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Blick aus einer Zelle auf den neuen Sportplatz.
© Jörn Hasselmann
Update

Sicherungsverwahrte ziehen um: Kätzchen und PC im neuen Knast

Noch mehr Verspätung: Der Umzug der Sicherungsverwahrten in der Justizvollzugsanstalt Tegel beginnt erst Ende September. Die Haustechnik ist noch nicht fertig.

„5-Sterne-Knast“: Diesen Vorwurf hörte man zuletzt 2013 bei der Eröffnung des Gefängnisneubaus Heidering, der für 120 Millionen entstanden ist. Nun bekommen die Berliner Sicherungsverwahrten innerhalb der JVA Tegel ihr eigenes Haus – für 15 Millionen Euro. „Hotel oder doch nur einfach Knast?“, provoziert die jüngste Ausgabe des Tegeler Gefängnismagazins „Lichtblick“. Bei der Antwort sind sich Inhaftierte und Justiz ausnahmsweise einmal einig: auch der Neubau ist ein Gefängnis. Am Freitag übergab Bausenator Michael Müller (SPD) das Haus an Justizsenator Thomas Heilmann (CDU).

41 Sexual- und Gewalttäter sind betroffen

Doch der Neubau öffnet mit Verspätung, erst Ende September soll er bezogen werden. Noch werde an der Haustechnik gearbeitet, sagte der Chef der JVA Tegel, Martin Riemer. Vor zwei Wochen war den betroffenen Männern noch der August genannt worden. Der Grundstein war bereits im Dezember 2012 gelegt worden, dennoch sprachen die Verwaltungen von einer schnellen Bauzeit. Die Verzögerung gab es davor, bei der Planung: Denn schon 2011 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Unterbringung bei Sicherungsverwahrung neu zu regeln ist: Sie müssen mehr Platz bekommen und mehr Abstand von den „normalen“ Gefangenen. Sicherungsverwahrte haben eigentlich ihre Haft verbüßt, wegen ihrer Gefährlichkeit müssen sie aber hinter Gittern bleiben. Entsprechend müssen die Bedingungen besser sein, sagten die Richter in Karlsruhe. 41 Sexual- und Gewalttäter trifft dies derzeit in Berlin. Ein anderes Gericht legte dann als Zellenmindestgröße 20 Quadratmeter fest.

20 Quadratmeter für jeden Sicherungsverwahrten. Statt Gittern gibt es Stahlblech mit Ellipsen-Löchern.
20 Quadratmeter für jeden Sicherungsverwahrten. Statt Gittern gibt es Stahlblech mit Ellipsen-Löchern.
© Jörn Hasselmann

Und genau die bekommen die Verwahrten, ganz exakt sind es 20,07. Es wird Telefone in den „Zimmern“ geben und einen Kühlschrank, zudem einen Computerarbeitsraum und ein Fitnesscenter. Vor den Fenstern aber sind Gitter, die Computer haben kein Internet und Alkohol bleibt tabu. „Warum sollen die Sicherungsverwahrten nicht ein Feierabendbierchen trinken“, fragt der Grüne Rechtsexperte Dirk Behrendt, „gerade jetzt zur Fußball-WM“. Die Justiz will kein Bier: „Die Ausgabe von Suchtmitteln entspricht nicht dem Behandlungskonzept der Sicherungsverwahrung“, sagte Heilmanns Sprecherin.

Haustiere fördern die Empathie

60 Zellen hat das neue Haus, 36 werden nun Ende August bezogen, fünf Sicherungsverwahrte sind derzeit in einer anderen Abteilung in Therapie. Überdimensioniert ist das Haus dennoch nicht. Bei 38 Männern sei die anschließende Verwahrung „vornotiert“, sagt Justizsprecherin Claudia Engfeld. Und entlassen werden Verwahrte nur selten. Vier waren es im Jahr 2013, in diesem Jahr wurde erst einer entlassen. Viele sind in Tegel weit über 70, viele chronisch krank.

Zu den Besonderheiten gehört auch, dass hier lange eine Katze lebte. Vor kurzem starb „Minka“, nun ist ihr Nachfolger, ein Kätzchen, eingezogen. Gepflegt wird es von den Verwahrten. Ganz legal ist das nicht, aber geduldet. Für den grünen Strafvollzugsexperten Behrendt sind Haustiere eine gute Therapie, sie geben Halt und fördern Empathie. „Kleintierhaltung ist weder generell erlaubt noch verboten“, teilt die Justiz mit und verweist auf die Folgen: Tierarztkosten und mögliche Allergien. Die Architekten haben auf der Freifläche neben dem Sportplatz sogar einen Platz für "Kleintierhaltung" reserviert, entschieden ist aber noch nichts.

Katze hin, Bier her – viele Sicherungsverwahrte hätten lieber ein Haus außerhalb der Tegeler Mauern. Nur so sei der „Abstand“ gewahrt. Bei jedem der nahezu täglichen Anstaltsalarme werden auch sie sofort weggeschlossen; dies soll Fluchten verhindern. Die Verwahrten treibt auch die Frage um, wer zusammen auf einen Flur kommt. Die Anstalt will losen, doch das ärgert viele. Unklar ist zudem, ob Telefone in den Zimmern auch angerufen werden können. Bislang darf man nur heraustelefonieren.

Die Tür von außen. Das große Schlüsselloch ist für die Aufpasser. Mit einem kleinen Schlüssel können die Verwahrten ihre Zelle abschließen, wenn sie auf dem Sportplatz oder bei der Arbeit sind. Die Stellung des roten Knopfs zeigt an, ob die Tür verriegelt ist.
Die Tür von außen. Das große Schlüsselloch ist für die Aufpasser. Mit einem kleinen Schlüssel können die Verwahrten ihre Zelle abschließen, wenn sie auf dem Sportplatz oder bei der Arbeit sind. Die Stellung des roten Knopfs zeigt an, ob die Tür verriegelt ist.
© Jörn Hasselmann

Jörn Hasselmann

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