder: der Zoo-Palast wurde saniert und funktioniert.
Da ist er wieder: der Zoo-Palast wurde saniert und funktioniert.
© dpa

ÜBERLEBEN IM ABSEITS . Eine exponierte Lage ist in der Regel gut fürs Geschäft, manchmal sichert aber gerade der Hinterhof das Überleben. Läge die Astor Film Lounge direkt am Kurfürstendamm und nicht ein Stück zurück, wäre sie längst verschwunden. So aber ist kein Schaufenster zum Boulevard möglich – uninteressant für den Einzelhandel. Die anderen Ku’damm-Kinos aber (mit Ausnahme des unter französischer Obhut stehenden Cinema Paris): Umgewandelt zu Ladenflächen. Die bringen ganz andere Mieten, zudem liefen die Filmfreunde erst mal lieber in die neuen schicken Kinocenter der Nachwendezeit.

PRACHT VON GESTERN. In den vergangenen Jahrzehnten verschwunden am Boulevard und in der Umgebung sind die Filmbühne Wien (heute: Apple), das Astor (Tommy Hilfiger), das Hollywood, das Royal im Europa-Center, das Broadway, das Kuli im Ku’damm-Karree, das Studio am Adenauerplatz, Gloria und Gloriette, Marmorhaus, Lupe 1 und 2, schließlich die Kurbel, die jetzt einem Bioladen als Verkaufsraum dient. Ein Trauerspiel.

ZWEITES LEBEN. Zwei der Kinos in Ku’damm-Nähe haben aber überlebt, darunter das Flaggschiff der alten West-Berliner Kinokultur: der Zoo-Palast. Jahrzehntelang das zentrale Berlinale-Kino, aufwendig renoviert und Ende 2013 wiedereröffnet, hat er allen Kinoflauten bislang erfolgreich getrotzt und kann noch immer (und wieder) als eines der schönsten Kinos der Stadt gelten. Und auch das Delphi in der Kantstraße hat sich durch die schwierigen Kinojahre bislang stets mit Erfolg hindurchgeschlängelt.

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