Musterfall oder Lachnummer?: Das letzte Wort zum Mietendeckel wird das Verfassungsgericht haben
Am Freitag will Berlins rot-rot-grüner Senat den bundesweit ersten Mietendeckel beschließen. Wichtig wird sein, dass er vor Gericht Bestand hat. Ein Kommentar.
Eins ist klar: Das letzte Wort zum Mietendeckel hat das Verfassungsgericht – wie auch immer die Einigung des Berliner Senats zur Ausgestaltung dieses rechtlichen Neulandes aussehen wird. Denn das Berliner Gesetz wird Nachahmer finden in anderen Ländern, deren Bewohner wie in der Hauptstadt keine bezahlbaren Wohnungen finden. Der Mietendeckel hilft dabei nicht, meinen CDU und FDP im Bund und kündigten vorsorglich schon mal eine Klage an – die Wirtschaftsverbände werden sich anschließen.
Wichtig aber ist: Erst einmal gilt das Wort von R2G. In Berlin sollen die Mieten in den kommenden fünf Jahren nicht mehr steigen – Neubauten ausgenommen. Dass SPD, Linke und Grüne monatelang rangen, sich zerstritten und wieder zusammenrauften darüber, wie das geschehen soll, ist eher ein gutes Zeichen: Allein der Vergleich der ersten Ideen aus dem Hause von Katrin Lompscher, der zuständigen Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, mit dem gut eine Woche später vorgelegten, nach heftigen öffentlichen Kontroversen stark entschärften Referentenentwurf, zeigt, wie nötig das war.
Dabei bleibt es nicht, die Einigung steht kurz bevor und wird an diesem Freitag wohl beschlossen. Abzuräumen bleibt: Auf welche Höhe sollen die Mieten in Berlin gedeckelt werden? Auf den Stand von 2013, wie bisher im Gespräch – oder auf den Mittelwert des jüngst veröffentlichten Mietspiegels 2019, wie die SPD fordert, gerüstet mit einem neuen Gutachten.
Eine einfache Lösung dieses Dilemmas gibt es nicht – deshalb vertagte der Senat die Entscheidung. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung soll prüfen, ob der Mittelwert aus dem aktuellen Mietspiegel, also 6,72 Euro je Quadratmeter (plus Aufschläge bei Sanierung für Klimaschutz oder Barrierefreiheit), begründet werden kann aus der Entwicklung der Einkommen und dem höheren Anstieg der Mieten – um es rechtssicher als öffentlichen Eingriff in einen überhitzten Markt zu legitimieren.
Aufschläge für gute Wohnungen geplant
Dazu sind außerdem Aufschläge im Gespräch für besonders gute Ausstattungen von Wohnungen, wie sie nur in besonders guten Lagen üblich sind. So soll das offensichtlich Absurde – wie gleiche Preise für eine Altbauwohnung im hintersten Winkel von Spandau und einem Loft am Ku’damm – verhindert werden.
Eine Absenkung von Mieten auszuschließen, wie die SPD zeitweilig das gefordert hatte, wäre damit nicht vom Tisch. Ab 20 Prozent über den Oberwerten könnte das möglich werden. Dafür sollen die Mieten eingefroren werden und ab dem Jahr 2021 „atmen“, also steigen, um 1,3 Prozent, weil eben auch die Preise steigen.
Das ist weit entfernt von dem, was die Linke als Wunschkonzert der Mieter ursprünglich plante. Aber es ist auch rechtssicherer und zielsicherer als das pauschale Einfrieren der Mieten für fünf Jahre, das die SPD gefordert hatte. Die Grünen mussten die Grenzen der Rechtssicherheit ausloten.
Kurzum, es zeichnet sich ein Kompromiss ab, den Gerichte eher nicht mit einem Federstrich kippen können – und das wäre auf einem bisher unbestellten rechtlichen Terrain fast schon ein Wunder bei dieser streitfreudigen Koalition.