Wohnen in der Hauptstadt: Berlins Wohnungsnot ist das Ergebnis rot-rot-grüner Politik
Im wachsenden Berlin werden viel zu wenig Wohnungen gebaut. Ein Jahr Rot-Rot-Grün war ein verlorenes Jahr für Wohnungssuchende. Ein Kommentar.
Langmut mit dem Dienstherren, das wissen Manager in Berlins städtischen Wohnungsgesellschaften, ist unabdingbar, will man den Job nicht gefährden. Es muss viel passieren, bis man dort die Geduld verliert. Sich wie kürzlich per Brief bei Bausenatorin Katrin Lompscher zu beklagen, dass es beim Neubau nicht vorangeht, das gab es noch nie. Angesichts der Wohnungsnot müsse ein klares Signal her, es müsse nur noch über das „Wie“ und nicht mehr über das „Ob“ von Neubauten diskutiert werden – ein desaströses Urteil.
Dramatischer kann man nicht ausdrücken, was immer noch schief läuft in der Stadt, die jährlich um 50.000 Menschen wächst. Für alle Berliner, die bezahlbare Wohnungen suchen, ist die Bilanz der rot-rot-grünen Koalition ein verlorenes Jahr. Der gestern vom Senat „zur Kenntnis“ genommene Zwischenbericht zum Stadtentwicklungsplan Wohnen ist reine Schönfärberei; es werden fabelhaft klingende Leitlinien präsentiert und 100.000 neue Wohnungen in den kommenden fünf Jahren anvisiert. Zu den Grundproblemen aber, die eine Bauoffensive in der Realität verhindern, fehlt jedes Wort.
Kaum etwas illustriert das Drama besser als der von Lompscher eingerichtete Begleitkreis für den Entwicklungsplan. Unter den 29 Personen sind Bezirkspolitiker, Baugenossenschaften, Wohlfahrtsverbände, linke politische Initiativen und Architekten – aber nur ein Vertreter einer städtischen Wohnungsgesellschaft und die Vorständlerin des Verbands der Wohnungsunternehmen. Private Unternehmer, die selber bauen, und die unverzichtbar sind, um die Wohnungsmisere zu beheben, fehlen dagegen völlig.
Lompschers Behörde macht es Bauherren schwer
Dabei könnten die Unternehmer viel dazu sagen, warum Bauen so schwierig ist. Lompschers Behörde macht es etwa Bauherren schwer, Gebäude aufzustocken. Selbst der Dachgeschossausbau wird in einzelnen Bezirken erschwert. Die rot-rot-grüne Koalition hat daneben mit dem „kooperativen Baulandmodell“ verfügt, dass es vielfach nur Baugenehmigungen gibt, wenn 30 Prozent der Wohnungen belegungs- und preisgebunden an einkommensschwächere Mieter vergeben werden. Der sozial sinnvolle Gedanke führt freilich dazu, dass Unternehmer verstärkt darauf verzichten, in Berlin zu bauen und ins Umland drängen. In Berlin dagegen stagniert die Zahl der Baugenehmigungen. Die in diesem und im kommenden Jahr fertig werdenden Wohnungen wurden noch von Lompschers Vorgängern auf dem Weg gebracht.
Dabei hat sich für den Senat die Situation noch verschärft, weil tausende fest eingeplante Wohnungen durch den verlorenen Volksentscheid in Tegel nun nicht gebaut werden können. Mehr als eine zaghafte Anmerkung des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller nach der Niederlage, dass nun über eine von den Grünen bislang verhinderte Bebauung der Elisabeth-Aue in Pankow gesprochen werden muss, kam bislang aber nicht.
Klassenkampf: Berliner gegen Zuzügler
Dabei sind fehlende Flächen nicht einmal das größte Problem. Die städtischen Unternehmen, die unter dem politischen Druck stehen, bis 2021 rund 30.000 Wohnungen zu errichten, beklagen bürokratische Hürden und unwillige Bezirksverwaltungen, die teilweise eine grundsätzlich ablehnende Haltung zu Neubauprojekten hätten. Auch eine mögliche Verdichtung von bestehenden innerstädtischen Quartieren stockt, weil die linke Bausenatorin ganz klar mit Blick auf ihre Klientel die Bedenken und Vorbehalte der von Neubauplänen Betroffenen eindeutig stärker gewichtet als das Ziel des Neubaus. Da gibt dann mancher Bauherr einfach auf und auch die städtischen Gesellschaften befürchten jahrelange Verzögerungen.
Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ähnelt deswegen immer mehr einem Klassenkampf: eingeborene Berliner gegen die Zuzügler. Weltoffene Stadt? Bleibt bloß weg, ist das Signal. Das mag der Bausenatorin gefallen. Die Kritik des Brandbriefs hat sie zurückgewiesen. Dem Regierenden und den Grünen, die immerhin die Wirtschaftssenatorin stellen, darf das nicht egal sein. Dass der Senat den potemkischen Stadtentwicklungsplan „zur Kenntnis genommen“ hat, ist ein Unding.