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Neues Gefängnis "Heidering": Berliner Häftlinge sollen arbeiten - doch es fehlen Jobs

Sie arbeiten für Großkonzerne wie Mercedes und Lebensmitteldiscounter, doch die Auftragslage ist übersichtlich. Gefangene in Berlins neuem Gefängnis "Heidering" sind frustriert. Dabei ist Ablenkung sinnvoll.

120 Millionen hat der Gefängnisneubau „Heidering“ bei Großbeeren gekostet, der vor einem Jahr eröffnet worden ist. Die Investition wurde mit zwei Argumenten begründet: Die Überbelegung in Berliner Haftanstalten und der Wunsch nach einem modernen Gefängnis, in dem jeder Gefangene arbeiten kann. Das erste Argument ist längst überholt. Denn die Gefangenenzahlen sind deutlich gesunken – es gibt keine Überbelegung mehr.

Nun berichten Gefangene aus Heidering, dass es auch mit der Arbeit nicht klappt – weil Aufträge aus der Privatwirtschaft fehlen. „Seit Herbst bin ich hier, erst seit Juli habe ich Arbeit“, sagte ein Häftling am Telefon. Das neue Gefängnis selbst ist fast voll, 589 der 648 Zellen sind belegt. Dafür ist Tegel deutlich geschrumpft, von früher bis zu 1750 auf heute etwa 900 Männer.

Die frühere Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD), die den Neubau nach langen Jahren des Streits und der Diskussionen letztlich durchgesetzt hat, hatte Vollbeschäftigung versprochen: „Jeder Gefangene, der arbeitsfähig ist, soll auch Beschäftigung und auch eine berufliche Perspektive erhalten“, hatte von der Aue im November 2010 bei der Grundsteinlegung gesagt. Denn sinnvolle Arbeit ist gleichbedeutend mit gelungener Resozialisierung; reines Wegsperren ändere die Gefangenen nicht, so die Justiz.

Nur 35 Arbeitsplätze sind besetzt

Gut ein Jahr nach der Eröffnung ist die Bilanz traurig: „35 Arbeitsplätze sind zur Zeit aktiv besetzt“, teilte Justizsprecherin Claudia Engfeld auf Anfrage mit. Und weiter: „95 Gefangene sind tagesaktuell nicht zur Arbeit eingesetzt.“ Begründung: Da es sich um zeitlich befristete Aufträge handele, kann es „zu mehrtägigen Arbeitspausen zwischen zwei Aufträgen kommen, an denen Gefangene nicht beschäftigt werden können“.

Ein Gefangener berichtet, dass eine der drei Werkhallen schlicht leer stehe. Die fehlenden Aufträge sind in Heidering nur ein Grund für die hohe Arbeitslosenquote. Der zweite sind fehlende Arbeitsplätze. Nach Justizangaben sind in den Hallen 2 und 3 derzeit 130 Arbeitsplätze eingerichtet. Von der Aue hatte damals „400 Arbeitsplätze in Werkbetrieben“ versprochen. Das ging schief. So scheiterte 2012 die erste Ausschreibung nach einem Generalunternehmer aus der Privatwirtschaft. Erst im Februar 2014 konnte letztlich ein Vertrag mit einer Privatfirma geschlossen werden, berichtete Justizsprecherin Engfeld. Bis Ende 2015 seien 220 Arbeitsplätze geplant, verspricht Engfeld – das ist gut die Hälfte der angekündigten 400.

Doch Gefangene sind skeptisch, dass die Firma so schnell weitere Arbeitsplätze schafft, wenn schon die bestehenden 130 derzeit nur zu einem kleinen Teil ausgelastet sind. Und die, die Arbeit haben, klagen auch. Die Hallen seien in den letzten Wochen sehr heiß gewesen, gelüftet werden könne nicht, nicht einmal Wasser dürfe man mitbringen.

Ob Gärtner oder Frisör: Reich werden Gefangene nicht

Und etwas stumpfsinnig seien manche Tätigkeiten auch. So wurden im Akkord Muttern auf Schrauben gesetzt. Für den Aldi-Konzern seien in einer Halle Antirutschmatten gefaltet und verpackt worden. Einige Mitgefangene seien so sauer gewesen, dass sie in die Matten kleine Zettel geschmuggelt hätten mit Aufschriften wie „Bei 35 Grad in deutschem Gefängnis verpackt“. Vorbild seien die Berichte gewesen, dass Arbeiterinnen der Billigmodekette Primark Hilferufe in Kleidung eingenäht hätten. Der Aldi-Auftrag sei nach zwei Wochen fertig gewesen, seitdem gebe es in dieser Halle keine Beschäftigung mehr, so der Bericht. In der anderen Halle werden für die Mercedes A-Klasse Plastikteile manuell entgratet und abgeschliffen.

Details zu Arbeiten oder Auftraggebern in Heidering will die Justiz nicht nennen. Vor Baubeginn waren diese Arbeiten angestrebt worden: „Lebensmittelverarbeitung, Abfallsortierung, Automobilzulieferung und Montage/Verpackung“. Besser sieht es bei der Qualifizierung aus. Die 68 Schulplätze sind voll besetzt, ebenso die 56 Ausbildungsplätze. Gefangene können in Heidering in sechsmonatigen Kursen Gärtner, Maler, Gebäudereiniger und Küchenhelfer lernen. Weitere Arbeitsplätze gibt es Knast-intern, in Küche und Kantine, als Handwerker, Putzmann oder Frisör. Reich werden die Gefangenen nicht. Der Lohn liegt bei etwa zehn Euro – pro Tag.

Jörn Hasselmann

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