Machtwechsel vertagt: Berliner SPD verschiebt wegen Corona ihren Landesparteitag
Corona verhindert die SPD-Vorstandswahl, Franziska Giffey wird in den Landesvorstand kooptiert. Die Absage kostet die Partei rund 50.000 Euro.
Einen Tag nach der Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten der Länder über weitreichende Beschränkungen des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens in Deutschland in der Coronakrise hat die Berliner SPD ihren für Samstag geplanten Landesparteitag abgesagt.
Das erfuhr der Tagesspiegel am frühen Donnerstagnachmittag aus Teilnehmerkreisen. Ursprünglich war geplant, im Rahmen des Treffens der knapp 300 Delegierten die designierte Doppelspitze aus Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und SPD-Fraktionschef Raed Saleh ins Amt zu wählen.
Wann und wie die Wahl nachgeholt werden kann, ist derzeit noch unklar und soll nun zunächst geprüft werden. In einer mehrere Stunden nach der Entscheidung versendeten Pressemitteilung kündigt die Berliner SPD-an, ein Konzept zu erarbeiten, "nach dem der Parteitag zeitnah in einem neuen Format, abseits einer Präsenzveranstaltung, rechtssicher stattfinden kann." Auch ein digitaler Parteitag sei denkbar, allerdings würden derzeit noch die gesetzlichen Grundlagen fehlen, hieß es weiter.
Erste Details der gut 90-minütigen Sitzung waren gegen Mittag an die Öffentlichkeit gelangt. Demnach hatte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, Vorsitzender der Berliner SPD, seinen Rückzug sowie die Führung des Landesverbands durch den geschäftsführenden Vorstand ins Spiel gebracht. Müller habe erklärt, damit könne „eine neue Zeit für die SPD beginnen“, berichten Teilnehmer. Zum Rückzug kam es nicht, wohl auch weil sich seine designierte Nachfolgerin dagegen ausgesprochen hatte.
Giffey und Saleh mit 180-Grad-Wende
Pikant: Während sowohl Giffey als auch Saleh am Abend zuvor in einer Schalte mit den Kreisvorsitzenden der Berliner SPD für eine Durchführung des Parteitags plädiert haben sollen, argumentierten sie tags darauf in die umgekehrte Richtung. Teilnehmern zufolge begründete Giffey ihre Haltung mit der Zugehörigkeit zur Bundesregierung und sagte: "Wir predigen Wasser und trinken Wein."
Im Anschluss an die Sitzung verteidigten beide die Entscheidung. Giffey erklärte: "Als Regierungspartei müssen wir den Menschen im Land Vorbild sein und mit ihnen gemeinsam diese Einschränkungen durchstehen." Saleh ergänzte: "Es war die richtige Entscheidung in einer schwierigen Situation."
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Giffey wurde am Ende des Sitzung in den geschäftsführenden Landesvorstand kooptiert - also nachträglich und auf Beschluss der übrigen Mitglieder des Gremiums hinzugefügt. Saleh ist dort ebenfalls kooptiertes Mitglied. Wann genau der Parteitag nachgeholt werden soll, ist derzeit unklar.
Fest steht: Die SPD kommt die kurzfristige Absage der im Neuköllner Hotel Estrel geplanten Veranstaltung teuer zu stehen. Von Kosten "im mittleren fünfstelligen Bereich" war unmittelbar im Anschluss an die Schalte die Rede. Eine Sprecherin des Landesverbands wollte sich nicht dazu äußern.