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In Berlin wird mittlerweile regelmäßig für schärfere Gesetze gegen hohe Mieten demonstriert. Anfang Oktober war jemand dabei als Hai kostümiert unterwegs.
© imago images/IPON

Wie drastisch wird der Mietendeckel?: Kurz vor der Entscheidung sind die Parteien tief zerstritten

Die Berliner Regierung will sich heute auf einen Kompromiss zum Mietendeckel einigen. Der Finanzsenator warnt vor hohen Mehrausgaben für die Stadt.

Vor der Sitzung des Koalitionsausschusses, der am heutigen Donnerstag einen Kompromiss zum Mietendeckel aushandeln soll, warnt Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) vor erheblichen Folgen des geplanten Mietengesetzes für den Landeshaushalt. Wenn es nicht gelinge, einen rechtssicheren Gesetzesentwurf zu erarbeiten, „weil man vielleicht mit dem Feuer spielt, können Gesetze, die dann keinen Bestand haben, Schadensersatzansprüche auslösen“, schreibt Kollatz auf Facebook.

Deswegen sei es nicht egal, warnte der Senator, „ob etwas von der Verfassung gedeckt ist oder nicht“. Den SPD-Politiker treibt die Gefahr einer Haftung des Landes Berlin für Mietsenkungen um, wie sie von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) vorgeschlagen werden.

Falls es zu Mietsenkungen komme, die vom Einkommen der Mieter abhängig sind, dürfte das ein „Sonderopfer des Vermieters“ darstellen, für das der Gesetzgeber ausgleichspflichtig sei, erläuterte die Finanzverwaltung auf Anfrage. Einnahmeverluste der Vermieter müssten dann aus dem Berliner Landeshaushalt ausgeglichen werden.

Andererseits drohten den Mietern, falls das Gesetz vor Gericht scheitern sollte, Nachzahlungen an die Vermieter, hieß es ergänzend.

Bei den Linken wurden die Äußerungen des Finanzsenators als „Drohgebärde“ aufgefasst. Dagegen wurde Kollatz’ Warnung in SPD-Kreisen als „nicht abwegig“ eingestuft.

Union will im Bund und Land gegen Mietendeckel klagen

Die Unionsfraktionen im Bundestag haben schon im August ein abstraktes Normenkontrollverfahren gegen den Mietendeckel angekündigt. Auch die Fraktionen von CDU und FDP im Abgeordnetenhaus wollen den Klageweg beschreiten, wenn das Gesetz Anfang 2020 in Kraft tritt.

Welche Blüten die koalitionsinterne Debatte über einen rechtssicheren Mietendeckel treibt, ist dem Protokoll der Senatssitzung vom Dienstag zu entnehmen. Demnach hält es der Linken-Fraktionschef Udo Wolf für „nicht zielführend, weitere Diskussionen über Rechtsfragen zu führen“.

Zweifle der Senat selbst an den verfassungsrechtlichen Grundlagen, so erhöhe dies das Risiko einer Ablehnung durch die Verfassungsgerichte.

Am Donnerstag wird nun die Diskussion im Koalitionsausschuss fortgesetzt. Mindestens drei Stunden wollen sich SPD, Linke und Grüne Zeit nehmen, um einen Kompromiss zu finden. Dabei kann Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) damit rechnen, nicht nur von der eigenen Partei, sondern auch von den Grünen massiv unterstützt zu werden.

„Mit dem SPD-Modell eines Mietengesetzes gehen wir nicht aus der Sitzung raus"

Beide Koalitionspartner werfen der SPD vor, sich immer weiter vom Eckpunktebeschluss des Senats vom 18. Juni entfernt zu haben. „Mit dem SPD-Modell eines Mietengesetzes gehen wir nicht aus der Sitzung raus“, hieß es bei den Grünen. Wobei der Linken-Fraktionschef Wolf am Mittwoch genüsslich auf den Internetauftritt der Berliner SPD verwies, in dem seit Wochen die „wichtigsten Punkte zum Berliner Mietengesetz“ präsentiert werden.

Dazu gehört auch der Passus: „Auf Antrag der Mieter ist eine Überprüfung der Miethöhe möglich. Falls die Miete zu hoch ist, wird sie auf die zulässige Miete reduziert (Absenkungsbegehren).“ Ob das echt sei, fragte Wolf auf Twitter. „Wenn ja, verstehe ich das Problem nicht … können wir so machen.“

Die Streitpunkte im Überblick:

  • Momentan will sich die SPD nur auf die landesgesetzliche Kappung von Wuchermieten einlassen. Doch Linke und Grüne wollen es dabei nicht belassen. Kern des Konflikts zwischen den drei Regierungsparteien sind Obergrenzen für die rechtlich zulässige Miete, die im Gesetzentwurf Lompschers enthalten sind und sich nur nach Alter und Ausstattung der Wohnungen richten. Die eigentlichen Punkte lassen sich nicht markieren, nicht wundern
  • Neu in der Diskussion ist die Orientierung der erlaubten Mietpreise am Berliner Mietspiegel. Wobei Linke und Grüne den Mietspiegel von 2013 meinen, die SPD favorisierte bisher den Mietspiegel von 2019, der höhere Preise zuließe. Dem Vernehmen nach sind die Sozialdemokraten hier aber zu Kompromissen bereit.
  • Ein großer Streitpunkt bleibt die Lage der Wohnung im Stadtgebiet als zusätzlicher Maßstab für die Mietobergrenze. Die SPD beharrt darauf, juristisch gestützt durch das Gutachten des Staatsrechtlers Ulrich Battis. Die SPD argumentiert: Lompschers Tabelle bevorzuge eindeutig Mieter in schicken, teuren Altbauwohnungen im Citybereich, deren Miete deutlich gesenkt würde. Dagegen profitierten die Mieter in noch relativ preiswerten Stadtrandregionen kaum.

Die Linken halten dagegen: Es gehe eben nicht darum, die Trennung von Quartieren für Arme und Reiche jetzt auch noch per Mietendeckel zu verfestigen. Nur eine stadtweite Nivellierung der Mieten könne wieder Bewegung in den Wohnungsmarkt bringen.

Für diesen Konflikt innerhalb der Koalition ist noch kein Lösungsweg in Sicht. Immerhin deutet sich für die Einführung eines Inflationsausgleichs, um den Vermietern entgegenzukommen, ein Konsens an. Offenbar sind jetzt auch die Sozialdemokraten bereit, einen solchen Zuschlag zu tolerieren, wenn auch nicht in Höhe der tatsächlichen jährlichen Teuerungsrate – und auch nicht gleich im ersten Jahr des Mietendeckels.

„Besser später als nie“

Um das Risiko zu vermindern, dass das Mietengesetz komplett am Verfassungsgericht scheitert, werden sich SPD, Linke und Grüne wohl auf ein zweistufiges Verfahren einigen, mit dem auch Senatorin Lompscher leben kann: Der Mietenstopp wird Anfang 2020 eingeführt, Mietenabsenkungen erst ein Jahr später.

Ob dies in einem oder in zwei getrennten Gesetzen geregelt wird, ist noch offen. Die Linken bestehen nach wie vor auf einem landesrechtlichen„Gesamtpaket“.

Trotz des Wortgetöses und der ungelösten Streitpunkte ist sich Rot-Rot-Grün bewusst, dass man sich ein Scheitern des Mietendeckels politisch nicht erlauben kann. „Besser später als nie“ ist die neue Devise. Möglicherweise tritt das geplante Mietengesetz erst im Februar oder März in Kraft.

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