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Berlin baute zuletzt 13.000 Wohnungen – also nur halb so viele Wohnungen, wie statistisch gebraucht werden.
© Kitty Kleist-Heinrich

Wohnen in Berlin: Bezirke fühlen sich bei Mieterberatung vom Senat überrumpelt

Die Senatorin für Wohnen, Katrin Lompscher, fordert Hilfe für Berliner, die in Mietstreitigkeiten stecken. Die Bezirke beklagen, es mangele ihnen dafür an Geld und Mitarbeitern.

Berlins Bezirke verhelfen dem Mieterverein zu einer unverhofften Expansion. Zumindest wenn es nach dem Willen der Senatorin für Wohnen, Katrin Lompscher, geht. Die Linken-Politikerin fordert in der Neuauflage des „Bündnisses für Neubau“ mit dem Senat „in jedem Bezirksamt eine Mieterberatung“, die „mindestens im Umfang von 38 Stunden in der Woche je Bezirksamt“ Berlinern aus Mietstreitigkeiten heraushilft. Viele Bezirke fühlen sich überrumpelt und wissen nicht, woher sie Geld und Personal für die neue Aufgabe hernehmen sollen.

Die Mieterberatung von Amts wegen steht im Vertrag zum Wohnungsneubau, mit dem sich die zwölf Bezirke dem Senat gegenüber zur Realisierung konkreter Bauprojekte verpflichten sollen. Nach dem Willen der Lompscher-Verwaltung sollten diese längst unterzeichnet sein. Doch der Rücklauf stockt, auch nach zweimaliger Fristverlängerung, und es gibt immer noch Streit.

Zu wenig Personal für die Umsetzung

„Die Vereinbarung ist in ihren Auswirkungen völlig unkalkulierbar“, lässt ein Bezirk schriftlich wissen. „Erheblicher Verwaltungsaufwand für Berichtspflichten“ zum Planungsstand neuer Quartiere, neue „Beteiligungsverfahren“ für die Bürger und die Benennung eines Ansprechpartners für den Senat. Eigentlich soll der Vertrag der Ankurbelung des Neubaus dienen, dazu hatte Berlins Regierender Michael Müller (SPD) in seiner Zeit als Stadtentwicklungssenator den Vertrag ersonnen. Er soll nun auch die Neuauflage gefordert haben, weil er unzufrieden mit der geringen Zahl an Neubauten und Lompschers Fokussierung auf Bürgerbeteiligung und Mieterschutz sei. Berlin wuchs zuletzt um 60.000 Menschen im Jahr, die statistisch 25.000 Wohnungen bräuchten. Fertiggestellt werden aber nur rund 13.000 Wohnungen im Jahr.

Die "zügige Entwicklung neuer Stadtquartiere" war auch am Donnerstag im Abgeordnetenhaus Thema. In einem Antrag der SPD-, Linken und Grünen-Fraktion soll der Senat aufgefordert werden, den Wohnungsbau auf elf konkreten Gebieten voranzutreiben, darunter das 96 Hektar große Gebiet Lichterfelde Süd sowie in Spandau die "Wasserstadt Oberhavel". Ebenfalls ansprochen wird das Vorkaufsrecht, mit dem aktiv der Erwerb neuer Flächen betrieben werden soll. In den letzten Jahren wuchs die Stadtbevölkerung um jährlich rund 40.000 Personen. Ein Ende dieses Wachstums ist nicht abzusehen." Bei Neubauprojekten solle aber die gemischte Stadtstruktur Berlins erhalten bleiben.

Den Bezirken fehlen Mitarbeiter

Bei einem Rundruf unter den Bezirken beklagen viele: Es fehle ihnen an Mitarbeitern, um die zusätzlich geforderte Mieterberatung anbieten zu können, „dazu sind wir gar nicht in der Lage“, sagt etwa der Stadtrat für Stadtentwicklung aus Neukölln, Jochen Biedermann (Grüne). Sein Kollege aus Charlottenburg-Wilmersdorf sieht das ähnlich: „Ohne zusätzliches Personal ist die Vereinbarung nicht umsetzbar“, sagt Oliver Schruoffeneger (Grüne). Aus Steglitz-Zehlendorf ist zu hören: „Es werden immer wieder neue Ideen entwickelt und wir sollen sie mit dem gleichen Personal stemmen“, sagt Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski (CDU). Kein Wunder, dass das Tauziehen mit dem Senat andauert.

Zumal auch grundsätzliche Kritik laut wird, einige Vorschläge griffen in das Selbstverwaltungsprinzip der Bezirke ein: „Wie wir Beratungen durchführen, wie wir Rückmeldungen koordinieren, das ist unsere Sache“, sagt Schruoffeneger. In Spandau will der Stadtrat für Stadtentwicklung Frank Bewig (CDU) vor allem klarer definieren, was der Senat seinerseits in das Bündnis einbringen will. Bewig regt an, der Senat solle eine zentrale Anlaufstelle für die Bezirke einrichten, die bereits bestehende Wohnungsbauleitstelle könne dazu dienen.

Zu wenig Neubau von Sozialwohnungen

Der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sind „Beschwerden darüber, dass der Verwaltungsaufwand die Prämien auffresse, nicht bekannt“. Alle Bezirke seien „aufgeschlossen“. Die vorliegenden Verträge enthielten Vorschläge. Der Senat habe die Mittel für die Bezirke von fünf auf 7,5 Millionen Euro im Jahr aufgestockt. Den Verträgen angehängt sind Listen mit konkreten Flächen, auf denen Wohnungen entstehen sollen. Gerüchte, wonach Kleingärten der Neubau-Offensive weichen müssen, bestätigten die Bezirke nicht. Streit gibt es um die „Kolonie Hohenzollerndamm“ in Wilmersdorf, die der Bezirk nicht aufgeben will, der Senat aber listet.

Den „viel zu geringen Neubau von Sozialwohnungen“ beklagt auch der Berliner Mieterverein. Aber der freut sich über die Ausweitung seines Geschäftsfeldes: „Fünf Bezirke bieten die Mieterberatung schon an“, sagt Hauptgeschäftsführer Reiner Wild, aber nicht annähernd in dem nun geforderten Umfang. Die Rechtsanwälte habe der Mieterverein gestellt. Dass nun jeder Bezirk täglich Beratungen anbieten soll, überrascht ihn. Das sei möglich, es werde aber dauern, bis die dafür erforderlichen Rechtsanwälte bereitstehen. Die bisher im Haushalt dafür gehandelten 100.000 Euro im Jahr reichen für einen einzigen Bezirk.

Dabei ist Geld Lompschers Köder für die Bezirke: Wer unterschreibt, bekommt den „Grundstock von 100.000 Euro“. Weitere Mittel würden „prozentual nach Wohnungsbaupotenzial und an Baugenehmigungszahlen und Meilensteine gebunden“. Doch das wirft bei vielen Bezirken vor allem Fragen auf: Mit wie viel Geld können sie am Ende tatsächlich rechnen, um die vielen neuen, zusätzlichen Aufgaben leisten zu können?

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