zum Hauptinhalt
Jobmotor. Der Autobauer Daimler erhält von Mitarbeitern des Werkes in Marienfelde besonders gute Noten.
© Amin Akhtar/laif

„Happiness Index“: Berlins Arbeitnehmer sind am zufriedensten

Bei einer Erhebung der Bewertungsplattform Kununu schneiden die Arbeitgeber in Berlin besonders gut ab. Besonders zufrieden sind die Beschäftigten bei Daimler.

Ins Büro kommen und gehen, wie es einem passt – oder ein Hundekörbchen neben dem Büroschreibtisch? Darauf legen offenbar mehr Arbeitnehmer Wert als beispielsweise auf einen Firmenwagen. Und in Berlin ist die Dichte an Arbeitgebern, die derartige Wünsche erfüllen, so hoch wie in keinem anderen Bundesland. Das geht aus Daten des Arbeitgeberbewertungsportals Kununu hervor, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegen.

Das Portal hat fast 145.000 Nutzerbewertungen der vergangenen zwölf Monate ausgewertet. Arbeitnehmer konnten ihre Arbeitsstätten mit einem Punkt (unzufrieden) bis fünf Punkten (sehr zufrieden) bewerten. Berlin liegt mit seinen durchschnittlich 3,79 Punkten vorn, dicht gefolgt von Arbeitgebern in Hamburg mit 3,78 und in Bayern mit 3,76 Punkten. Den letzten Platz belegt Sachsen-Anhalt mit 3,38 Punkten.

„Berlin zieht die Nachwuchstalente aus dem In- und Ausland an, in der Metropole finden sich renommierte Arbeitgeber und viele Neuansiedelungen“, interpretiert Anne Juliane Wirth, die Sprecherin des Online-Portals, das Ergebnis. Auch die Start-Up-Szene, deren Herz in Berlin schlägt, sei sehr lebendig. Laut Deutschem Startup-Monitor, einer Statistik des Bundesverbands Deutscher Startups, sitzen fast 16 Prozent aller Start-Ups in Berlin. In Sachsen-Anhalt sind es nur knapp zwei Prozent.

Gleichwohl sind die jungen Tech-Firmen nicht per se gute Arbeitgeber. Oft genug verletzen sie grundlegende Arbeitnehmerrechte, zahlen nur unterdurchschnittlich, erwarten aber wie selbstverständlich Überstunden. Klingt wenig verlockend. Doch gerade für junge, gut ausgebildete Arbeitnehmer entwickeln sich in Start-ups oft schneller Chancen als in großen Unternehmen.

„Die Arbeit wird mit einer immensen Portion Leidenschaft gemacht, manchmal muss das die Vergütung kompensieren“, sagt Lukas Breitenbach von der Standortförderagentur Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie. Es gehe zwar mit geringeren Einstiegsgehältern los, dafür seien die Aufstiegschancen größer. Gleichzeitig zögen Talente auch in renommierten Unternehmen weitere Talente an.

Den Startups fehlt es an Betriebsräten

Womöglich fehlt es jungen Mitarbeitern aber auch noch an Bewusstsein dafür, welche Rechte sie wahrnehmen könnten und sollten. „Junge Arbeitnehmer realisieren das oft erst später“, sagt Andreas Splanemann von der Gewerkschaft Verdi. Manche erst, wenn Familiengründung ansteht oder wenn sie längerfristig erkranken. Häufig fehle es den jungen Unternehmen an Betriebsräten. Die Rechtsberatung der Gewerkschaften werde oft dann in Anspruch genommen, wenn Unternehmen ins Trudeln geraten und Gehälter nicht bezahlt werden.

Große Unternehmen wie die Deutsche Bahn profitieren mit zeitlich begrenzten Projektausschreibungen zur Digitalisierung von der Arbeitsweise von Start-ups. Splanemann kritisiert, dass erstere damit das kreative Potential ausnutzen, aber keine langfristigen Bindungen mit Arbeitnehmern eingehen. „Die Kleinen tragen allein das Risiko“, sagt er.

Hinzu kommt womöglich auch der Standort: Die Berliner Lebenshaltungskosten sind, trotz massiver Mietanstiege in den letzten Jahren, verhältnismäßig bezahlbar. Vor allem im Vergleich zu anderen Großstädten wie Frankfurt am Main oder München. Auch die vielen Kulturangebote machen Berlin für junge Menschen interessant. „Berlin ist nicht nur eine gute Stadt um zu arbeiten, sondern auch, um zu leben“, wirbt Breitenbach von den Berlin Partnern.

Die BVG schneiden eher schlecht ab

Auf dem Happiness-Index zeigt sich aber auch: Start-ups allein erklären nicht, warum Berlins Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so zufrieden sind. Besonders oft werden auf der Website große Unternehmen bewertet. In Berlin sind es zum Beispiel die Deutsche Bahn (3,5 Punkte auf der Skala von 1 bis 5) oder die BVG. Die landeseigenen Verkehrsbetriebe schneiden mit nur 2,6 Punkten bei Kununu eher schlecht ab.

Besonders gut steht hingegen Daimler mit 3,9 Punkten da. 2500 Mitarbeiter fertigen im Werk in Marienfelde Teile für die Marke Mercedes-Benz des Stuttgarter Autokonzerns. Der Arbeitsunfall mit einem Todesopfer Mitte Juli hatte bisher keine Auswirkung auf die Benotung bei dem Portal.

Aber was genau wünschen sich die Angestellten von ihrem Betrieb? Da auf der Website detaillierte Bewertungen möglich sind, erfasst Kununu auch hierzu Daten. Die beziehen sich allerdings auf alle Arbeitgeber in Deutschland, nicht nur auf die aus Berlin. Am wichtigsten sind Arbeitnehmern flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten und, tatsächlich, dass im Büro Hunde geduldet sind. Gute Bezahlung ist also nicht alles.

Nur 14,6 Prozent der Arbeitgeber erlauben Bürohunde

Nicht immer aber stimmt das, was sich die Angestellten wünschen, auch mit dem überein, was angeboten wird. So liegen Angebot und Nachfrage relativ nah beieinander, wenn es um flexible Zeiten und Homeoffice geht. Bei Bürohunden sieht es schon anders aus: Jeder vierte (knapp 27 Prozent) wünscht sich eine Erlaubnis, den Vierbeiner mitzubringen. Nur 14,6 Prozent der Arbeitgeber erlauben es. Besonders groß ist die Diskrepanz bei Arbeitgeberangeboten wie Parkplätzen, Internet oder „Events“ für Mitarbeiter. Viele bieten das an, kaum jemand braucht oder wünscht es sich.

Da es sich bei den Zahlen um Online-Bewertungen handelt, sind sie nicht repräsentativ. Gleichwohl haben mit 144.000 Nutzern recht viele Personen abgestimmt. Berlin Partner und Verdi wollen die Zahlen nicht überbewerten. Bei einer Online-Umfrage lasse sich kaum bestimmen, wer womöglich mehrfach abgestimmt habe und schwer überprüfen, wie ernsthaft die gemachten Angaben sind. Stimmt natürlich. Und doch scheinen die Ergebnisse in der Tendenz andere Analysen aus der Arbeitswelt zu belegen: Wichtiger als Parkplatz oder Prämie ist es Arbeitnehmern heute, ihr Arbeitsumfeld individuell mitgestalten zu können.

Anima Müller

Zur Startseite