Offener Brief an Justizsenator Heilmann: Ein Wärter für hundert Häftlinge
Der eklatante Personalmangel in Berlins Haftanstalten gefährdet nach Ansicht von Personalräten nicht nur die Gesundheit der Bediensteten, sondern auch die öffentliche Sicherheit. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis etwas Schlimmes passiert, warnen Kritiker.
Chronisch überforderte Bedienstete, vernachlässigte Gefangene und ein massives Sicherheitsproblem für die Berliner – so stellt sich für den Berliner Landesverband des Bundes der Strafvollzugsbediensteten (BSBD) die Situation im Justizvollzug der Hauptstadt dar. „Von einem Justizsenator der CDU, die im Wahlkampf mehr Sicherheit für die Bürger versprach, hätten wir mehr erwartet“, sagte der BSBD-Landesverbandschef Thomas Goiny am Freitag dem Tagesspiegel.
Doch die Hoffnung, dass sich am rigorosen Sparkurs in Berlins Haftanstalten etwas ändern würde, sei nachhaltig enttäuscht worden. Deshalb und nicht nur wegen der jüngsten spektakulären Ausbrüche unterstütze der BSBD den Offenen Brief, den die Personalräte des Justizvollzugs kürzlich an Justizminister Thomas Heilmann (CDU) gerichtet haben. Darin beklagen sie unter anderem, dass „sicherheitsrelevante Maßnahmen durch Personaleinsparungen massiv ignoriert und vernachlässigt“ wurden.
Das gelte selbst für die neue Justizvollzugsanstalt Heidering. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis hier etwas Schlimmes – wie eine Meuterei oder Geiselnahme – passiert“, sagt ein Bediensteter, der seinen Namen nicht nennen möchte. „Wir haben pro Schicht sieben Kollegen für 220 Gefangene und in der Nachtschicht sogar nur neun Kollegen für mehr als 600 Inhaftierte“. Wenn da noch einer krank werde oder ein Gefangener irgendwohin begleitet werden müsse, kämen hundert Häftlinge auf einen Kollegen.
Der Justizsenator nimmt die Sorgen sehr ernst
Das stelle nicht nur eine massive Gefährdung der Bediensteten sondern auch ein nicht vertretbares Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung dar, warnen die Personalräte. Bis zu 120 Dienstposten seien täglich nicht besetzt. Die Argumentation, dass die Zahl der Gefangenen sinke, sei nicht schlüssig, da „der Arbeitsaufwand und die Arbeitsabläufe bei 40 beziehungsweise 80 Gefangenen identisch“ seien.
Die Senatsverwaltung für Justiz verweist hingegen darauf, dass die Zahl der Überstunden bei Berlins Justizvollzugsbediensteten rückläufig sei und einfache Rechnungen mit Dienstposten keine eindeutigen Rückschlüsse über die Arbeitsbelastung zuließen. Unabhängig davon habe Senator Heilmann bereits in dieser Woche mit Vertretern des Gesamtpersonalrats über den Offenen Brief diskutiert. „Ich nehme die Sorgen ... sehr ernst“, sagte er im Anschluss. „Das Thema ist mehrfach Gegenstand der Haushaltsberatungen gewesen, insofern unterstützt der Offene Brief meine Position.“
Ob Heilmann die geplanten weiteren Kürzungen um 205 Stellen bis 2015 verhindern kann, ist allerdings ungewiss. Dabei fordern selbst die Gefangenen mehr Justizvollzugsbeamte. „Wir haben einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Resozialisierung“, sagt ein in Tegel inhaftierter Mitarbeiter der Gefangenenzeitung „der lichtblick“. Überlastete Sozialarbeiter und Bedienstete könnten diesem Anspruch nicht gerecht werden, dabei sei es doch so wichtig, dass Verurteilte in der Haft betreut würden: „Das ist im Interesse aller Bürger, denn irgendwann kommt fast jeder wieder raus.“
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