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Aus der Innenperspektive. Bei der Recherche im Netz findet man nicht mehr als subjektive Erfahrungen von Mitarbeitern.
© A3634 F. Gentsch/dpa

Jobsuche: Der Arbeitgeber-Check

Gutes Betriebsklima, Aufstiegschancen, Gehalt okay: Auf Plattformen wie Kununu bewerten Mitarbeiter ihren Arbeitgeber. Wer einen Job sucht, kann davon profitieren.

Hier große Zufriedenheit, da viel Gemecker: Wer sich durch Arbeitgeber-Bewertungsportale wie Glassdoor, Kununu oder MeinChef klickt, sieht schnell die ganze Bandbreite von Lob und Tadel. Da feiert einer seinen „Top Arbeitgeber“ und schreibt von Projekten, „die mich fordern, fördern und erfüllen“. Ein anderer hält sein Gehalt für „einigermaßen gutes Geld“, kritisiert den „Sparzwang in den Abteilungen“ und schlägt dem Unternehmen vor, für eine Verbesserung des Klimas zu sorgen. Wieder ein anderer übt harsche Kritik: Jeder Fehler werde „konsequent bestraft“, Mitarbeiter „eingeschüchtert bis zur völligen Aufgabe“.

Was andere denken, interessiert viele, nicht nur bei Reisen, Restaurants und Online-Shopping – sondern auch auf dem Arbeitsmarkt. Für Jobsuchende haben die Portale durchaus Vorteile, sagt Juliane Petrich, Expertin für Bildung beim IT-Verband Bitkom. „Man hat die Möglichkeit, das Unternehmen von einer anderen Seite kennenzulernen als über die zumeist sehr positive Selbstdarstellung.“ Allerdings sieht sie auch das Problem, „dass vereinzelt frustrierte Arbeitnehmer, die das Unternehmen bereits verlassen haben, solche Bewertungsplattformen nutzen, um ihrem Unmut Luft zu machen“.

Mehr Lob als Ärger

Kununu, die nach eigenen Angaben größte Plattform ihrer Art in Europa, hat mehr als 2,4 Millionen Bewertungen zu mehr als 630 000 Arbeitgebern gesammelt. Etwa zwei Drittel davon seien positiver Natur, sagt Johannes Prüller, Sprecher des Wiener Unternehmens. Offenbar posten hier also nicht nur die Unzufriedenen. Wer dem Ex-Chef eins auswischen will, kann aber auch an den Kontrollen hängenbleiben: Genau wie die Anonymität der Poster gewahrt bleibt, checken bei Kununu ein Algorithmus und dann ein Team von Mitarbeitern die abgegebenen Statements.

Wer die Regeln nicht beachtet, geht mit seiner Bewertung nicht online, erklärt Prüller. Ein Beispiel: „Bei uns ist es verboten, die Bewertung so zu formulieren, dass man auf eine Person im Unternehmen rückschließen kann.“ In diesem Fall werde der Poster kontaktiert und gebeten, seine Formulierung anzupassen. Auch Beschwerden von Unternehmen gehe man nach. „Wir wehren uns aber auch gegen ungerechtfertigte Kritik. Wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen und die moralischen Richtlinien eingehalten wurden, geht eine Bewertung auch wieder online“, sagt Prüller.

Verboten: Schmähkritik

Wer sich nicht an diese Richtlinien hält, kann umgekehrt sogar rechtlich Ärger bekommen. Grenzen seien erreicht, „wenn es weniger um eine sachliche und neutrale Darstellung geht, sondern vielmehr um Schmähkritik oder die Verbreitung von unwahren Tatsachen“, so Petrich. Auch das Verbreiten von Betriebsgeheimnissen könne für den Verfasser einer Bewertung unangenehme Konsequenzen haben.

Denkbar ist natürlich auch, dass die Geschäftsführung eines Unternehmens sich bei Glassdoor, MeinChef und Co. selbst großzügig Pluspunkte gibt. „Ich bin mir auch sicher, dass das manche machen“, sagt Prüller. „Wir sind aber davon überzeugt, dass das relativ wenig bringt.“ Seiner Erfahrung nach achten die Nutzer nicht zuerst auf Sterne und Punkte, sondern vor allem auf die frei formulierten Statements. „Softe Themen“, wie Prüller sagt, werden dabei immer wichtiger – zum Beispiel eine individuelle und flexible Gestaltung des Arbeitsalltags.

Allein darauf verlassen sollte man sich aber nicht, warnt Bewerbungsberater Jörg Hallberg. „Man sollte das immer abgleichen, bestenfalls mit persönlichen Erfahrungen oder, wenn möglich, durch Gespräche mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Unternehmens.“ Was aber nicht heißt, dass die anonymen Kontakte im Netz überhaupt keinen Nutzen haben. „Es kann ein Indiz dafür sein, ob die Stimmung innerhalb des Unternehmens positiv oder eher kritisch gesehen wird“, so der Experte. „Aber es kann für den Einzelfall nur ein Baustein sein.“

Nicht mehr als gefühlte Fakten

Georg Tryba von der Verbraucherzentrale NRW plädiert dafür, Online-Bewertungen generell als subjektiv anzusehen. „Ich kenne die Situation des Bewertenden nicht, warum er dieses Gefühl hat. Deshalb darf man das nicht zu hoch gewichten. Das sind gefühlte Fakten.“ Für viele seien solche subjektiven Bewertungen inzwischen wichtiger als unabhängige Tests, sagt Tryba – und das zu Unrecht: „Bewertungen haben einen viel zu hohen Punkt bei Entscheidungen.“

Der Branchenverband Bitkom fand schon 2015 bei einer Umfrage heraus, dass sich drei von zehn Internetnutzern im Netz darüber informieren, wie Mitarbeiter ihr Unternehmen bewerten. Heute dürften es laut Juliane Petrich noch mehr sein. Und: Damals seien mehr als drei Viertel der Jobsuchenden durch die Berichte und Noten in ihrer Entscheidung beeinflusst worden. Auch diese Zahl dürfte inzwischen gestiegen sein. dpa

Christina Bachmann

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