Schulplätze für Berliner Siebtklässler: Bezirk wehrt sich gegen größere Klassen
Mindestens 50 Siebtklässler haben noch keinen Schulplatz. Über eine Stunde Fahrweg gilt als nicht zumutbar. Für die andere Hälfte zeichnet sich eine Lösung ab.
Der Konflikt um die Unterbringung von 100 Siebtklässlern ist noch immer nicht gelöst. Die Senatsverwaltung für Bildung und der Bezirk Treptow-Köpenick rangen am Dienstag vergeblich um eine Einigung und schoben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Die Bildungsverwaltung wollte am Abend „keine Zwischenstandsmeldungen absetzen“, allerdings warten die betroffenen Familien dringend auf Informationen, denn das Schuljahr ist in vier Wochen zu Ende: Selbst die zugesagten Zwischenbescheide sind bisher noch nicht bei allen angekommen.
Für die Hälfte der Kinder zeichnet sich nach Informationen des Tagesspiegels eine Lösung ab: Eine zusätzliche Klasse gibt es in Marzahn-Hellersdorf, eine weitere könnte es an der Köpenicker Wilhelm-Bölsche-Schule geben. Somit ginge es noch um 50 Schüler, die unversorgt sind.
Die Bildungsverwaltung erwartet von Treptow-Köpenick, dass es statt der empfohlenen 25 Kinder die maximal zulässigen 26 pro Klasse aufnimmt. Dagegen wehrt sich Bildungsstadträtin Cornelia Flader (CDU), zumal Plätze für Rückläufer von Gymnasien freizuhalten sind: Andersfalls müssen diese Kinder in reinen Rückläuferklassen zusammengefasst werden.
Nur noch 225 Schüler an der Flatow-Schule
Unklar blieb am Dienstag, warum die Bildungsverwaltung nicht die freien Kapazitäten an der Köpenicker Flatow-Schule nutzt: Die Spezialschule des Sports untersteht der Trägerschaft des Landes, womit die Bildungsverwaltung zuständig ist. Laut offiziellem Schulporträt ist die Zahl der Flatow-Schüler seit 2011 von 300 auf 225 gesunken – mithin wäre rein rechnerisch Platz, weil das Schulprofil nicht mehr so angenommen wird wie früher. Denkbar wäre, diese Klassen als Filiale einer benachbarten Bezirksschule zu führen. Der Standort hätte zudem den Vorteil, dass er für die unversorgten Bezirkskinder gut erreichbar wäre.
Die Frage, warum die Bildungsverwaltung dieser Option bisher nicht zugestimmt hat, wurde offiziell nicht beantwortet. Schulleiter schließen nicht aus, dass die vollen Klassen, die der Raumnot entspringen, der Bildungsverwaltung ganz gelegen kommen: Sie spare mit vollen Klassen Lehrerstellen.
Dem Vernehmen nach gehörte es auch zum "Prüfauftrag" der Bildungsverwaltung, nach Kapazitäten im Schul- und Sportleistungszentrum in Lichtenberg zu fahnden. Wie viele freie Plätze es dort gibt, war am Abend nicht mehr zu klären. Den Vorwurf der Bildungsverwaltung, dass Flader ihre Verantwortung „abschiebe“, ließ die Stadträtin nicht gelten: Sie habe – gemessen an den Sechstklässlern des Bezirks – genug Oberschulplätze zur Verfügung gestellt.
Auch in Lichtenberg fehlen Plätze
Tatsächlich ist der stark steigende Bedarf schwer abschätzbar, zumal die Oberschulplätze nicht nach Einzugsbieten verteilt werden. Nur die Kinder, die keinen Platz an einer ihrer drei Wunschschulen finden, haben Anspruch auf einen Platz in ihrem Heimatbezirk. Dies galt nicht nur für 75 Kinder aus Treptow-Köpenick, sondern auch für 25 Schüler aus Lichtenberg, die nun aber offenbar nach Marzahn-Hellersdorf ausweichen können.
Oberschülern sind laut Verordnung Schulwege von bis zu einer Stunde zumutbar. Für einen großflächigen Bezirk wie Treptow-Köpenick bedeutet das, dass Schulen in geburtenarmen Gegenden wie dem Grunewald unversorgten Schülern nicht angeboten werden dürfen - jedenfalls hätte dies vor Gericht keinen Bestand.
Mit der BVG von Pankow nach Dahlem
Anders ist dies etwa in Pankow: Dieser kinderreiche Bezirk kann bei weitem nicht alle Kinder versorgen, ist jedoch per U-Bahn so gut angeboten und reicht zum Teil so weit in die Stadtmitte, dass Pankower Sekundarschüler dieses Jahr sogar bis nach Dahlem Dorf vermittelt werden konnten: "Wir haben dankenswerter Weise elf Plätze von Steglitz-Zehlendorf bekommen", berichtet Pankow Bildungsstadtrat Torsten Kühne (CDU). Bei den Gymnasien sei es inzwischen schon "Tradition", dass Pankower Schüler "bis in den Grunewald" beschult würden.
Aufgrund seines Schülerreichtums sieht sich Pankow schon seit "mindestens zehn Jahren" nicht in der Lage, die Sekundarschulklassen mit weniger als 26 Kindern einzurichten, erläutert Kühne die Zwänge seines Schulamtes: "Wir sind froh, überhaupt alle Schüler versorgen zu können". Andere Bezirke wie Marzahn-Hellersdorf hatten all die Jahre etliche Plätze übrig.
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