Giffey und Saleh kandidieren für Doppelspitze: Berliner SPD wählt am Sonnabend den neuen Parteivorsitz
Auf dem SPD-Landesparteitag soll das neue Führungsduo Giffey/Saleh den Vorsitz von Michael Müller übernehmen. Die Richtung gibt der linke Flügel vor.
Fragt man Vorstandsmitglieder, ob der SPD-Landesparteitag am Sonnabend trotz der zweiten, überaus heftigen Coronawelle tatsächlich stattfinden kann, erhält man zur Antwort: „Zurzeit würde ich sagen, ja“. Ausgerechnet im Hotspot Neukölln, im Kongresshotel Estrel an der Sonnenallee, wollen die Genossen am Sonnabend den SPD-Landesvorsitzenden Michael Müller verabschieden und durch eine Doppelspitze ersetzen. Einzige Bewerber sind die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und der Fraktionschef der SPD, Raed Saleh.
Schon einmal ist der Wahlparteitag verschoben worden, eigentlich sollte er im Mai stattfinden, aber das ließen die Hygieneregeln des Senats nicht zu. Sollte die Veranstaltung ein zweites Mal an der Pandemie scheitern, wäre das für den SPD-Landesverband ein großes Problem. Der lange vorbereitete personelle Neubeginn, der die Chancen der Regierungspartei bei der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 mit Giffey als Spitzenkandidatin deutlich erhöhen soll, würde sich weiter verzögern.
Aber noch ist man in der Parteizentrale optimistisch, dass sich am Sonnabend ab 9.30 Uhr die 278 Delegierten großzügig im Saal verteilen dürfen, der unter normalen Umständen 2700 Kongressteilnehmer fasst und nach den aktuellen Coronaregeln 880 Teilnehmer zulässt.
Gäste sind nicht zugelassen, nur die journalistischen Berichterstatter in einem strikt abgetrennten Bereich. Auch auf die Präsentation von Büchern, Fair-Trade-Produkten und Werbeständen von Landesunternehmen und sozialen Verbänden wird verzichtet.
Am Eingang wird Fieber gemessen, Zutritt nur mit Maske, „Laufwege und Abstandsmarkierungen sind einzuhalten“, heißt es streng in den offiziellen Hinweisen. Der Saal sei mit „100 Prozent Frischluft klimatisiert“, versprechen den Organisatoren und den traditionell diskutierfreudigen Delegierten wird Kondition abverlangt. Wer hinten rechts startet, um vorne links ans Rednerpult zu gelangen, muss 440 Meter zurückgelegen. Nicht alle sind sportlich in der Berliner SPD.
Parteispitze bleibt wohl links
Wenn der Parteitag wie geplant stattfindet, wird die Hauptstadt-SPD am späten Nachmittag über einen neuen Vorstand verfügen, der nicht weniger links ist als die bisherige Parteispitze. Ordentlich quotiert nach Stadtregionen und Geschlecht, wahrscheinlich etwas jünger als bisher. Die vier Partei-Vizes Ina Czyborra, Andreas Geisel, Iris Spranger und Julian Zado bleiben, um personelle Stabilität im engeren Vorstand zu garantieren. Giffey und Saleh können alles gebrauchen, nur keine überraschenden Attacken aus nächster politischer Nähe.
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Auch der künftige Landeskassierer Michael Biel aus Tempelhof-Schöneberg genießt das Vertrauen des designierten Spitzen-Duos. Außerdem soll er mit seiner Bewerbung den Planungschef Müllers in der Senatskanzlei, Robert Drewnicki, als neuer Kassenwart verhindern.
Giffey möchte gern ihren Stabschef im Bundesfamilienministerium, Severin Fischer aus Neukölln, im erweiterten Vorstand installieren. Der scheidende Spandauer Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank, ein guter Freund Salehs, kandidiert ebenfalls als Beisitzer. Aber auch die ehemalige Juso-Landeschefin Annika Klose, exponierte Vertreterin der Berliner SPD-Linken. Es wird ein buntes Team.
Was sagt Müller zum Abschied?
Mit Spannung erwartet wird die Abschiedsrede des SPD-Landeschefs Müller. Welchen Ton schlägt er an, was gibt er seiner Partei, der er seit fast 40 Jahren angehört, mit auf den Weg? Was sagt er zu Giffey und Saleh?
Regierender Bürgermeister will er bis zur Wahl 2021 bleiben. Er sei für diese Legislaturperiode gewählt, diese Aufgabe werde er erfüllen, bestätigte Müller öffentlich. Aufschlussreich könnte auch sein, mit welchen Stimmenergebnissen die neue Doppelspitze ins Parteiamt gewählt wird. Giffey kann, so hört man in SPD-Kreisen, mit einem guten Ergebnis rechnen. Auch für Saleh dürfte es reichen, eventuell knapp.
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Angesichts der Bedeutung dieser Vorstandswahlen wird die Beratung der vielen Anträge wohl in den Hintergrund geraten. Im Vordergrund stehen die Themen Arbeit und Wirtschaft, Bildung, Mobilität, Inneres und Recht – und natürlich die Gesundheitspolitik. Besonders fleißige Antragsteller sind mal wieder die Jungsozialisten und die exponiert linken Kreisverbände Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg. Die Stimme der häufig vernachlässigten Außenbezirke ist auch dieses Mal Marzahn-Hellersdorf.
Im Antragsbuch dominiert die Handschrift der linken Mehrheit, damit wird die Parteirechte Giffey klarkommen müssen. So wettert die AG „Migration und Vielfalt“ gegen den Begriff der Clan-Kriminalität als „Konzept des Racial Profilings“ und die Jusos fordern, das Verbot der linksextremen Internet-Plattform linksunten.indymedia durch das Bundesinnenministerium als schweren Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit unverzüglich aufzuheben.
Die Genossen in Friedrichshain-Kreuzberg fordern, die grundgesetzliche Schuldenbremse wieder abzuschaffen. Öffentliche Kredite, Staats- und Landesanleihen sollten „in der Höhe gesellschaftlich gewünschter Investitionen“ zulässig sein. In einem weiteren Antrag wird die Ausschreibung der Nord-Süd-Bahn und der Stadtbahn durch den Senat als „Schritt hin zur Privatisierung der S-Bahn“ abgelehnt. Alle diese Forderungen werden wohl eine Mehrheit finden.
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