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Wohnen in Berlin: Schriftzug für niedrigere Mieten an einer Hausfassade
© imago images /Müller-Stauffenberg

Gesetz für den Wohnungsmarkt: Berliner Mietendeckel könnte Pilotprojekt für Deutschland sein

Der für Berlin vereinbarte Mietendeckel muss sich noch als rechtssicher erweisen. Dann könnte er die Exzesse der vergangenen Jahre beseitigen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Dramatischer hätte man es kaum inszenieren können. Zeitweilig sah es am Freitagabend so aus, als würde der rot-rot-grünen Koalition in Berlin der Mietendeckel scheppernd zu Bruch gehen. Die Verhandlungen über das Mietengesetz standen vor dem Scheitern – und damit die Koalition.

Das lag einerseits daran, dass der Senat mit dem Gesetz politisch und verfassungsrechtlich Neuland betritt. Andererseits trauen sich die drei Regierungsparteien seit geraumer Zeit nur noch bedingt über den Weg.

Am Ende siegte die Vernunft – oder der politische Überlebenswille. Wie man’s nimmt. Sozialdemokraten, Linke und Grüne hätten den Zorn vieler Berliner auf sich gelenkt, wenn sie das wichtigste Projekt dieser Legislaturperiode gegen die Wand gefahren hätten. Seit der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2016 gab es schon zu viele Beweise regierungsamtlichen Unvermögens.

Staatsversagen wurde der Koalition gelegentlich vorgehalten. Ein Vorwurf, der beim Scheitern der Mietenbegrenzung, mit der viele Bürger hohe Erwartungen verbinden, voll zugetroffen hätte.

Jetzt aber ist der Mietendeckel (fast) da. Noch muss die politische Verständigung, die am Freitag erzielt wurde, in Gesetzesform gegossen und vom Landesparlament abgesegnet werden. Gespannt darf man sein, ob es diesem Senat gelingt, die komplizierte Mixtur aus Mietenmoratorium und Obergrenzen, Kappung von Wuchermieten und Modernisierungszuschlägen, Härtefallregelungen und Mietzuschüssen auch verwaltungstechnisch umzusetzen.

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Große Verantwortung

Wer die Arbeit von Standes- und Bürgerämtern schwer auf die Reihe kriegt, der darf sich nicht beschweren, wenn das große Vorhaben weiterhin misstrauisch begleitet wird.

Der Senat trägt nun eine große Verantwortung gegenüber Mietern und Vermietern, die vom neuen Gesetz begünstigt oder belastet werden. Sozialdemokraten, Linke und Grüne müssen verhindern, dass in der Hauptstadt ein mietenpolitischer Klassenkampf entbrennt, der Berlin spaltet.

Diese Verantwortung kommt aber auch der beiderseits mächtigen und erfahrungsgemäß streitlustigen Mieter- und Eigentümerlobby zu. Mäßigung ist angesagt. Es wird Sache der Gerichte sein, zu prüfen, ob dieses bundesweit einzigartige Mietengesetz dem Grundgesetz entspricht.

Die Regelungen, auf die sich Rot-Rot-Grün jetzt in zähen Verhandlungen geeinigt hat, werden hoffentlich die Exzesse der vergangenen Jahre beseitigen und den Mietmarkt deutlich verändern. Sie sind auch handhabbar. Falls sich der Mietendeckel als rechtssicher erweist, kann er ein großes Pilotprojekt für Deutschland werden, wie man auch immer dazu steht.

Die großen Städte warten nur darauf, dass nicht nur der Bund, sondern auch die Länder und Kommunen regulierend in den Wohnungsmarkt eingreifen dürfen. Dann wird es voraussichtlich in den nächsten Jahren viele Mietendeckel geben.

Wer sich darüber freut, dem sei aber auch gesagt, dass sich das Angebot und die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum nicht allein durch ein restriktives Mietrecht wieder ins Gleichgewicht bringen lässt.

Der Mietendeckel hilft, Zeit zu gewinnen, um den privaten und kommunalen Wohnungsbau massiv voranzubringen. Sollte das nicht in absehbarer Zeit gelingen, wird auch in Berlin nur der Mangel öffentlich verwaltet.

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