Weil er zwei Schlagringe besaß: Berliner Polizist Peter G. zu Geldstrafe verurteilt
Der Polizist Peter G. wurde wegen Besitzes zweier Schlagringe zu einer Geldstrafe verurteilt. Beim Prozess ging es auch um den Tod von Fabien Martini.
Peter G. faltet immer wieder seine Hände – gegen das Zittern. Der Polizist sitzt in Saal B 131 des Amtsgerichts Tiergarten auf der Anklagebank. Jeans, graues Hemd, Schlips. An der Seite ist der Kopf rasiert, das graue Haar hat er nach hinten zu einem Zopf gebunden, an den Ohren mehrere auffällige schwarze Ringe.
Nicht einmal eine Stunde vergeht, dann fällt Richter Andreas Rische sein Urteil: 1700 Euro Geldstrafe wegen illegalen Waffenbesitzes. Denn in der Wohnung des Polizisten sind zwei Schlagringe gefunden worden, allein deren Besitz ist strafbar.
Für gewöhnlich sind solche Fälle für die Gerichte fast Lappalien, häufig genug ergehen auf Antrag der Staatsanwaltschaft Strafbefehle gegen die Beschuldigten ohne öffentlichen Prozess. Doch dieser Fall ist nicht gewöhnlich. Denn der 51-Jährige hat vor genau eineinhalb Jahren die 21-jährige Fabien Martini totgefahren.
Gegen G. wird wegen fahrlässiger Tötung ermittelt – und wegen Gefährdung des Straßenverkehrs durch Trunkenheit. Auch wenn er deshalb nicht auf der Anklagebank sitzt. Dass er überhaupt vor dem Richter sitzen muss an diesem Montag, hat auch damit zu tun. Auch deshalb sitzt der Vater von Fabien im Publikum. Er will sehen, wer seine Tochter getötet hat.
War G. bei der Einsatzfahrt betrunken?
Peter G. ist am 29. Januar 2018 in Berlin-Mitte mit einem Streifenwagen zu einem Eil-Einsatz mit Blaulicht gefahren und mit Tempo 134 durch den Tunnel am Alexanderplatz gerast. Zur selben Zeit steuerte die damals 21 Jahre alte Fabien Martini ihren Wagen auf der Grunerstraße von der rechten Fahrspur über die komplette Fahrbahn nach links. Dann knallte der Einsatzwagen gegen Martinis Wagen , sie starb am Unfallort.
Monatelange liefen die Ermittlungen. Das Verfahren stand kurz vor dem Abschluss , da kam ein neuer Verdacht auf: War G. bei der Einsatzfahrt betrunken? Die Eltern der Getöteten macht über ihren Anwalt monatelange Druck. Im Januar beschlagnahmte die Polizei die Krankenakte von G. in der Charité, wo er und sein Kollege nach dem Unfall behandelt wurden: Vermerkt ist in der Akte ein Blutalkoholwert von 1,1 Promille. Doch den Formalien für eine Alkoholuntersuchung von Autofahrern genügt das nicht. Es ist nur ein Indiz.
Die Erkenntnisse gelangten an die Öffentlichkeit. Peter G. wurde als „Suff-Cop“ tituliert, Fotos von G. landeten in Zeitungen. Sie stammen von seinem Foto-Blog, inszenierte Bilder. Auf einem Foto hält G. sich einen Revolver an die Schläfe. Der Blog war den Vorgesetzten bekannt, er wurde gewarnt, es nicht zu bunt zu treiben. Doch der Revolver interessierte die Polizei lange nicht.
Am 9. April rückte der Oberstaatsanwalt bei Peter G. an
Erst als der Alkoholverdacht bekannt wurde und die martialischen Fotos von G. in den Zeitungen erschienen, interessierte sich auch die Polizeiführung dafür. Polizeivizepräsident Marco Langner schaltete sich nach Tagesspiegel-Informationen im Februar persönlich ein. Über den Leitungsstab des Landeskriminalamtes ist das für Beamtendelikte zuständige Kommissariat 341 angewiesen worden, schnellstens zu prüfen, ob G. einen Waffenschein besitzt.
Falls nicht, sollten Ermittlungen eingeleitet und ein Durchsuchungsbeschluss bei der Staatsanwaltschaft beantragt werden. Binnen weniger Tage kam die Akte zur Justiz und sollte schleunig jenem Oberstaatsanwalt vorgelegt werden, der auch wegen der Todesfahrt gegen G. ermittelt. Kurz danach wird G. die Ausübung der Dienstgeschäfte untersagt. Er ist in psychiatrischer Behandlung, muss Schlaftabletten nehmen.
Anfang April erging ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss, am 9. April rückte der Oberstaatsanwalt mit dem Spezialeinsatzkommando an der Wohnungstür von G. an. Der 51-Jährige ließ die Beamten herein, in einer abgestellten Truhe mit Verkleidung fand eine Beamtin zwei Schreckschussrevolver, eine Erlaubnis brauchte G. für die beiden Revolver nicht. Wohl aber fand die Beamtin zwei Schlagringe. Ein klarer Gesetzesverstoß.
Die Staatsanwaltschaft forderte eine Geldstrafe von 5400 Euro
Vor Gericht äußert sich G. nicht selbst, sein Verteidiger Hendrik Hendriks spricht. Sein Mandant wolle sich seiner Verantwortung stellen. Dies bezog der Anwalt ausdrücklich auch auf die Ermittlungen zu dem Unfall. Der Hauptkommissar, seit 31 Jahren unbescholtener Polizist, sei von 2012 bis 2017 einer genehmigten Nebentätigkeit nachgegangen, betrieb eine Agentur für Fotodesign und Event-Management, Auftraggeber waren Bands und Firmen. Dabei seien auch die Bilder mit Waffen entstanden. Die Schlagringe seien Requisiten gewesen, die er nach dem Ende der Firma mit den Kleidungsstücken in der Truhe verwahrt habe. Ein Fehler, sagt der Anwalt.
Der junge Staatsanwalt fordert eine Geldstrafe von 5400 Euro. Da geht Richter Andreas Rische nicht mit. G. hätte aber andere Möglichkeiten gehabt, als echte Schlagringe für seine Fotos zu nutzen. Als Repräsentant der Staatsgewalt müsse er die Gesetze ganz besonders achten, er habe gewusst, dass er die Schlagringe nicht besitzen durfte. Zugleich berücksichtigte der Richter die persönlichen Konsequenzen, die G. durch die Medienberichte zu tragen habe. „Konsequenzen“, sagte Rische, „die mit einem anderen Verfahren zusammenhängen, das noch lange nicht abgeschlossen sein wird.“
Fabiens Vater fühlt sich von der Staatsanwaltschaft hintergangen
Nach dem Urteil hat der Vater der getöteten Fabien Tränen in den Augen. Vor dem Gerichtssaal redet er sich in Rage: Er habe den Polizisten das erste Mal nach dem Unfall gesehen. „Gar nichts, da kam nie eine Reaktion.“ Er empfinde „Hass, nur Hass“. Zudem fühle er sich von der Staatsanwaltschaft hingehalten, es gehe nicht voran, eine Anklage, ein Prozess sei nicht in Sicht. „Ich weiß nicht, wie lange wir noch aushalten müssen.“ Das nun gegen G. ergangene Urteil sei „Pillepalle“. Das Liebste sei ihm genommen worden.
Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei, sprach von einem angemessenen Urteil. G. sei zwar nicht vorbestraft, der Schuldspruch werde aber beim Prozess um die Todesfahrt eine Rolle spielen. Zudem sei es auffällig, wie zügig das Verfahren gelaufen sei. „Er gibt einen super Sündenbock her“, sagte Jendro.
Am Platz der Luftbrücke, im Polizeipräsidium, sei G. nicht gern gesehen. Jörn Badendick, Sprecher des Berufsverbands „Unabhängige“, warf der Staatsanwaltschaft vor, jedes Maß verloren zu haben. Nach aller Erfahrung hätte ein solches Verfahren gegen Geldauflage eingestellt oder per Strafbefehl beendet worden können. „Man wollte bewusst ein Urteil sprechen und öffentliches Interesse bedienen.“
- bbbbbb
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