Michael Müller: Berlins Regierender schließt Neuwahlen nicht aus
Berlins SPD-Chef und Regierender Bürgermeister ist unzufrieden mit den Ergebnissen der Groko-Sondierung. Bei Wohnen, Zuwanderung und Integration sieht Michael Müller Verbesserungsbedarf.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sieht eine erneute Große Koalition mit der Union „sehr kritisch“. Müller, Mitglied im Bundespräsidium der Partei und amtierender Bundesratspräsident, sagte im Interview mit dem Tagesspiegel: „Es gab ein klares Wählervotum, beiden Koalitionspartnern gegenüber. Dieselbe Koalition mit derselben Politik ist darauf keine adäquate Antwort. Eine Fortführung ohne entscheidende Veränderungen überzeugt mich deshalb noch nicht.“
Er sehe in dem Sondierungspapier zwar „gute Ansätze“ in der Bildungspolitik und für bessere Arbeit und Ausbildung. Aber: „Bei Wohnen, Zuwanderung und Integration geht es so nicht“, sagte Müller. „Die Bürgerversicherung fehlt ganz. Viel zu tun also.“ Neuwahlen schloss Müller „über kurz oder lang“ nicht aus.
Müller fordert externe Berater für eine digitale Verwaltung
Als Regierender Bürgermeister kündigte Müller an, in diesem Jahr vor allem Berlins Verwaltung moderner und digitaler zu machen. „Die dringend nötige Digitalisierung der Verwaltung ist bisher erst ansatzweise zu erkennen“, beklagte Müller. „Das Land arbeitet immer noch mit zu vielen verschiedenen IT-Systemen, das ist ein Riesenproblem.“ Die IT-Staatssekretärin sei ein erstes Signal gewesen. „Aber es bricht uns kein Zacken aus der Krone, wenn wir über weitere Unterstützung oder eine andere Struktur nachdenken“, regte Müller an. Ressortübergreifende Expertenteams oder externe Dienstleister könnten helfen. Wichtige Player wie SAP, IBM oder Microsoft hätten ihn bereits darauf angesprochen.
"Der Senat braucht wieder ein Eingriffsrecht"
Müller forderte im Tagesspiegel eine Neuordnung der Beziehungen zwischen dem Land Berlin und den Bezirken. „Der Senat braucht wieder ein wirksames Eingriffsrecht, wie es das bis 2000 gab“, sagte Müller. „Dafür müssen gegebenenfalls die Gesetze geändert werden.“ In Streitfällen müsse der Senat entscheiden können, „dafür ist Regierungspolitik da“. Das müsse bei einem Wohnungsbauprojekt ab einer bestimmten Größe gelten. Oder ab einer bestimmten Verfahrensdauer: „Wenn etwas ein Jahr lang im Bezirk nicht vorangeht, landet es eben auf Landesebene“, sagte Müller.
Der Regierungschef forderte Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) zu mehr Tempo beim Wohnungsbau auf. „Ich glaube, alle Akteure müssen erstmal ein deutliches Signal setzen, dass sie Wohnungsbau auch wirklich wollen. Dieser Wille scheint mir nicht bei allen ausgeprägt genug zu sein“, sagte Müller. Die Stadtentwicklungsverwaltung sei in der Pflicht, ihrer koordinierenden Funktion zwischen Bezirken, Landesebene und privaten Investoren nachzukommen.
"Für mehr Straßen ist der Raum nicht da"
In der heftig umstrittenen Verkehrspolitik sprach sich Müller für einen neuen Mix aus. „Wir werden für immer mehr Menschen in einer wachsenden Stadt nicht immer mehr Straßen für das Auto bauen können. Dafür ist der Raum nicht da.“ Und die Bürger klagten ihre berechtigten Ansprüche auf saubere Luft vor Gericht ein. „Die Zukunft liegt deshalb in der Vernetzung: zwischen Carsharing und öffentlichem Nahverkehr, zwischen Lieferfahrzeugen und der Feinverteilung auch per Lastenrad.“ Für den öffentlichen Personennahverkehr kündigte Müller günstigere Angebote für die Schülerinnen und Schüler an, etwa beim Geschwisterticket.
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