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Eine Kriminaltechnikerin sichert Spuren an einem Tatort.
© Paul Zinken/dpa
Update

Bearbeitungsstau bei der Kriminaltechnik: Berliner Polizei wartet Monate auf DNA-Analysen

In Berlin stauen sich Anfragen bei der Kriminaltechnik. Die FDP fordert externe Auftragsvergabe und bringt private Institute ins Gespräch.

Ermittler in Berlin warten auf circa 50.000 Auswertungen von Spuren aus Kriminalfällen. Beim Kriminaltechnischen Institut (KTI) der Polizei hat sich die Zahl noch offener Untersuchungen in vier Jahren bis Ende 2018 auf 52.000 Aufträge verdoppelt. Das schreibt die Verwaltung von Innensenator Andreas Geisel (SPD) auf Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP).

Zugenommen haben vor allem die unbearbeiteten Bitten um DNA-Analysen, vor einigen Monaten waren demnach 29.000 Aufträge zu DNA-Analysen unbearbeitet. Zuerst werden DNA-Analysen bei Fällen von Mord, Totschlag, Vergewaltigung bearbeitet. Ermittlern des Landeskriminalamtes (LKA) zufolge könne aber auch dies drei Monate dauern. In der Antwort der Innenverwaltung heißt es zudem: Die Bearbeitungsdauer bei Fingerabdrücken beläuft sich auf 235 Tage, bei Waffen sind es 238 Tage, bei Handschriften 325 Tage.

Private Institute beauftragen?

"Die Aufgaben in Berlin werden größer und die Kapazitäten eher kleiner", sagte Luthe am Montag. Der FDP-Innenpolitiker fordert mehr Personal für das Landeskriminalamt (LKA) und das Land auf, Expertise von außen zu holen. Private Institute könnten vom LKA mit der Analyse beauftragt werden, auch wenn Ermittlungen ein hoheitlicher, staatlicher Akt seien. "Deutsche Gerichte treffen Urteile ohnehin oft auf Basis privater Gutachten", so Luthe. "Diese Gutachten werden vom Gericht bestellt." Tatsächlich werden beispielsweise Psychiater, Techniker und Kunstsachverständige in vielen Prozessen angehört.

Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Norbert Cioma, sagte dazu: "Dass zunehmend Aufgaben liegen bleiben, darf keinen überraschen, denn ohne Frage ist der Personalkörper bei KTI nicht mal im Ansatz mit den Möglichkeiten und den damit verbundenen Anforderungen mitgewachsen. Wir warnen aber davor, Untersuchungen auszulagern. In der Vergangenheit war das mit schlechterer Qualität bei höheren Kosten verbunden. Wir plädieren für einen eigenen Campus für Kriminaltechnik innerhalb des LKA, an dem die Aufgaben auf Personal, Technik sowie die notwendige Vernetzung zu Wissenschaft und Forschung treffen."

Senat will 1,1 Millionen Euro pro Jahr investieren

Die Polizeiführung hatte bereits neue Qualitätsstandards zur Sicherung von DNA-Spuren einführt, die dazu führen sollen, dass die Polizei sich auf "erfolgversprechende DNA-Spuren" fokussiert. In einer internen Mitarbeiterinformation der Polizei von Mitte September 2018 heißt es dazu: "Durch die hohe Anzahl von Untersuchungsanträgen verzeichnen wir mittlerweile einen Bearbeitungsstau, der der Jahreskapazität von LKA KTI entspricht. Die für alle spürbaren Folgen sind sehr lange Bearbeitungszeiten." Insgesamt wurden 2018 circa 136.000 kriminaltechnische Analysen angefordert, was im Mittel der vergangenen Jahre eine leichte Steigerung darstellt.

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Weil die Kriminaltechniker nicht mehr hinterherkommen, hatte die Polizeiführung einfach eine neue Dienstanweisung erlassen. Anstatt dem KTI mehr Personal zu geben, sollen Berliner Polizisten an Tatorten einfach weniger DNA-Spuren und stattdessen wieder mehr Fingerabdrücke sichern.

Von 2008 bis 2018 gab es beim Personal einen leichten Rückgang. Dabei haben die Kriminaltechniker immer mehr zu tun – mehr als die Abteilung bewältigen kann. Die Polizeiführung ordnete deshalb einen "Paradigmenwechsel in der DNA-Spurensuche" bei Vergehen wie Hausfriedensbruch, fahrlässige Tötung, einige Körperverletzungsdelikte, Diebstahl, Betrug und Sachbeschädigung. Das Motto lautet: "Qualität statt Quantität."

Wenn an Tatorten zu viele unklare DNA-Spuren sind, soll darauf verzichtet werden. "In solchen Fällen macht eine Sicherung von vermuteten DNA-Spuren keinen Sinn, verursacht Kosten und führt dazu, dass andere erfolgversprechende DNA-Spuren verzögert untersucht werden können", heißt es in der Anweisung.

1,1 Millionen Euro pro Jahr für das KTI

Durch die neue Vorgabe soll die Trefferquote beim Abgleich mit den Datenbanken verbessert werden. Zudem fordert die Polizeiführung, "dass das Potenzial der daktyloskopischen Untersuchung, besonders an Untersuchungsgegenständen mit glatten Oberflächen, vollständig ausschöpft wird". Im Klartext: Die Beamten sollen wieder häufiger klassich Fingerabdrücke sammeln.

Berlins Staatsanwalt Ralph Knispel hatte in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz erst vor einigen Tagen vor Staatsversagen gewarnt. Wer DNA-Analysen nach Einbrüchen anfordert, müsse womöglich drei Jahre auf ein Ergebnis warten. Reisende Täter seien dann lange verschwunden. Ursache dafür: Personalmangel. "Selbst im Bereich der organisierten Kriminalität und auch bei Tötungsdelikten warten wir manchmal Monate auf Untersuchungsergebnisse", hatte Knispel gesagt.

Laut Senat sollen in den nächsten Jahren 1,1 Millionen Euro pro Jahr ins Institut investiert werden. Dort arbeiten hunderte Biologen, Chemiker und Physiker. Der Etat der Innensenatsverwaltung soll für 2020/2021 rund 2,93 Milliarden Euro betragen. Darin sind auch mehr Stellen für die Polizei vorgesehen.

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