Deutschland geht wieder in den Teil-Lockdown: Die Beschlüsse des Corona-Gipfels im Überblick
Ab Montag gelten strenge Kontaktbeschränkungen. Gastronomie und Freizeiteinrichtungen müssen schließen. In der Bundesliga gibt es nur noch Geisterspiele.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten haben am Mittwoch harte Einschnitte für Bürger und Wirtschaft in der Coronavirus-Pandemie beschlossen. Die Lockdown-Maßnahmen sollen schon ab Montag, den 2. November, bis Ende des Monats gelten.
Am Mittwoch hatte das Robert Koch-Institut (RKI) mit fast 15.000 wieder einen Höchstwert bei den Neuinfektionen gemeldet. Merkel hatte zuvor wiederholt deutlich gemacht, dass sie die bestehenden Maßnahmen für nicht ausreichend hält, die Corona-Lage könne außer Kontrolle geraten, den Intensivstationen der Kliniken drohe dann der Kollaps.
Die Beratungen hätten „in einer sehr ernsten Lage“ stattgefunden, sagte Merkel bei einer Pressekonferenz nach der Videoschalte. „Es ist vollkommen klar, wir müssen handeln, und zwar jetzt.“ Sie sprach von einer „nationalen Kraftanstrengung“, die noch einmal nötig sei, um den Anstieg der Infektionszahlen zu bremsen.
Trotz in den Bundesländern teils sehr unterschiedlicher Infektionslagen tragen alle Ministerpräsidenten die Entscheidungen mit, sagte Merkel. Bei den jüngsten Ministerpräsidentenkonferenzen mit der Kanzlerin hatte es keine vollständige Einigkeit mehr gegeben.
Thüringen wird nach den Worten von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) keinen Sonderweg einschlagen. „Es gibt keine Verweigerung Thüringens“, sagte Ramelow. Er trage trotz einer Thüringer Protokollnotiz die Beschlüsse mit. Er werde sie aber dem Thüringer Landtag und seinem rot-rot-grünen Kabinett zur Bestätigung vorlegen.
Ein Überblick über die Entscheidungen:
KONTAKTBESCHRÄNKUNGEN
Merkel hatte am Samstag in ihrem Videopodcast noch einmal deutlich gemacht, für wie wichtig sie es hält, dass die Bundesbürger ihre sozialen Kontakte drastisch reduzieren. Der gemeinsame Aufenthalt in der Öffentlichkeit wird nach den neuen Beschlüssen nur noch Angehörigen des eigenen und eines weiteren Hausstandes – insgesamt maximal zehn Personen – gestattet sein. Verstöße gegen diese Kontaktbeschränkungen sollen die Ordnungsbehörden sanktionieren. Größere Gruppen feiernder Menschen auf öffentlichen Plätzen und in Wohnungen gelten als inakzeptabel.
Experten sind der Ansicht, dass die Zahl der täglichen Neuinfektionen auf 4000 heruntergedrückt werden muss, um zu verhindern, dass es eine dramatisch steigende Zahl von Covid-19-Toten gibt. Dafür wäre über mehrere Wochen eine Reduzierung der Kontakte um 50 bis 75 Prozent notwendig, um bis Dezember eine deutliche Trendwende zu erreichen.
SCHULEN UND KITAS
Schulen und Kindergärten sollen trotz der stark steigenden Corona-Zahlen auch im November verlässlich geöffnet bleiben, beschloss die Runde. Schließungen sollten nur „letztes Mittel“ sein. Allerdings gibt es diese Maßnahmen regional schon seit Ende der Sommerferien.
PFLEGEHEIME
Ältere Menschen gelten in der Pandemie als besonders gefährdete Gruppe für schwere Krankheitsverläufe, die Klinikeinlieferungen nötig machen. In der ersten Welle im Frühjahr wurden viele Pflege- und Altenheime mit strikten Besuchsbeschränkungen abgeschottet, um die Bewohner vor Corona-Infektionen zu schützen.
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Bund und Länder wollen Kranke, Pflegebedürftige, Senioren und Behinderte nun besonders schützen. Die verfügbaren Corona-Schnelltests „sollen jetzt zügig und prioritär in diesem Bereich eingesetzt werden“, damit sichere Kontakte ermöglicht werden könnten. Der besondere Schutz von Krankenhäusern, Pflegeheimen, Senioren- und Behinderteneinrichtungen dürfe aber nicht zu einer vollständigen sozialen Isolation führen. Einrichtungen der Sozial- und Jugendhilfe sowie vergleichbare Beratungseinrichtungen sollen geöffnet bleiben.
GASTRONOMIE
Gastronomiebetriebe sollen vom 2. November an für den restlichen Monat schließen. Davon ausgenommen sein soll die Lieferung und Abholung von Speisen für den Verzehr zu Hause, Kantinen sollen geöffnet bleiben dürfen.
Die Schließung der Gastronomie ist ein sehr umstrittener Punkt. Nicht alle Länderchefs waren vor der Runde davon überzeugt, dass dies notwendig ist. Zudem gab das RKI nach Informationen der „Bild“ am Dienstag bei einer Videoschalte mit Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) und den Staatskanzlei-Chefs der Bundesländer seine Einschätzung der Corona-Gefahr durch die Gastronomie ab. Demnach seien Gaststätten nicht die Treiber der Pandemie.
[„Wir befinden uns nicht im Ausnahmezustand“, sagt der Verfassungsrechtler Oliver Lepsius. Lesen Sie hier ein Gespräch über die Rechtmäßigkeit der deutschen Corona-Politik.]
FREIZEIT
Theater, Opern- und Konzerthäuser, Museen, Messen, Kinos, Freizeitparks, Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen, Bordelle, Schwimm- und Spaßbäder, Saunen, Thermen, Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen werden geschlossen.
Nicht erlaubt ist auch der Freizeit- und Amateursportbetrieb mit Ausnahme des Individualsports allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen. Profisport soll im November nur noch ohne Zuschauer erlaubt sein. Das gilt auch für die Fußball-Bundesliga.
DIENSTLEISTUNGEN
Auch Betriebe im Bereich der Körperpflege wie Kosmetikstudios, Massagepraxen oder Tattoostudios müssen im November schließen. Medizinisch notwendige Behandlungen, zum Beispiel Physiotherapien, bleiben weiter möglich. Anders als im Frühjahr sollen Friseursalons unter den bestehenden Auflagen zur Hygiene geöffnet bleiben.
HANDEL
Groß- und Einzelhandel können im November offen bleiben. In den Geschäften darf sich aber nicht mehr als ein Kunde pro zehn Quadratmeter aufhalten. In der Beschlussvorlage des Bundes war ursprünglich von 25 Quadratmetern die Rede gewesen.
REISEN
Touristische Übernachtungsangebote im Inland sollen nach dem Willen der Runde im November verboten werden. Diese dürften nur noch für notwendige Zwecke wie zwingende Dienstreisen gemacht werden.
Einig ist man sich bei Bund wie Ländern aber darin: Die Grenzen sollen anders als im Frühjahr möglichst offen bleiben, auch wenn gerade in Bayern die enorm hohen Zahlen im benachbarten Tschechien große Nervosität auslösen.
GOTTESDIENSTE
Die Maßnahmen sehen keine Verschärfung der Auflagen für Gottesdienste vor, die die Religionsgemeinschaften im Frühjahr mit den zuständigen Regierungen und Behörden vereinbart hatten. Merkel sagte, die Hygieneregeln müssten weiter eingehalten werden. Ein Verbot von Gottesdiensten sei den Regierungschefs aber nicht angemessen erschienen.
ENTSCHÄDIGUNGEN
Eine Entscheidung kündigte die Bundesregierung zu Beginn der Runde an: Finanzminister Olaf Scholz will die Betriebe, die durch den neuen Lockdown Geld verlieren, finanziell noch einmal extra unterstützen. Sieben bis zehn Milliarden Euro sind dafür vorgesehen.
Kleine Betriebe, die im November schließen müssen, sollen 75 Prozent des Umsatzes des Vorjahresmonats erhalten. Bei größeren Betrieben sollen es 70 Prozent sein. Auch Solo-Selbstständige sollen in den Genuss des Programms kommen. Diese Hilfe galt als Schlüssel für das Einverständnis der Ministerpräsidenten für eine Schließung etwa der Gastronomie. Scholz erklärte auf Twitter, der November werde „ein Monat der Wahrheit“. Die steigenden Infektionszahlen machten ein hartes Gegensteuern notwendig, um die zweite Corona-Welle zu brechen.