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Herumliegende E-Scooter können insbesondere für Senioren und Blinde zur Stolperfalle werden.
© Arne Immanuel Bänsch/dpa/picture alliance/dpa

25.000 Fahrzeuge und nur 15 Stellflächen: Berliner Verbände fordern Pflicht-Parkplätze für E-Scooter und Leihräder

Es gibt fast keine Abstellflächen: Um die Gefahr wild herumliegender E-Scooter zu bannen, fordern Fußgänger- und Seniorenverbände schärfere Regeln für Anbieter.

Seit knapp zwei Jahren gibt es E-Scooter auf Berlins Straßen. Auch wenn sich die meisten Menschen an den Anblick gewöhnt haben, führen die Fahrzeuge immer noch zu Ärger, wenn sie auf Gehwegen herumliegen oder Nutzer sie mitten auf Radwegen abstellen. Ein Bündnis mehrerer Verbände fordert Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) nun auf, härter gegen die Tretroller und Leihräder vorzugehen. Sie verlangen feste Stationen für die Sharing-Angebote.

„Wir sehen nur einen Weg, das Problem zu lösen: Leih-Zweiräder dürfen nicht mehr wild im Straßenraum stehen, sondern nur noch an festen Stationen angeboten und abgegeben werden“, heißt es in einem gemeinsamen Brief des Allgemeine Blinden- und Sehbehindertenvereins, der Fußgängerverbands FUSS e.V., des Landesseniorenbeirats und des Berliner Landesverbands des Sozialverbands Deutschland an die Senatorin.

Knapp 26.000 E-Scooter gibt es derzeit in Berlin. Weitere kommen durch den Markteintritt des Anbieters Bolt nun hinzu. Doch Vorschriften, wie die Fahrzeuge abzustellen sind, gibt es nicht. Bei einem E-Scooter-Gipfel einigten sich Senat, Bezirke und die Verleiher 2019 auf freiwillige Abmachungen zum Abstellen. Zugleich erklärten die Innenstadtbezirke, gesonderte Abstellflächen für die Tretroller zu schaffen. Daran hapert es bis heute.

Erst 15 spezielle Stellflächen für E-Scooter und Leihräder wurden seither in der Berliner Innenstadt geschaffen. Die meisten davon liegen noch in Mitte. Dort hat der Bezirk im vergangenen Jahr zehn Abstellorte geschaffen, teilt das Bezirksamt auf Anfrage mit. Sie liegen etwa am Potsdamer Platz und an der Friedrichstraße.

Pandemie, fehlende Kapazitäten, andere Prioritäten

Lediglich drei Stellflächen hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg im vergangenen Jahr geschaffen. Tempelhof-Schöneberg verweist zudem noch auf zwei Jelbi-Stationen, an denen auch Tretroller und ausleihbare Fahrräder platziert werden können. Mehr geschah bislang nicht.

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„Das liegt ganz simpel an den aktuell fehlenden Kapazitäten angesichts vieler anderer Prioritäten bei unseren Ingenieur:innen“; teilt ein Sprecher des Bezirks Neukölln mit. Geplant sind im Norden des Bezirks eigentlich zehn der Stellflächen.

„Ursprünglich wollten wir im Vorjahr mehr E-Scooter-Stellplätze schaffen“, sagte eine Sprecherin des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Weitere Flächen sollen unter anderem rund um den Görlitzer Park und im Bergmannkiez geschaffen werden. „Aufgrund der Pandemie änderten sich jedoch die Prioritäten. Diese lagen und liegen nun bei der Einrichtung bzw. der Verstetigung der Pop-Up-Radwege.“ Zudem habe man im vergangenen Jahr bei der Senatsverkehrsverwaltung einen Antrag zur Finanzierung von 20 der Stellplätze gestellt und eine Absage erhalten.

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Auch Tempelhof-Schöneberg hat fünf weitere Standorte E-Scooter-Parkplätze mit den Anbietern abgestimmt. „Aufgrund der immer noch eingeschränkten Kapazitäten in der Corona-Pandemie konnten sie bisher auch noch nicht weiter vorangetrieben werden“, erklärte eine Sprecherin. 20 zusätzliche Parkflächen für die Tretroller und Leihräder will immerhin der Bezirk Mitte noch in diesem Jahr anordnen.

E-Scooter-Anbieter fordern zusätzliche Abstellflächen

Den Anbietern reicht die bisherige Bilanz jedoch nicht. „Die Schaffung von Parkflächen wurde 2019 groß angekündigt, viel ist danach aber nicht passiert“, sagt Christoph Egels, Sprecher AG Mikromobilität der Plattform Shared Mobility (PSM), zu der sich die Anbieter zusammengeschlossen haben. Die bereits geplanten Flächen sollten zügig umgesetzt werden.

Besonders wichtig wären Parkflächen an zentralen Punkten wie dem Brandenburger Tor oder dem Bahnhof Zoo, sagt Egels. „Langfristig wäre es wünschenswert, Abstellflächen alle 50 Meter an Kreuzungen zu haben.“ Dadurch würde nicht nur die Parksituation für E-Scooter und Leihräder besser. Auch für Fußgänger und Radfahrer würden die Kreuzungen besser einsehbar, weil das Falschparken von Pkws verhindert werden könnte, so der Sprecher.

Rund um das Brandenburger Tor stehen oft dutzende E-Scooter.
Rund um das Brandenburger Tor stehen oft dutzende E-Scooter.
© Christoph Soeder/dpa

Für Roland Stimpel, Vorsitzender von FUSS e.V. ist dies allein dennoch nicht die Lösung. „So lange wie es keine Pflicht gibt, Fahrzeuge in den Stationen abzustellen, kann man sich die Flächen auch sparen. Die Kunden sind einfach zu faul“, sagt er.

Die Fußgängerlobby und die anderen Verbände wollen daher nicht länger auf freiwillige Zusagen der Verleiher vertrauen. „Diese halten die Unternehmen allzu oft nicht ein“, schreiben sie in ihrem Brief an Senatorin Günther.

Die Verbände setzen daher große Hoffnungen in die Änderung des Berliner Straßengesetzes, die die rot-rot-grüne Koalition derzeit anstrebt. Danach würden alle gewerblichen Angebote von E-Scootern, Mopeds oder Fahrrädern eine Sondernutzung. Die Anbieter könnten dann verbindliche Regeln für den Betrieb auferlegt bekommen.

Rot-Rot-Grün will neue Regeln noch vor der Wahl beschließen

Genau das wünschen sich auch Stimpel und seine Mitstreiter. Und plädieren in diesem Zuge für das verpflichtende Abstellen an festen Stationen, die sich in kurzen Abständen über das Berliner Straßenland erstrecken. Wie erfolgreich ein solches Modell sei, zeige etwa das Fahrradverleih-System der Stadt Paris, argumentieren sie in ihrem Schreiben an die Senatorin. Dort seien 1400 Stationen für 20.000 Fahrzeuge dicht über das Stadtgebiet verteilt. Der Abstand betrage oft keine hundert Meter.

Die Anbieter halten davon – wie generell von der Idee der Sondernutzung – nichts. „Ein rein stationsgebundenes System würde extrem negative Auswirkungen auf die Annahme nachhaltiger Mikromobilität haben und wieder dazu führen, dass weniger Bürger bereit sind, auf den privaten PKW zu verzichten, der direkt vor der Tür steht“, erklärt PSM-Sprecher Christoph Egels. Genügend Parkflächen zum freiwilligen Abstellen würden reichen, um eine übermäßige Belastung der Gehwege zu vermeiden.

Wie es für die Roller weitergeht, muss das Berliner Abgeordnetenhaus klären. Der entsprechende Abschnitt des Mobilitätsgesetzes zur „Neuen Mobilität“ und das Berliner Straßengesetz sollen noch vor der Wahl im Herbst beschlossen werden. Die Zeit dafür wird langsam jedoch knapp.

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