Jakob Lass' "Love Steaks": Liebe wild und gefährlich
Die Liebe ist kein Schisser: Jakob Lass gibt in seinem Film "Love Steaks" der Liebe etwas von ihrer Rauheit zurück - und erhielt dafür den Max-Ophüls-Preis.
Das Geheimnis der Liebe ist wissenschaftlich ergründet. Wir wissen ganz gut, was los ist im Hirn, wenn die Wangen glühen, wir nicht mehr schlafen können und nur noch dümmlich grinsen: Vasopressin, Oxytocin, Spiegelneuronen, Hormone. Sogar sehen kann man die Liebe im Kopf. Zeigt man verknallten Probanden Fotos ihrer Angebeteten, leuchten im Computertomografen immer die gleichen vier Hirnareale. Auch der Frage, warum wir uns ausgerechnet in diesen oder jene verlieben, sind Neurologen, Psychologen und Soziologen auf der Spur. Aber bei aller Entmystifizierung bleibt die Liebe doch ein Urwald der Gefühle, das Paradies oder die Hölle.
Clemens (Franz Rogowski) und Lara (Lana Cooper) könnten unterschiedlicher nicht sein, kein Algorithmus würde sie je einander empfehlen. Er ist Masseur, ein ruhiger, nachdenklicher Typ, sie eine toughe Küchenhilfe. Er meditiert bei Sonnenaufgang, sie schläft im Suff am Strand ein. Sie tobt wie ein junger Hund, er massiert die Aura seiner Patienten. Lara spürt sich im Exzess, Clemens in der Kontemplation. Nicht mal riechen können sich die beiden – auch so eine Sache, die beim Verlieben eine Rolle spielen soll. Ihr Alltag ist durchreglementiert. Clemens schläft im Wäscheraum des Hotels und kämpft gegen wuschige Damen, die ihm während der Massage in den Schritt greifen, Lara muss sich gegen den harten Ton in der Küche behaupten. Das Diktat der Hotel-Hierarchie: Bloß nicht auffallen! Beide brechen die Regeln: Beginn einer amour fou.
Mit seinem auf dem Max-Ophüls-Festival preisgekrönten Debüt „Love Steaks“ hat Jakob Lass einen berührenden, wilden, witzigen Film geschaffen – und das Manifest dazu. FOGMA ist eine ironische Hommage an das Dogma-Manifest der dänischen Regisseure um Lars von Trier. „Love Steaks“ entstand an einem realen Ort mit realen Abläufen, ohne Drehbuch, aber mit festen Drehzeiten. FOGMA versteht sich als Kampf gegen die Panikstarre, mit Mut zum Risiko, zur Freiheit.
Lass fand ein Hotel, dessen Besitzer den Dreh in den Arbeitsalltag integrierte. Beide Hauptdarsteller – auch sie Kinodebütanten – absolvierten Praktika in ihren Arbeitsbereichen. Hotelgäste, Küchenhilfen und Serviceangestellte machten das, was sie ohne Kamera auch tun. Gedreht wurde mit natürlichem Licht und ohne Maske, das Team wohnte im Hotel.
Wie viel Mitwissen verträgt die Liebe?
Der Filmtitel spielt auf eine Szene nachts in der Küche an. Lara will von Clemens wissen: Blut- oder Fleischpenis? Wie bitte? Blutpenisse, erklärt sie, seien in schlaffem Zustand klein, Fleischpenisse dagegen groß, dafür wachsen sie nicht mehr sonderlich – und schon muss der nackte Clemens zwecks Evaluierung in den Kühlraum. Kaum kippt die Szene ins Zärtliche, jagt Lara Clemens durch die Küche, rauft mit ihm. Neckt sie nur, lügt sie? Gibt sie jemals etwas von sich preis?
Von Beginn an dominiert Lara das Verhältnis, Clemens ist ihr mit seinen aufrichtigen Gefühlen ausgeliefert. Und noch etwas belastet die Liebe: Lara ist Trinkerin. In den Arbeitspausen geht sie an ihren Spind und bedient sich am Flachmann, immerfort stößt sie mit Gästen an und trinkt den Rotwein, der eigentlich für den Coq au vin vorgesehen ist. Der Chef weiß von nichts, die Hilfsköche werden zu Laras Komplizen, sie lässt sich gängeln. Irgendwann wird es knallen in der Großküche, das steht fest.
Wie viel Mitwissen verträgt die Liebe? Wie viel wissenschaftliche Entzauberung? „Love Steaks“ gibt der Liebe etwas von ihrer Rauheit zurück, von ihrer Unbändigkeit, ihrem „Es ist, was es ist“. In einer Welt voller Selbstoptimierungs- und Funktionszwänge, in der der Partner zu den Schuhen passen soll, erfindet der Film ein ungestümes Chaospärchen, dessen Beziehung allem Zerstörungspotenzial trotzt. Sei kein Schisser, sagt er, trau dich.
Eiszeit, Filmtheater am Friedrichshain, Kino in der Kulturbrauerei. Mit engl. UT: Hackesche Höfe, Rollberg
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